Absorptionskälteanlage schließt „Sommerlücke“ im Effizienzkonzept

Kombination von BHKW und Absorptionskälteanlage reduziert CO2-Emissionen

Zum Effizienzkonzept eines großen badischen Verpackungsherstellers leistet eine Absorptionskälteanlage einen wichtigen Beitrag. Diese wird zwischen Mai und September mit der Wärme eines am Produktionsstandort errichteten Blockheizkraftwerks (BHKW) betrieben und ermöglicht so die ganzjährige effiziente Erzeugung von Strom, Wärme und Kälte. Aus der KWK-(Kraft-Wärme-Kopplung)- wird so eine KWKK-(Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung)-Lösung. Die Absorptionskälteanlage wurde als Container-Lösung schlüsselfertig bereitgestellt.

Lange Zeit stand die elektrische Energie im Fokus, wenn es in der Industrie um das Thema Effizienzsteigerung ging. Doch lassen sich Energieverbrauch und CO2-Ausstoß deutlich stärker reduzieren, wenn die Einsparpotenziale im Unternehmen medienübergreifend betrachtet werden. Ein gutes Beispiel für so eine ganzheitliche Herangehensweise ist das Energiekonzept für einen großen badischen Verpackungshersteller, das die MVV Enamic GmbH, Tochterunternehmen des Mannheimer Energieversorgers MVV, im vergangenen Jahr umgesetzt hat. Ziel des Kunden ist es, innerhalb von drei Jahren komplett klimaneutral zu produzieren. Mit dem Konzept der MVV Enamic konnten die CO2-Emissionen bereits deutlich reduziert werden. Parallel sanken die Energiekosten um einen Betrag im hohen fünfstelligen Bereich. Neben der kompletten Umstellung der Beleuchtung auf LED-Leuchtmittel, die mit jährlich 200 t zur CO2-Reduktion beiträgt, stand die Versorgung mit Strom, Wärme und Kälte bei dem Projekt im Vordergrund. In diesem Bereich sank der CO2-Ausstoß um 700 t pro Jahr. Vorhandene Anlagen für die Wärme- und Kälteerzeugung waren in die Jahre gekommen, gleichzeitig sollte die Produktion um weitere Linien wachsen. Auf der Basis einer genauen Bedarfsanalyse entwickelte die MVV Enamic GmbH gemeinsam mit dem Kunden ein maßgeschneidertes Energiekonzept.

Herzstück ist ein gasbetriebenes BHKW mit einer elektrischen Leistung von 360 kWel und einer Wärmeleistung von 381 kWth, das Strom und Wärme für den Eigenbedarf liefert.

 

Wärme im Winter, Kälte im Sommer

Eine wichtige Voraussetzung für den effizienten Betrieb des Kraftwerks ist der ganzjährige Wärmebedarf im Unternehmen. So wird die produzierte Wärme im Winter zu Heizzwecken genutzt, während sie in den Sommermonaten mittels einer Absorptionskältemaschine in Kälte umgewandelt und zu Kühlzwecken verwendet wird. Den restlichen Wärme- beziehungsweise Kältebedarf decken ein zusätzlicher Brennwertkessel sowie ein luftgekühlter Flüssigkeitskühler. „Der Wärmebedarf unseres Kunden besteht ausschließlich für Heizwärme, nicht für Prozesswärme, das heißt, die BHKW-Anlage wäre außerhalb der Heizperiode von Mai bis September außer Betrieb“, erklärt Jürgen Schneider, Projektleiter bei der MVV Enamic GmbH. „Durch den Absorptionskältebetrieb in diesen Monaten kann die Laufzeit des BHKWs um etwa 3100 Volllaststunden erhöht werden. Der Kunde kann dadurch die Eigenerzeugung an Strom um rund 1.100.000 kWh steigern und dementsprechend teuren Strombezug substituieren.“

