Dürfen stromfressende Chiller verkauft werden?

Warum unabhängige Leistungsmessungen für mehr Rechtssicherheit sorgen

Die massiv steigenden Energiekosten sind für viele Unternehmen derzeit ein dominierendes Thema. Für Betreiber von Kälteanlagen wie Chillern sind schon ein paar mehr zu zahlende Zehntelcent pro Kilowattstunde über das Jahr gesehen ein erheblicher Kostenfaktor. Noch problematischer wird es, wenn die laut Datenblatt zugesicherte Leistung und Leistungsaufnahme nicht eingehalten werden, wenn also das Gerät im Betrieb deutlich mehr Leistung aufnehmen muss als zugesichert. Das kann noch zu einer ganz anderen Frage führen: Ist der Vertrieb des Chillers eigentlich rechtskonform?

Die Ökodesign-Richtlinie regelt die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte. Ziel ist es, Energie von der Produktion bis zur Entsorgung einzusparen, insbesondere aber natürlich beim Betrieb. Hersteller oder Importeure haben die Konformität ihres Geräts mit der Richtlinie zu dokumentieren – allerdings nur durch Selbstdeklaration in eigener Verantwortung. Genau hier aber liegt das Risiko: „Wenn Hersteller oder Importeure selbst diese Konformität erklären können und beispielsweise die Leistungsaufnahme nicht unabhängig bestätigen lassen müssen, gibt es naturgemäß eine gewisse Unsicherheit“, erklärt Timo Reisner vom Kälte- und Klimalabor von TÜV Nord. Die EU fordert für die Energieeffizienz von Chillern keine Einbindung einer unabhängigen Stelle. „Das Einbinden eines unabhängigen Prüflabors jedoch schafft Sicherheit“, so Reisner.

Übersteigt die Leistungsaufnahme vorgegebene Werte, wäre der Betrieb nicht nur teurer, sondern möglicherweise hätte das Gerät gar nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Das Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz sieht für das Einhalten der Vorschriften aus der Ökodesign-Richtlinie Hersteller und Händler in der Pflicht.

Daher empfiehlt Reisner Händlern und Anlagenbauern nicht nur den sorgfältigen Blick in Produktdatenblätter der Kälteanlagen in Bezug auf Leistung und Leistungsaufnahme. Er rät dringend, sich auch genau anzusehen, ob die Leistungswerte des infrage kommenden Geräts von einem unabhängigen Prüflaboratorium bestätigt wurden. „Im Zweifelsfall sollte man nach genau diesen Laborwerten fragen oder darum bitten, bei einem Labortest dabei zu sein. Gerade heute machen wenige hundert Watt Leistungsaufnahme über das Jahr gerechnet einen großen Unterschied aus.“ Das gilt nicht nur für den Preis, sondern möglicherweise auch in der Frage, ob das Gerät verkauft werden darf oder nicht.

Informationen rund um das Labor des TÜV Nord finden Sie unter: www.tuev-nord.de/de/unternehmen/immobilien/kaelte-klima-lueftungstechnik-prueflabor/ (kurz: t1p.de/xof5u)

Technische Daten Prüfstände von TÜV Nord (2 Prüfstände, je zweigeteilt)

· Größe der Prüfräume: 5,8 x 11,8 m; nutzbare Höhe 4 m, in Teil­bereichen bis 6 m

· Temperaturbereich -10 bis +65 °C

· Heiz-/Kühlleistung 0,3 bis 200 kW

· Luftvolumenstrom 0 bis 27.000 m³/h

· Wassermassenstrom 0 bis 21.000 kg/h

· Be- und Entfeuchten 0 bis 80 kg/h (bei Rotationswärmeübertragern wesentlich höhere latente Leistungen möglich)

· Max. el. Stromaufnahme der Prüfobjekte: 125 A

Mögliche Prüfungen für Geräte wie Klimaanlagen, Wärmeübertrager und RLT-Geräte

· Raumlufttechnische Zentralgeräte und deren Komponenten (EN 13053, EN 1886)

· Modelboxen, Gehäuse von RLT-Geräten (EN 1886)

· Wärmeübertrager (EN 1216)

· Wärmerückgewinnungssysteme (EN 308)

· Hygiene-Klimageräte (DIN 1946-4, VDI 6022)

· Komfort-Klimageräte (EN 14511, EN 14825)

· Präzisionsklimageräte (EN 14511, EN 14825)

· Kältemaschinen, wasser- oder luftgekühlt (EN 378, EN 13771, EN 14511, EN 14825)

· Wärmepumpen (EN 378, EN 13771, EN 14511, EN 14825)

· Schaltschrankkühlgeräte (EN 14511)

· Luftkanalelemente, z.B. Luftdichtheits­prüfungen (EN 12237, EN 1507, EN 15727, EN 13180)

· Drossel- und Absperrelemente in Luftverteilungssystemen (EN 1751)

· Geräuschemission (EN 12102, EN ISO 9614-2, EN ISO 3744, EN ISO 3745)

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