Möhren mögen’s kalt

Saugende oder drückende Verdampfer?

Saugen oder drücken –  eine Glaubensfrage, die Kälteanlagenbauer speziell bei der optimalen Langzeitkühlung von Gemüse beschäftigt. Saugende Verdampfer? Drückende Verdampfer?Verifizierbare Untersuchungen als Entscheidungshilfe gibt es keine, dafür aber jede Menge diffuse Meinungen. Darum hat der damalige Inhaber und Planungsingenieur der Dithmarscher Kältetechnik, Hans Fieles, beim Lagerhausneubau der „Dithmarscher Möhrenverarbeitungs GmbH“ eine Kälteanlage installiert, die auch nach zwölf Jahren noch energetische wie umwelttechnische Maßstäbe setzt und bei der sowohl saugende als auch drückende  Verdampfer für einen direkten Vergleich der beiden Konstruktionsprinzipien unter sonst gleichen Lagerbedingungen installiert sind – ein Novum in der Gemüse-Lagertechnik.

„Mein Schwager wollte es seinerzeit genau wissen, und hat deshalb als erster und wohl bisher einziger Anlagenbauer zwei identische Kühlräume einmal mit saugenden, einmal mit drückenden Verdampfern mit sonst identischen Leistungsparametern ausgestattet und einem direkten Praxistest unterzogen“, sagt der Kälteanlagenbaumeister Klaus Oelrichs, einer der Geschäftsführer der Dithmarscher Kältetechnik GmbH.

 

Ergebnisse unter Feldbedingungen ermittelt

Die aus den Untersuchungen unter Feldbedingungen gewonnenen Erkenntnisse haben die Vermutungen der Firma bestätigt: Die saugenden Verdampfer haben größere Wurfweiten, das führt zu einer besseren Verteilung der Kühlluft in den Kistenstapeln und damit auch zu einem gleichmäßigeren und besseren Raumklima. „Dabei fühlen sich die Möhren einfach wohler“, sagt der Vertreter des Betreibers, der Gemüsering Möhrenverarbeitungs GmbH in Marne im Landkreis Dithmarschen. Mit insgesamt 6000 m2 in drei Lagerhallen ist die Anlage Norddeutschlands größtes Möhrenlager.

Ein Blick hinter die Kulissen: Der Landkreis Dithmarschen, zwischen Nord- und Ostsee gelegen, ist Europas größtes geschlossenes Kohl- und Karottenanbaugebiet. Auf einer Fläche von 11 000 Hektar produzieren 280 Erzeuger insgesamt 330 000 t Gemüse für den Weltmarkt. Während die Langzeitlagerung der 80 Mio. Kohlköpfe schon lange befriedigend und wirtschaftlich gelöst ist, ist die Möhre die „Primadonna der Gemüselagerung“ und verlangt 97 % Luftfeuchte bei konstant 0 °C, um die Eigenfeuchte zu halten und somit schön knackig und von gutem Geschmack zu bleiben. Konventionelle Kühlkonzepte (Direktexpansion) stoßen bei dem besonderen Anforderungsprofil schnell an die Grenzen.

 

Möhrenlager der Superlative

Das Dithmarscher Möhrenlager ist ein Lagerhaus der Superlative. Hier können bis zu 9 Mio. kg des Wurzelgemüses in drei Kühlräumen in speziellen Kisten eingelagert werden. Jeder der riesigen, 42 m langen, 26 m breiten und 10 m hohen Räume (10 920 m³) hat ein Fassungsvermögen von 3330 Möhrenkisten (1,20 x 1,60 x 1,20 m). Sieben Kisten übereinander gestapelt türmen sich bis zu 8,40 m auf. Entsprechend dimensioniert ist auch die Kälteanlage, die mit einer Nennleistung von 600 kW reichlich Reserven hat, um die Möhren auch bei hohen Einlagerungstemperaturen möglichst schnell auf die Langzeit-Lagertemperatur herunter zu kühlen.

„Das ist das Entscheidende: Möhren mögen’s nach der Ernte nicht warm und müssen so schnell wie möglich auf die ideale Lagertemperatur  von 0 °C Grad heruntergekühlt und dann bei dieser Temperatur und hoher Feuchte gelagert werden. Die Erntesaison startet im September. Da kann es durchaus sein, dass die Möhren mit bis zu 20 °C Kerntemperatur ins Kühlhaus gefahren werden. Und im Oktober, wenn die letzten Wurzeln abgeerntet werden, gibt es auch schon mal Frost. Die Einlagerungsbedingungen sind also sehr schwankend – zumal das Gemüse mal mit großen Mengen Erde behaftet und damit feucht ist und mal auf Sandboden gewachsen und ohne viel anhaftendes Material und damit ohne zusätzliche anhaftende Feuchte angeliefert wird. „Darauf muss die Anlage ausgelegt sein“, sagt Klaus Oelrichs.