Rütgers Kälte Klima, Mannheim, ein lokaler Partner der MVV, wurde bereits während der Projektentwicklung in die technische Gesamtkonzeption der Kälteerzeugung mit einbezogen. Nachdem die MVV Enamic GmbH für das Gesamtvorhaben, inklusive der Erneuerung der Heizzentrale und der Kälteversorgung sowie dem Bau eines BHKW, im Contracting beauftragt wurde, erteilte sie Rütgers Kälte Klima den Auftrag zur Errichtung der Kälteerzeugungsanlage sowie für deren hydraulische Anbindung. „Neben der technischen Kompetenz von Rütgers Kälte Klima spielte auch die Regionalität eine Rolle. Sie war unserem Kunden – unter anderem in Hinblick auf den späteren Service – bei der Vergabe sehr wichtig“, beschreibt Schneider einen Grund für die Zusammenarbeit mit Rütgers Kälte Klima. Darüber hinaus habe man sich bereits im Rahmen früherer Projekte kennengelernt und gut zusammengearbeitet. Als Vertriebspartner der Hersteller KTK, Shuangliang und Mitsubishi Electric bietet Rütgers mit 150 Mitarbeitern an zwölf deutschen Standorten umfassendes Know-how im Bereich der Kälte- und Klimatechnik für Gebäude sowie der industriellen Kühlung.

 

Maßgeschneiderte Containerlösung für die Absorptionskälteanlage

Die von Rütgers Kälte Klima bereitgestellten Anlagen dienen der Kühlung von Wasser, das im firmenseitigen Rohrleitungssystem zirkuliert. Die Kaltwassererzeugungsanlage besteht aus einem luftgekühlten Flüssigkeitskühler mit einer Kälteleistung von 1500 kW, einer zweistufigen Absorptionskälteanlage „Rütgers-Shuangliang HSB-165“ mit einer Kälteleistung von 300 kW und einem adiabaten Rückkühlsystem. Eine übergeordnete Steuerung, Pumpen für Kalt-, Kühl- und Heißwasser sowie ein Ausdehnungsgefäß, Rohrleitungseinbauten, regelungs- und sicherheitstechnische Komponenten komplettieren die Anlage.

Der luftgekühlte Flüssigkeitskühler und der Rückkühler wurden außerhalb des Containers aufgestellt. Für die Absorptionskälteanlage, die Pumpen und die zugehörige Regelungs- und Steuerungseinheit entwickelte Rütgers eine maßgeschneiderte Containerlösung, die auf dem Fundament der alten Kälteanlage ihren Platz fand. Zunächst wurde die Absorptionskältemaschine platziert, im zweiten Schritt der Container als Haube darüber gesetzt. Im dritten und entscheidenden Schritt erfolgte die Installation der Anlagentechnik im Inneren der Containeranlage. „Unsere Kunden erhalten ihre Absorptionskälte-Konzepte von uns komplett aus einer Hand“, erklärt Katrin Preller, bei Rütgers zuständig für die Projektierung und den Vertrieb von Absorptionskältetechnik. „Unsere Containerlösungen werden als Sondermaschinenbau konzipiert und exakt auf die Gegebenheiten vor Ort und die Bedürfnisse des Kunden abgestimmt.“

Die Absorptionskältemaschine „Shuangliang“ ist eine Großkältemaschine, die Heißwasser mit einer Temperatur von 85 °C als Antriebsenergie, Lithium-Bromid-Lösung (Sole) als Absorptionsmittel und Wasser als Kältemittel verwendet. Die durch den Kälteprozess entstehende Absorptionswärme wird an einen Kühlwasserkreislauf abgegeben, über den Rückkühler geführt und dann zurück zur Absorptionskältemaschine geleitet.

 

Übergeordnete Steuerung und Monitoring

Die Kaltwasseranlage wird übergeordnet mit einer Siemens-Regelung gesteuert und geregelt. Diese ist in einem separaten Schaltschrank im Container installiert und sorgt für das optimale Zusammenspiel von Absorptions- und Flüssigkeitskühler „Die Absorptionskälteanlage deckt die Grundlast ab“, erläutert Katrin Preller. „Unter konstanten Betriebsbedingungen und möglichst unter Dauerbetrieb kann eine Absorptionskälteanlage am effektivsten betrieben werden. Der Flüssigkeitskühler kann Bedarfsschwankungen hingegen flexibel ausgleichen und zusätzliche Spitzen im Sommer abdecken.“

Mit dem Monitoringsystem „Rütgers:Care“, das 2016 eine Auszeichnung als Indus­trie-4.0-Leuchtturmprojekt erhielt, werden Betriebs- und Störmeldungen der Kältemaschinen und der übergeordneten Regelung überwacht und aufgezeichnet. „Wir können mit Rütgers:Care die Mess- und Betriebsdaten der Anlage detailliert analysieren, überwachen und optimiert darstellen“, erklärt Katrin Preller. „Auf diese Weise bieten wir dem Kunden einen individuellen Support und eine Optimierung seiner Anlage und deren Peripheriekomponenten. Im Bedarfsfall können wir bereits frühzeitig Abweichungen im Anlagenverhalten erkennen und schneller reagieren. Dadurch wird gleichzeitig eine erhöhte Anlagenverfügbarkeit gewährleistet.“

