Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken

Bei mangelhafter Planung ist der Streit vorprogrammiert

Aus Presse, Funk und Fernsehen sind Hamburger und Berliner Großprojekte bekannt, die nicht rechtzeitig fertiggestellt werden und deren Kosten sich dramatisch erhöhen. Die Fragen, wie das alles passieren konnte und warum sich diese Projekte in derartiger „Schieflage“ befinden sind berechtigt. Mit den nachfolgenden Ausführungen wird dargelegt, welche Folgen aus unvollständiger, mangelhafter Planung resultieren, wie man sich als Ausführender zu verhalten hat und wo abschließend geregelt ist, wie eine mangelfreie Planung auszusehen hat.

Die Qualität der vom Auftraggeber in Bauprojekten zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen, bestehend aus der Ausführungsplanung (Grundrissen im Maßstab 1 : 50, Schnittdarstellungen und Detailzeichnungen), Berechnungen und der Leistungsbeschreibung hat maßgeblichen Einfluss auf die fristgerechte Fertiggestellung und den wirtschaftlichen Erfolg eines jeden Projekts.

Wird die VOB als Grundlage in einem Werkvertrag vereinbart, und das ist bei öffentlichen Aufträgen regelmäßig der Fall, hat der Auftragnehmer Anspruch auf die zur Ausführung nötigen Unterlagen. Diese Unterlagen, d.h. die vollständigen und mangelfreien Planungsunterlagen, sind dem Auftragnehmer rechtzeitig und unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (Siehe hierzu § 3 (1) VOB/B).

Als Auftragnehmer ist man allerdings gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass die zur Ausführung nötigen Unterlagen dem Auftragnehmer nach der Auftragserteilung rechtzeitig und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Deshalb empfiehlt es sich, die zur Ausführung nötigen Unterlagen unmittelbar nach der Auftragserteilung im Einzelnen aufzulisten und mit einem Schreiben bei der Aufraggeberin anzufordern.

Bei einem der beiden bekannten Berliner Großprojekten hat der Auftragnehmer die zur Ausführung nötigen Unterlagen unmittelbar nach der Zuschlagserteilung im Einzelnen und detailliert schriftlich angefordert und hat zunächst nichts (!) erhalten, da die Planungsunterlagen noch nicht fertiggestellt waren und somit nichts vorlag, was hätte versendet werden können. Diese wurden nach und nach, je nachdem was gerade fertiggestellt wurde, an den Auftragnehmer übersendet.

In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, auf welcher Grundlage vom Planer die Leistungsbeschreibung erstellt wurde, wenn keine Planung vorlag. Mit der technischen Arbeitsvorbereitung, d.h. mit der vom Auftragnehmer geschuldeten Montageplanung, kann allerdings erst dann begonnen werden, wenn sämtliche Unterlagen vollständig und mangelfrei zur Verfügung stehen. Monatelange Verzögerungen, bevor der Unternehmer mit der technischen Arbeitsvorbereitung und Montageplanung beginnen konnte, waren die Folge.

Für eine lückenlose Nachweisführung, wann welche Planungsunterlage vom Auftraggeber übersendet wurde, ist es daher unverzichtbar, den Eingang der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen, z.B. auf Planeingangslisten, zu dokumentieren.

Nachdem der Auftragnehmer die zur Ausführung nötigen Unterlagen erhalten hat, sind diese unverzüglich auf ihre Zweckmäßigkeit, d.h. Vollständigkeit und Mangelfreiheit, hin zu überprüfen.

Sollten die Planungsunterlagen den Anforderungen nicht gerecht werden, d.h. mangelhaft oder unvollständig sein, muss der Auftragnehmer Bedenken gegen die zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen und Behinderung in der Ausführung anmelden, um sich einerseits selbst zu schützen und andererseits dem Auftraggeber hierdurch die Möglichkeit zu geben, seinen Koordinierungs- und Steuerungspflichten nachzukommen.

Die Verpflichtung zur Überprüfung der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen ergibt sich aus den Regelungen der VOB/C, z.B. aus der DIN 18379, Pkt. 3.1.4, bei der Ausführung von raumlufttechnischen Anlagen, i.V. mit dem § 3 (3), Satz 2 VOB/B.