 

Gleichmäßige Durchströmung

Eine Herausforderung, zu deren Bewältigung die Planungsabteilung der Dithmarscher Kältetechnik als Spezialist für Gemüsekühlung eine Verbundanlage zur Erzeugung von Kaltwasser bzw. Sole als Kälteträger eingesetzt hat, die bis heute in jeder Hinsicht Maßstäbe setzt: 42 speziell für diesen Anwendungsfall modifizierte Verdampfer der „SG“-Serie von Küba (www.kueba.de) gewährleisten eine gleichmäßige Temperatur von 0 °C im Raum. Die 28 saugenden und 14 drückenden Verdampfer in den drei gleichen Räumen sind optimal ausgelegt und angeordnet, gewährleisten schnelle Abkühlung und eine stabile Raumfeuchte von ca. 97 - 98 % im Lagerbetrieb. Sie garantieren eine gleichmäßige Durchströmung der Kistenstapel auch dann, wenn die riesigen Räume be- und entladen werden und nur bereichsweise Kistenstapel durchströmt werden müssen.

 

Ammoniak als Kälteträger

Konventionelle Kälteanlagen dieser Größenordnung wären seinerzeit mit 4000 kg ozonschädlichem H-FCKW befüllt worden. Der Kostenfaktor wäre immens gewesen, das Umwelt- und Kostenrisiko bei einer Leckage kaum kalkulierbar. Die von der Dithmarscher Kältetechnik unter Hans Fieles geplante Kälteanlage begnügt sich mit 134 kg NH3 als Primarkälteträger zur Erzeugung einer Kühlsole. Das Kältemittel Ammoniak kühlt im Primärkreislauf in einem Plattenwärmetauscher 15 000 l Kühlsole (Wasser mit Kühlmittel als Frostsicherung und Korrosionsschutz) auf -6 °C ab. Die Sole wird mittels Umwälzpumpen im Sekundärkreislauf zu den Verdampfern transportiert und hat damit immer und in jedem Luftkühler überall die gleiche Temperatur. Die Anlage kommt mit nur einem Expansionsventil im Primärkreislauf aus.

 

Homogene Abkühlung der Raumluft

Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch die konstante, genau einstellbare Temperatur im Kühlkreislauf wird eine homogene Abkühlung der Raumluft in den Verdampfern gewährleistet. Die Lamellenoberflächentemperatur der „SG“-Verdampfer weist dadurch nur einen geringen Unterschied zur Raumtemperatur auf. Durch die garantiert geringe Entfeuchtung  wird die benötigte hohe Luftfeuchtigkeit konstant gehalten  und damit fällt der Wasserverlust so gering wie möglich  aus. Wasserverlust bedeutet Masseverlust und ist daher wirtschaftlich von Nachteil.

Alle sechs Stunden tauen die Verdampfer automatisch ab. Dafür schaltet das System Ventile um und pumpt Warmsole durch die Kühler. Dafür wird die rückgewonnene Abwärme der Ölkühler der Kältemaschine genutzt – ein energiesparendes und sehr effektives System.

„Die drückenden wie saugenden Küba-Verdampfer arbeiten hier gleichermaßen gut. Da aber eine ideale Gesamtdurchströmung der Lagerräume sowie in der Einlagerungsphase die schnelle Abkühlung Maßstab aller Dinge sind, verbauen wir aufgrund der Ergebnisse unserer praxisnahen Tests nur noch ausschließlich saugende Verdampfer, die durch ihre größere Wurfweite eine bessere Durchspülung der Kisten erreichen“, sagt Klaus Oelrichs. Der sich daraus ableitende energetische Vorteil der saugenden Kühler lässt sich auf Grund der niemals gleichen Einlagerungsbedingungen nicht sicher nachweisen.

 

Stauwärme wird abgeführt

Beim Möhrenlager in Marne, das auch mehr als zehn Jahre nach Fertigstellung in Leistung und Größe in Norddeutschland ohne gleichen ist, hat der Entwickler Hans Fieles mit seinem Team der Dithmarscher Kältetechnik seinerzeit weitere Innovationen eingeführt. So wurde ein Lüftungssystem in der Zwischendecke eingezogen, um die Stauwärme bei direkter Sonneneinstrahlung des Flachdachs mit Hilfe installierter Ventilatoren abzuführen. Dadurch kommt die Halle mit einer 100er PU-Isolierpaneele aus –und das trotz jahreszeitlich bedingter Schwankungen der Zwischendeckentemperatur zwischen -20 und  +55 °C. Gegenwärtig wird die gesamte Anlage von der Dithmarscher Kältetechnik GmbH grundlegend überholt und steuerungstechnisch auf den neusten Stand der Technik gebracht.

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