 

Prozesskältebedarf übers Jahr nahezu konstant

Nachdem das BHKW bereits Ende Januar 2017 für die Wärme- und Stromversorgung in Betrieb ging, folgte die Aufstellung der beiden Kältemaschinen einen Monat später. „Als erstes wurde der Flüssigkeitskühler hydraulisch angeschlossen und Mitte Mai in Betrieb genommen, um die Kälteversorgung für den Kunden in den warmen Monaten sicherzustellen“, schildert Schneider den Ablauf. „Im Anschluss erfolgte dann der hydraulische Anschluss der Absorptionskälteanlage und des Rückkühlers. Inbetriebnahme war hier Mitte Juli 2017.“

Durch einen Dreischichtbetrieb an sieben Tagen der Woche ist die Kältelast im Unternehmen nahezu konstant. Messungen im vergangenen Sommer ergaben einen Prozesskältebedarf von 1100 kW bei einer Außentemperatur von 35 °C. Auch übers Jahr betrachtet sind die Schwankungen gering. „In der Übergangs- und Sommerzeit wächst der Kältebedarf durch die Klimatisierung der Produktionshallen über RLT-Anlagen“, beschreibt Schneider die jahreszeitbedingten Besonderheiten. „Auf der anderen Seite besteht im Winter die Möglichkeit der freien Kühlung, weil dann für die Prozesskälte eine Vorlauftemperatur von 10 °C ausreicht. Bei Außentemperaturen unter 5 °C wird das Kühlwasser direkt über den Rückkühler auf dem Dach geleitet.“

Die Wärme aus dem BHKW fließt zwischen Mai und September komplett in die Absorptionskälteanlage. In den Wintermonaten dient die Wärmeenergie ausschließlich der Gebäudeheizung, die im Zuge des Projektes ebenfalls erneuert wurde. Derzeit tüftelt Schneiders Team noch an der optimalen Fahrweise der Wärme- und Kälteversorgung im Sommer- und Winterbetrieb. „Wir haben getestet, ob Heizung und Absorptionskälte auch parallel über das BHKW betrieben werden können“, nennt Scheider ein Beispiel. „Doch sinkt bei dieser Betriebsweise die Vorlauftemperatur und damit auch der Wirkungsgrad des BHKWs und der Absorptionskälteanlage.“

Von der Kombination von BHKW und Absorptionskälte ist der Projektleiter indes überzeugt. „Die Absorptionskälteanlage hat die Gesamtwirtschaftlichkeit unseres Projekts verbessert“, resümiert Schneider. „Aufgrund der vergleichsweise teuren Anlagentechnik ist Absorptionskälte aber kein Selbstläufer. Sie biete immer dann eine wirtschaftliche Lösung, wenn die Gaspreise vergleichsweise niedrig und die Strompreise hoch sind. Oder, wenn die Abwärme aus anderen Prozessen genutzt werden kann“, ergänzt Katrin Preller.

Die Rütgers GmbH & Co. KG

1919 als Elektro- und Haushaltsgeräte-Großhandlung in Mannheim gegründet, eröffnete Rütgers (www.ruetgers.com) bereits 1927 seine kältetechnische Abteilung mit Kundendienst. Entsprechend basieren die Kompetenzen der Rütgers GmbH & Co. KG, mit Hauptsitz in Mannheim, heute bereits auf fast einem Jahrhundert Erfahrung im Bereich der Kälte- und Klimatechnik für Gebäude sowie der industriellen Kühlung. Als Vertriebspartner für KTK, Shuangliang und Mitsubishi Electric bietet Rütgers Kälte Klima mit 150 Mitarbeitern und insgesamt 12 Standorten deutschlandweit umfassendes Kältetechnik-Know-how und kompetenten Service. Zum Produktportfolio des Unternehmens gehören Luft-Wasser-Wärmepumpen, luft- und wassergekühlte Flüssigkeitskühler, Absorptionskältemaschinen sowie Split- und Multisplit-Klimaanlagen. In Deutschland ist Rütgers Kälte Klima Generalvertreter für Absorptionskältemaschinen von Shuangliang.

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