Wärmeerzeugung und Abwärmenutzung in einem denkmalgeschützten Mehrfamilienhaus

Abwärmepotential nutzbar machen

Wärmeerzeugung und Abwärmenutzung in einem Mehrfamilienhaus

Bei der umfassenden Modernisierung eines denkmalgeschützten Mehrfamilienhauses in Marienberg sollten ressourcenschonende Technologien zur  energetischen Versorgung des Gebäudes zum Einsatz kommen. Der Bauherr entschied sich für eine außergewöhnliche Kombination aus einer gasbetriebenen Brennwert-Absorptionswärmepumpe mit einer Solarthermie-Anlage und  Erdwärmekollektoren; zudem wurden sämtliche Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung im Gebäude ausgeschöpft.

Das Mehrfamilienhaus der Unternehmerfamilie Enders liegt in einem städtischen Sanierungsgebiet „Historische Altstadt“ der Stadt Marienberg. Das Gebäude wurde vor 300 Jahren erbaut und 1924 letztmalig saniert. Es bedurfte nach dem Erwerb einer umfassenden Modernisierung. Im Gebäude stehen 533 m² Wohnfläche zur Verfügung. Es galt, das Gebäude bereits in der ersten Planungsphase mit seinen zukünftigen Nutzungsbedingungen komplex zu betrachten und eine ökologische Grundausrichtung zu geben. So wurden die folgenden Ziele durch den Bauherren vorgegeben:

Barrierefreiheit für alle Wohnungen und Gemeinschaftsflächen für Nutzung bis ins hohe Alter

Wohnungsgröße und Zuschnitt für eine Nutzung mit Mehrgenerationencharakter

Kombinierter Einsatz innovativer und ressourcenschonender Technologien zur energetischen Versorgung des Gebäudes

die Betriebskosten für die Nutzer sollen die Vergleichswerte nach dem Stand der Technik unterbieten.

In diesem Vorhaben wirkte der Umstand positiv, dass der Bauherr selbst über eine Reihe von positiven Umsetzungserfahrungen im effizienten Umgang mit Energie in Industriebetrieben verfügt. Diese wurden weitestgehend eingebracht. Das Gebäude wurde nach diesen Vorgaben geplant und in der Zeit von März bis Dezember 2015 grundlegend modernisiert.

Die ersten Mieter bezogen ihre Wohnung noch vor dem Weihnachtsfest. Im Mehrfamilienhaus entstanden vier Wohnungen (vormals sechs ohne Dachnutzung), jeweils mit 109 bis 151 m² Wohnfläche in jeder Etage. Der Zuschnitt sieht vor, dass entweder eine Familie mit zwei oder mehreren Kindern oder in einem abgeschlossenen Teil, eine weitere Personengruppe, z.B. die Eltern oder Großeltern, mit unmittelbar möglichen Lebensbeziehungen wohnen kann. Alle Räume sind barrierefrei zu erreichen. Jede Wohnung hat einen barrierefreien Zugang über den Fahrstuhl. Selbst die Balkons und Wintergärten der Wohnungen sind ggf.  mit Rollstuhl nutzbar.

Die Ausführung der Gewerke Neubau Dach, Fenster/Türen, Wärme- und Brandschutz sowie Elektrik erfolgte nach klassischen DIN-Vorgaben. Das Versorgungskonzept Heizung, Sanitär, Wohnraumlüftung beinhaltet eine Reihe von Innovationen, die in der Kombination Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Durch die Altbausubstanz wurde eine Reihe von baulichen Kompromissen erforderlich, die an geeigneter Stelle genannt werden.

Es wurden folgende umweltfreundliche und ressourcenschonende Technologien geplant und eingebaut:

1. Gasbetriebene Brennwert-Absorptionswärmepumpe „GAHP-GS/WW LT” der Firma Robur

2. Energierückgewinnung aus Feuchte und Temperatur im Keller der Firma WätaS

3. Solarthermie, Basismodule der Firma SET Solar.

4. Niedertemperatur-Flächentemperierung über Fußboden

5. Erdwärmekollektoren der Firma GeoCol­lect im segmetierten Verlegeschema zur Heizung und Kühlung

6. Frischwasserstationen je Wohneinheit  der Firma WätaS

7. Wärmerückgewinnung Grauwasser der Firma WätaS

8. Wärmerückgewinnung im Gegenstrom aus Lüftungsanlagen je WE der Firma WätaS

9. Zusätzliche Wärmerückgewinnung aus Raumkühlung in Wohnung 4

10. Lastverteilung zwischen zwei benachbarten Gebäuden

11. Gaskühler Abgasabsenkung der Firma WätaS

12. Steuer- und Reglungseinheit „Haluks“ der Firma WätaS mit Smart Home-Anbindung

Für eine optimale Erreichung der positiven Effekte der Einzelkomponenten im Gesamtsystem wurde ein besonderer Aufwand zur hydraulischen Verschaltung sowie eines Konzepts zur Vorrangsteuerung im Gesamtsystem erforderlich. Diese Aufgabe löst die Steuerungs- und Reglungseinheit „Haluks“ (12. – die Ziffern entsprechen den oben aufgeführten Technologien)

Das Versorgungssystem ist in zwei Bereiche – Brauchwasser und Heizungswasser – gegliedert. Jedem System stehen Puffervolumen von 1200 bzw. 1500 l zur Verfügung. Diese mussten aufgrund der Kellerhöhe in 4 x 300 l bzw. 3 x 500 l gegliedert werden. Zusätzlich stehen 3 x 300 l Volumen für Niedertemperatur bis 45 °C und 2 x 300 l für Hochtemperatur bis 90 °C aus dem Betrieb der Solarthermieanlage zur Verfügung.