Meinungsverschiedenheiten bis hin zu späteren Streitigkeiten können dann entstehen, wenn es der Auftragnehmer aus Unkenntnis darüber, wann Planungsunterlagen mangelfrei sind, versäumt, Bedenken gegen die Planungsunterlagen anzuzeigen.

Es ist daher für jeden ausführenden Unternehmer von existentieller Wichtigkeit und für den wirtschaftlichen Erfolg des Projektes entscheidend, frühzeitig zu erkennen, ob die Planungsunterlagen den Anforderungen gerecht werden.

Bei einem von den beiden in jüngster Vergangenheit in den Medien behandelten Projekten sind die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen den Anforderungen nicht gerecht geworden. So musste der Auftragnehmer in der Ausführungsplanung über 4000 (!) Planungsmängel feststellen, da u.a. die Vorgaben aus dem Brandschutzgutachten nicht bzw. nicht vollständig berücksichtigt wurden und die aus der VDI 6022 resultierenden Vorgaben gänzlich unberücksichtigt blieben.

Die festgestellten Planungsmängel wurden durch den Auftragnehmer in der Ausführungsplanung durch entsprechende Eintragungen/Markierungen kenntlich gemacht und an den Auftraggeber mit der Aufforderung zur Mangelbeseitigung zurückgesendet. Darüber hinaus hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen angezeigt und die Übersendung von mangelfreien Planungsunterlagen gefordert.

Einzig aus der VDI 6026 ist für die jeweilige Planungsphase zu entnehmen, welche Inhalte Planungsunterlagen haben müssen und wie deren Beschaffenheit zu sein hat, damit diese den Anforderungen gerecht werden. So ist z.B. in der VDI 6026, Tab. 5, Pkt. 5 für die Planungsphase Ausführungsplanung, geregelt, dass diese ausführungsreif (!) inklusive der Koordination mit den anderen am Bau beteiligten Gewerken, mit Dimensionen und allen Komponenten darzustellen ist. Weiterhin ist u.a. vorgegeben, dass eine vollständige Bemaßung von Trassen, Apparaten und Komponenten mit genauen Bezugsmaßen zum Bauwerk und anderen Gewerken zu erfolgen hat (siehe hierzu VDI 6026 a.a.O.).

Der Auftragnehmer musste auch feststellen, dass die Ausführungsplanung nicht übergeordnet mit den anderen am Bau beteiligten Gewerken koordiniert wurde, obwohl eine Ausführungsplanung nach den Vorgaben der VDI 6026 dadurch gekennzeichnet ist, das diese übergeordnet mit den anderen am Bau beteiligten Gewerken koordiniert ist, so dass rund 900 (!) Kollisionen mit anderen Gewerken während der Ausführung erkannt und entsprechend dokumentiert werden mussten.

Die aus der Beseitigung der festgestellten Kollisionen resultierenden sechsstelligen Vergütungsansprüche/Schadenersatzansprüche/Entschädigungsansprüche wurden von der Auftraggeberin mit dem Hinweis auf eine angeblich aus der Leistungsbeschreibung resultierenden Koordinierungsverantwortung des Auftragnehmers abgelehnt.

Wie bereits ausgeführt, wird (einzig) über die VDI 6026 geregelt, welche Inhalte die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen haben müssen und wie deren Beschaffenheit zu sein hat. Über die HOAI wird nicht geregelt, welche Planungsunterlagen dem Auftragnehmer zur Verfügung zu stellen sind. Da über die HOAI geregelt ist, das ggf. erforderliche Planfortschreibungsarbeiten vom Architekten geschuldet sind und es eine gleichlautende Regelung für die jeweiligen Fachplaner nicht gibt, bleibt es zunächst ungeregelt, von wem notwendige Planfortschreibungsleistungen im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung auszuführen sind. Hieraus resultierend hat der Auftraggeber die Möglichkeit, erforderliche Planfortschreibungsarbeiten entweder an den jeweiligen Fachplaner oder aber auch an den ausführenden Unternehmer zu beauftragen.

