Industriekälte

Das 1 x 1 der Kältetechnik (Teil 9)

Bereits in Teil 8 dieser Artikelserie (Thema Kältemittel) wurde Ammoniak positiv erwähnt. Ozonabbaupotential und Treibhauseffekt sind null und damit optimal. Auch die volumetrische Kälteleistung und die Energieeffizienz sind kaum zu schlagen. Negativ sind allerdings die Giftigkeit und eine gewisse Brennbarkeit. Aufgrund dieser Eigenschaften hat sich Ammoniak zum Kältemittel schlechthin für Großkälteanlagen entwickelt. Zusätzlich wird die dominante Stellung durch die Novelle der F-Gase-Verordnung noch befördert. Grund genug, um diesem Kältemittel und seiner Anwendung in überfluteten Verdampfersystemen einen eigenen Teil der Serie zu widmen. Dieser Artikel gibt einen ersten Einblick in die Großkältetechnik. Die Serie „Das 1 x 1 der Kältetechnik“ basiert auf den kostenfreien eLearning-Modulen von Danfoss, die für das interaktive Selbststudium mittels PC konzipiert sind (www.learning.danfoss.de).

Überfluteter Betrieb

Ein deutlicher Unterschied in der üblichen Anwendung des Kältemittels R717 (Ammoniak / NH3) im Vergleich zu FKW ist der überflutete Betrieb. Bei FKW-Kältemitteln ist der überwiegende Teil der Anlagen in Trockenexpansionstechnik und nur sehr wenige Anlagen als überflutete Systeme ausgeführt. Bei Ammoniak ist dies genau umgekehrt. Bei überfluteten Verdampfern ist das Kältemittel am Verdampferaustritt nicht vollständig verdampft, wie bei Trockenexpansion. Damit ist auch die Überhitzung an dieser Stelle gleich null. Im überfluteten Betrieb werden Anteile des flüssigen Kältemittels verdampft und es wird Wärme aus der Umgebung aufgenommen. Doch wird dies nicht mit dem gesamten Kältemittel gemacht. Das hat zur Folge, dass das Kältemittel nicht nur mit einer Pumpe zum Verdampfer hin-, sondern auch wieder zurückgepumpt werden kann. Dieses Verfahren ist relativ simpel und in der Praxis gut beherrschbar. Außerdem wird der Verdampfer durch den Verzicht auf eine Überhitzungsstrecke besser ausgenutzt als in vergleichbaren Trockenexpansionssystemen. Zusätzlich bietet dabei der Kühler eine komplett gleiche Oberflächentemperatur, was für Kühlprozesse und gewünschte Abkühlverläufe immer die beste Option ist. Bei Trockenexpansion hätte man im Überhitzungsbereich am Ende des Verdampfers eine höhere Temperatur als am Verdampfer­eingang. Vor den einzelnen Verdampfern sind Handdrosselventile verbaut, damit eine Eindrosselung des Volumenstroms und somit ein Abgleich zwischen den verschiedenen Verdampfern erfolgen kann.

Abscheider

Es liegt auf der Hand, dass der NH3-Pumpenrücklauf – kommend vom Verdampfer – nicht direkt in den Verdichter münden kann. Der Grund dafür ist der hohe Flüssigkeitsanteil des Kältemittels. Da ein Verdichter nur gas- bzw. dampfförmige Medien komprimieren kann, muss hier noch ein Anlagenteil dazwischengeschaltet werden. Dies ist der Abscheider. Ein Abscheider trennt das Kältemittel in den gasförmigen und flüssigen Aggregatszustand. So wird der Pumpenvorlauf zum Verdampfer an der Unterseite des Abscheiders abgenommen. Somit steht an dieser Stelle durch die Schichtung in „oben dampfförmig“ und „unten Flüssigkeit“ immer pumpfähiges Kältemittel an. Eine Unterstützung dieser Eigenschaft durch eine ausreichende Zulaufhöhe (Montage der Kältemittelpumpe in deutlichem  Abstand unterhalb des Abscheiders) ist dabei wünschenswert. An der Oberseite des Abscheiders wird hingegen gasförmiges Kältemittel abgesaugt. Kältemittel in diesem Zustand kann nun problemlos vom Verdichter verarbeitet werden. Nachdem das Kältemittel vom Verdichter komprimiert ist, gelangt es in den Verflüssiger und wird dort enthitzt und schließlich verflüssigt. Dieser Vorgang unterscheidet sich prinzipiell nicht von dem in einer Trockenexpansionsanlage. Allerdings ist die Bauart des Verflüssigers in Großkälteanlagen oft ein Kühlturm. Das bedeutet, dass Wasser, das mittels Düsen zerstäubt wird und schließlich verdampft, zusätzlich zum Wärmeabtransport am Verflüssiger mit hilft. Kühltürme bedürfen einer intensiveren Wartung als Verflüssiger ohne Wasserbeteiligung.

