Moderner Kälte-Unterricht

Ausbildung am Heinrich-Hertz-Europakolleg in Bonn

Direkt am Rhein und verkehrstechnisch sehr gut erreichbar liegt das Heinrich-Hertz-Europakolleg, in dem ca. 3400 Schülerinnen und Schüler berufliche und allgemeinbildende Qualifikationen und Abschlüsse erwerben. Seit 2010 gehört auch die Ausbildung zum Mechatroniker/in für Kältetechnik zum Angebot der Schule. Die KKA informierte sich vor Ort über die Ausbildungsmöglichkeiten und die Ausstattung der Schule.

Das Heinrich-Hertz-Europakolleg (www.hhek.bonn.de) hat sich nach einer umfangreichen Neuordnung des beruflichen Schulwesens in der Stadt Bonn (1993) zu einem beruflichen Qualifizierungs­zentrum entwickelt. Entsprechend den wirtschaftlichen Bedürfnissen in der Region sind die Berufsfelder Informationstechnik und Medientechnik besonders umfassend ausgebaut. Aber auch die Ausbildung im Bereich Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik wird in Bonn intensiv betrieben. Das jüngste Kind im Reigen der Fachbereiche ist die Kältetechnik, die sich aber innerhalb kürzester Zeit hervorragend aufgestellt hat, wie die KKA-Redaktion bei einem Besuch des Kollegs feststellen konnte.

Azubis im Kälteanlagenbauerhandwerk aus dem südlichen Nordrhein-Westfalen fuhren in früheren Jahren in der Regel zur Berufsschule nach Duisburg – ein weiter Weg, wenn man beispielsweise im Raum Aachen oder im Rhein-Sieg-Kreis wohnt, und sicher mit ein Grund, weshalb sich der eine oder andere gegen eine Ausbildung zum Kälteanlagenbauer entschieden hat. Diesen Umstand erkannte vor fünf Jahren der Schulleiter des Heinrich-Hertz-Europakollegs in Bonn, Gerhard Dohlen, und entschied sich mit Unterstützung der Bezirksregierung in Köln neben den vier bestehenden Berufsschulklassen für das SHK-Handwerk eine weitere im Bereich Kälte einzurichten.

2010 ging dann die erste Kälteklasse an den Start, im vergangenen Winter konnte bereits der zweite Jahrgang seine Ausbildung in Bonn beenden. Aktuell gibt es eine Klasse mit 25 Schülern, wobei sich das Europakolleg auf die Erstausbildung konzentriert, ÜBL- und Meisterausbildung werden in Bonn nicht angeboten.

Die Schule als Dienstleister für die Wirtschaft

Gerhard Dohlen sieht „sein“ Europakolleg in erster Linie als Partner der Schüler aber – mindestens genauso wichtig – auch als Dienstleister für die regionale Wirtschaft. Er bezeichnet sich selbst als starken Verfechter des wirklichen dualen Systems, bei dem Betrieb und Schule so eng verzahnt wie möglich gemeinsam agieren. Daher bemüht man sich im Europakolleg die Schulzeiten so zu gestalten, dass die Anwesenheitszeiten der Azubis für den Ausbildungsbetrieb optimiert werden. Saisonunterricht im Winter ist dabei eine Lösung, die Ganztags-Berufsschule eine weitere. Letztere steht in Bonn kurz vor der Umsetzung, eine Mensa wird demnächst gebaut. Dann wird es einmal in der Woche einen Schultag mit zehn Schulstunden geben, erst im 2. Lehrjahr kommt ein weiterer Schultag hinzu. Über die ganze Lehrzeit betrachtet, stehen damit die Azubis ihren Betrieben an 36 zusätzlichen Tagen zur Verfügung. Im SHK-Bereich wird dies als erstes umgesetzt, es bestehen aber auch schon Überlegungen, dieses Modell auch für die Kälte-Ausbildung einzuführen.

Eine Besonderheit des Europakollegs sind auch Sonderklassen, in denen leistungsstarke Schüler durch eine Vertiefung des Lehrstoffes – verbunden mit einem zeitlichen Mehraufwand – die Möglichkeit erhalten, mit dem Abschluss ihrer Lehre die Fachhochschulreife zu erlangen; mit der Entscheidung für eine handwerkliche Lehre ist also der Zug Richtung Hochschule noch nicht abgefahren. Um eine solche Sonderklasse einzurichten, ist eine höhere Anzahl an Lehrlingen erforderlich, als diese bislang im Bereich Kältetechnik unterrichtet werden – aber bei entsprechenden Schülerzahlen sei es in Zukunft durchaus denkbar, dass das Modell auch für die Kälte-Mechatroniker angeboten wird, erläutert Gerhard Dohlen.