Von dieser Wahlmöglichkeit hat der Auftraggeber in einem von den beiden Bauvorhaben Gebrauch gemacht und hat die notwendigen Mangelbeseitigungsarbeiten an den Planungsunterlagen und die Planfortschreibungsarbeiten an den ausführenden Unternehmer beauftragt, da der Fachplaner (angeblich) für die Mangelbeseitigung und Planfortschreibung keine freien Kapazitäten hatte.

Über den § 1 (3) VOB/B hat der Auftraggeber die Möglichkeit geänderte und/oder zusätzliche Leistungen zur Ausführung anzuordnen, sofern der Auftragnehmer auf deren Ausführung eingerichtet ist. Die hieraus resultierenden Vergütungsansprüche werden über die § 2 (5), (6) und (9) VOB/B geregelt.

Um Meinungsverschiedenheiten über die aus der Planfortschreibung und Mangelbeseitigung resultierenden Vergütungsansprüche zu vermeiden, empfiehlt es sich, hierüber eine abschließende Vereinbarung vor der Ausführung zu treffen. Da der Auftraggeber aber das einseitige Recht zur Anordnung von geänderten und/oder zusätzlichen Leistungen hat, ist der Auftragnehmer auch ohne Vergütungsvereinbarung zur Ausführung verpflichtet und muss ggf. erheblich in Vorleistung gehen.

Der Unternehmer hat der Anordnung des Auftraggebers Folge geleistet, hat nicht nur die festgestellten und vom Fachplaner verursachten Mängel beseitigt, sondern die erforderlichen Planfortschreibungsarbeiten durchgeführt. Die vom Unternehmer ausgeführten Planfortschreibungs- und Mangelbeseitigungsleistungen wurden entsprechend dokumentiert und anschließend mit den über den Hauptauftrag vereinbarten Stundenverrechnungssätzen abgerechnet. Die dokumentierten geänderten und/oder zusätzlichen Leistungen wurden dann allerdings vom Fachplaner, d.h. dem Verursacher der Planungsmängel, im Rahmen der Rechnungsprüfung aus naheliegenden Gründen bis zur Unkenntlichkeit gekürzt und nicht vergütet.

Wie das Beispiel aus der Praxis verdeutlicht, wird der Unternehmer nicht in die Lage versetzt, mit der technischen Arbeitsvorbereitung, d.h. der Montage- und Werkstattplanung, zu beginnen und somit das Bauvorhaben entsprechend zu fördern, so lange er vom Auftraggeber unvollständige bzw. mangelbehaftete Planungsunterlagen erhält. Gegenseitige Schuldzuweisungen, d.h. Inverzugsetzungen auf der einen Seite und Bedenken- bzw. Behinderungsanzeigen auf der anderen Seite, sind die Folge.

Durch die vom Auftragnehmer ausgeführten Mangelbeseitigungs- und Planfortschreibungsarbeiten sind Vergütungsansprüche in größerer sechsstelliger Höhe entstanden, die von der Auftraggeberin mit Hinweis auf das Prüfergebnis vom Verursacher, d.h. vom Fachplaner, bestritten werden.

Um die aus der Mangelbeseitigung, Planfortschreibung sowie aus zahlreichen weiteren geänderten und/oder zusätzlichen Leitungen (Nachträgen) resultierenden Werklohnforderungen nicht vergüten zu müssen, wurde der Auftrag aus (angeblich) wichtigem Grund von der Auftraggeberin gekündigt.

Fazit

Da bei öffentlichen Großprojekten regelmäßig die vereinbarten Ausführungszeiten und prognostizierten Kosten überschritten werden, zahlreiche geänderte und/oder zusätzliche Leistungen infolge unzweckmäßiger Planung zur Ausführung angeordnet werden, besteht ein nicht unerhebliches monetäres Risiko. Da zahlreiche Leistungen erst mit der Schlussrechnung vergütet werden, was insbesondere vor dem Hintergrund schwierig ist, dass der Auftraggeber kein Interesse daran hat, vor der Ausführung hierfür eine abschließende Preisvereinbarung zu treffen und somit über einen ggf. längeren Zeitraum vorzufinanzieren sind oder sogar vor dem zuständigen Landgericht über eine Klage geltend gemacht werden müssen.

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