Nach der Verflüssigung gelangt das NH3 an das Drosselorgan. Auch das kennt man aus der Gewerbekälte. Der Unterschied ist dabei nur, dass nicht mit einem thermostatischen Expansionsventil direkt in den Verdampfer eingespritzt wird, sondern es schließt sich der Kreislauf wieder durch die Expansion in den Abscheider. Zur Regelung dieses Vorgangs braucht man ein System zur Niveauregulierung. Solche Systeme bestehen meist aus einer Niveausonde, einem Drosselorgan und einer elektronischen Regelung oder einem klassischen Schwimmerventil. Generell geht es dabei nur darum, den Flüssigkeitsstand im Abscheider in einem definierten Bereich zu halten. Er soll nicht leer, aber auch nicht überfüllt sein. Bei minimalem Flüssigkeitsstand wird mehr Flüssigkeit eingespritzt. Bei Maximalstand hingegen so wenig wie möglich. Bei zu wenig flüssigem Ammoniak im Abscheider kann es dazu kommen, dass gasförmiges Kältemittel in die Pumpen gelangt, die dies nicht befördern können. Dies würde zu einem drastischen Abfall der Kälteleistung im Verdampfer führen. Ist zu viel Flüssigkeit im Abscheider, könnte der Verdichter flüssiges Kältemittel ansaugen. Das kann schwerwiegende Verdichterschäden nach sich ziehen.

Die Abscheiderart, die hier beschrieben wird, ist ein Niederdruckabscheider. Niederdruckabscheider werden vergleichsweise häufig verwendet und haben quasi die Verdampferfunktion im Kompressionskälteanteil inne. Zusätzlich existieren in mehrstufigen Anlagen auch Mitteldruckabscheider, die additiv eine höhere Verdampfungstemperatur für den überfluteten Betrieb möglich machen. Tiefkühlung (TK) aus dem Niederdruck- und Normalkühlung (NK) aus dem Mitteldruckabscheider ist hierbei die klassische Variante.

Kältemittel Ammoniak

Überfluteter Betrieb und Ammoniak werden oft in einem Atemzug genannt. Tatsächlich ist diese Kombination auch sehr weit verbreitet. Es muss aber nicht immer NH3 sein. Auch FKW / FCKW-Kältemittel sind ab und zu in überfluteten Systemen zu finden. Auch R744 (CO2) kann in diesen Systemen eingesetzt werden. Eine der Herausforderungen bei Anlagen mit Abscheider ist der Ölrücktransport zum Verdichter. Durch die Flüssigkeitsabtrennung im Abscheider ist automatisch auch das Öl betroffen. So kommt es nicht einfach mit dem gasförmigen Kältemittel zum Verdichter zurück, sondern verbleibt im Abscheider. Da sich aber NH3 sowieso nicht mit Öl mischt – im Gegensatz zu FKW-Kältemitteln – ist dieser Nachteil nur von begrenzter Brisanz.  Der Grund dafür ist der polare Molekülaufbau von NH3, der sich nicht mit dem unpolaren Öl-Molekül mischt. Eine Mischung findet immer nur zwischen polar und polar, oder unpolar und unpolar statt. Somit ist bei Ammoniak-Kälteanlagen ein Ölabscheider nach dem Verdichter ebenso Pflicht wie ein selbsttätig, schnellschließendes Ölablassventil am Niederdruckabscheider, welches turnusmäßig zum Ablassen des Öls genutzt wird. Der Ölabscheider allein reicht nicht aus. Denn selbst Ölabscheider mit hohem Abscheidegrad lassen immer noch einen – wenn auch kleinen – Teil des Öls weiter in die Anlage vordringen. Hinzu kommt die praktisch konkurrenzlos große volumetrische Kälteleistung von R717. Aus diesen Gründen ist dieses Kältemittel in Großkälteanlagen mit überfluteten Verdampfern so beliebt.

Ein augenfälliger Unterschied beim Einsatz von NH3 verglichen mit FKW-Kältemittel sind die Stahlleitungen. NH3 verträgt sich nicht mit Buntmetallen. Daher müssen alle Leitungen in Stahl oder Edelstahl gelegt werden. Auch die zu verwendende Verdichtertechnik ist somit eingeschränkt. Nur offene Verdichter sind geeignet, da Motorwicklungen, die bei FKW-Kältemittel mit voll- oder semihermetischen Verdichtern vom Kältemittel durchströmt werden, meist aus dem Buntmetall Kupfer gefertigt sind. Klar ist, dass auch der geringe Preis von Ammoniak eine entscheidende Rolle spielt. Sobald tausende Kilogramm von Kältemittel für eine Kälteanlage benötigt werden, ist der Preis des Fluids nicht mehr vernachlässigbar.

Fazit

Das Kältemittel R717 ist und bleibt bis auf weiteres die erste Wahl bei Großkälteanlagen. Die praktische Beherrschbarkeit ist gegeben und die Kosten sind überschaubar. Auch die aktuelle F-Gase-Verordnung kann Ammoniak als natürlichem Kältemittel nur Auftrieb verleihen, da dieses Kältemittel umwelttechnisch eine blütenreine Weste hat.

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