Die kältetechnische Ausstattung des Labors

Mit dem Wunsch, Kältetechnik zu unterrichten, ist es alleine natürlich nicht getan. Das Europakolleg hat daher einiges in die Ausstattung der Lehrräume und natürlich auch in fachlich kompetentes Personal investiert. Garanten für die Qualität der Lehre sind die Lehrer Karsten Oberländer und Viktor Stoda. Letzterer ist Leiter des Kältelabors und so manchem KKA-Leser sicher noch von seiner Tätigkeit als Mitarbeiter am IKKE in Duisburg bekannt. Neben dem Know-how auf Seiten der Lehrer muss aber auch das technische Equipment stimmen, auf das man in Bonn mittlerweile zu Recht stolz sein kann. Im Kältelabor stehen insgesamt zwölf Kälteanlagen (gebaut von der Bonner Firma Kälte-Hunke), eine Wärmepumpenanlage und eine Demoanlage zur Verfügung, an der die Schüler den Umgang mit den einzelnen Kältekomponenten trainieren und Kälteprozesse simulieren können.

Interaktives Lernen

Eine Besonderheit bei der Ausbildung der Kältemechatroniker in Bonn ist der Einsatz des „CoolTool-Education-Systems“. Seit November 2014 kooperiert das Kältelabor im Rahmen eines Pilotprojekts mit der Firma CoolTool Technology GmbH in Duisburg (www.cooltool-technology.de), die auf Basis des „CoolTool AC&R technology“-Systems und des „CoolTool-Diagnostics“-System ein speziell für die Ausbildung in der Kältetechnik konzipiertes Lernmittel entwickelt hat. Mit dem System können Berechnungen, Projektierungen und Prüfungen durchgeführt werden. Schüler können Anlagenvarianten vergleichen und Dokumentationen erstellen. Weiter sind die Diagnose von Prozessen in Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen, die Fehlersuche, Effizienzprüfungen und Leistungsmessungen möglich. Zentrale Einheit des Systems ist die Masterbox. Hier laufen alle Messungen zusammen und werden an einen Rechner übertragen, von dem sie über einen Beamer zu Schulungszwecken im Klassenraum gezeigt werden. Viktor Stoda hat rund um das System gemeinsam mit Karsten Oberländer ein didaktisches Konzept entwickelt, um „CoolTool Education“ bestmöglich im Unterricht einsetzen zu können. Vor allem der visualisierte Zugang zu Wissensinhalten und die in Echtzeit zu bewertenden, realen Anlagendaten erleichtern den Azubis das Verständnis thermodynamischer Vorgänge in einer Kälteanlage. Wichtig ist, dass an einer realen Kälteanlage gearbeitet wird, die mit zahlreichen Sensoren und Fühlern ausgestattet ist. Änderungen an der Anlage werden in Echtzeit im log p,h-Diagramm visualisiert. Die Arbeit mit dem System stärkt nach Auffassung von Viktor Stoda die Lern-, die Fach- und die Kommunikationskompetenz der Schüler: „Der Einsatz von „CoolTool-Education“ war ein großer Schritt nach vorne, was die Qualität unserer Ausbildung betrifft.“ 

Vorbildlich sind aber auch andere Lehrmethoden. So sind alle Klassenräume des Europakollegs (60 an der Zahl) mit sogenannten Smartboards ausgestattet. Ein Smartboard, auch Whiteboard genannt, ist eine interaktive digitale Tafel, die mit einem Computer verbunden ist. Mit Hilfe eines Beamers wird der anzuzeigende Bildschirminhalt auf die weiße Fläche des Smartboards projiziert. Man kann über ein vom Computer angezeigtes Bild handschriftliche Ergänzungen legen. Auch das dynamische Einbinden von Medien (Videos oder Internetinhalte) in den Tafelanschrieb ist möglich. Ein entwickeltes Tafelbild lässt sich speichern, in einer späteren Unterrichtsstunde verwenden, kann den Schülern als Lernunterlage zur Verfügung gestellt werden und unterstützt auch den Datenaustausch mit Schülern sowie deren Heimarbeit. Die Smartboards werden im Unterricht mit einem Moodle-System kombiniert. Moodle ist ein Kursmanagementsystem und eine Lernplattform, zu dem jeder Schüler einen individualisierten Zugang hat. Im System können die Schüler auf Inhalte zugreifen, die der Lehrer freigegeben hat. Anspruchsdifferenzierte Lernsituationen werden online zur Verfügung gestellt. Weiter sind Online-Recherchen möglich, um z.B. zu erarbeiten, welche Dokumentation für eine Anlage erforderlich sind und wo man diese bekommt. Schüler können auch ihren Ausbildern im Betrieb online zeigen, was gerade in der Schule behandelt wird und im System Aufgaben bearbeiten, die dann vor der Klasse ohne Medienbruch präsentiert werden können. Apropos präsentieren – neben der Vermittlung von Fachwissen bemühen sich die Lehrer auch Techniken zur Präsentation und zur Kommunikation mit Kunden im Unterricht zu vermitteln. „Wir wollen unsere Schüler stark machen, damit sie später auch vor Kunden bestehen können – und zwar nicht nur fachlich“, bekräftigt Karsten Oberländer. „Durch unseren modernen Unterricht spüren wir eine hohe Motivation und Dynamik – bei Schülern, den Ausbildern im Betrieb und nicht zuletzt bei uns Fachlehrern.“

Kurzum – das Heinrich-Hertz-Europakolleg ist weit entfernt von angestaubten Lehrmethoden im Frontalunterricht und kann trotz der wenigen Jahre, in denen Kältetechnik gelehrt wird, beispielgebend für andere etablierte Schulen unserer Branche sein.

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