Im Vorrangkonzept wurde der günstige Umstand integriert, dass die Solarthermieanlage eines ebenfalls in Besitz befindlichen Mehrfamilienhauses in der Nachbarschaft eine abweichende Einstrahlsituation hat. Damit stehen im Jahreszeit- und Tagesverlauf unterschiedliche thermische Leistungen bei annähernd gleichen Nutzungsparametern zur Verfügung. Daraus ergeben sich im Jahresverlauf Wärmeüberschüsse, die nach Deckung des jeweiligen Eigenbedarfs der Häuser, dem Nachbarhaus in Form von Brauch- und/ oder Heizwasser zur Verfügung gestellt werden. Im Fließschema sind die hydraulische Verschaltung und das Reglungskonzept dargestellt.

Im Folgenden werden die hydraulischen Verschaltungen und das Reglungskonzept beschrieben.

Im Fall ohne Solareintrag

Das System der Erdkollektoren (5.) besteht aus 250 Einzelelementen, verschaltet über 17 Kreise mit einer Entzugsleistung bis zu 25 kW. Der Platzbedarf auf dem Grundstück ist mit 200 m² extrem gering. Die Erdkollektoren sind mit einem Wasser-Glykol-Gemisch (Sole) gefüllt. Diese wird über eine Umwälzpumpe UP 1 (Alle Umwälzpumpen entsprechen der Effizienzklasse ErP A+) zur Gaswärmepumpe (1.) geführt.

Die Wärmpumpe hat eine Leistung von 40 kW/thermisch. Die Jahresheizzahl für solarunterstützte Raumheizung beträgt 1,555 und die Jahresheizzahl für solarunterstützte Warmwasserbereitung beträgt 3,313. In den Kältekreis der Wärmepumpe ist ein Wärmeübertrager (2.)  eingebunden, welcher die Kellerfeuchte kondensiert und die Raumwärme aufnimmt. Hier entsteht neben der Temperaturanhebung  des Wärmepumpenrücklaufs um bis zu 1  K der nicht zu vernachlässigende Effekt der Trocknung der über 300 Jahre alten Kellerwände aus Feldsteinen. Darüber wird eine thermische Leistung von 3 kW eingebracht.

In den Abgasstrom der Wärmepumpe wurde ein zusätzlicher Gaskühler (11.) integriert. Dieser erzeugt je nach Betriebszustand der Wärmepumpe thermische Leistung von bis zu 1,5 kW. Der Wärmepumpenvorlauf versorgt über die UP2 und ein temperaturgeführtes elektronisches Ventil MV 1 entweder die Pufferspeichergruppe Brauchwasser oder die Pufferspeichergruppe 2 für Heizwasser.

Die UP3 fördert das Brauchwasser zu Plattenwärmetauschern je Frischwasserentnahmestelle (6.) in den Wohnungen. Dieses liegt mit Versorgungsdruck in einem Leitungsvolumen an, welches einen Rohrinhalt von je 3 l bis zur Verbrauchsstelle nicht übersteigt. Damit werden die Erfordernisse der Trinkwasserverordnung erfüllt. Die Frischwasserentnahmestelle versorgt eine Dusche mit 28 l/min Verbrauchsvolumen mit einer Vorlauftemperatur von 45 °C.

Die UP 4 fördert das Heizwasser zu den Niedertemperaturflächenheizungen (4.) (VL 33/ RL 28)  in den Wohnungen und beheizten Gemeinschaftsräumen.

Im Fall mit zusätzlichem Solareintrag

Die UP 5 fördert bei einer hier nutzbaren Wärme ab 45 °C das Wasser-Glykol-Gemisch (Sole) des Solarthermiekreises (3.) über ein wärmegeführtes elektronisches Ventil MV 4 an die Pufferspeichergruppe mit niederer Temperatur oder an die Pufferspeichergruppe mit höherer Temperatur ab. Dieses Regelverhalten ist bedeutsam, da nicht zu jeder Tages- oder Jahreszeit ein Maximalertrag möglich wird und geringere Temperaturen Verwendung finden sollen. Dieses Speichervolumen dient als Vorreservoir zur Beladung der Brauchwasser-  oder Heizwasserpuffer, die einen entsprechenden Bedarf über ein wärmegeführtes elektronisches Ventil MV 6 anfordern. Ist die Temperatur vom Solarertrag kleiner als 45 °C, leitet das Ventil MV 3 die Wärme über einen Plattenwärmetauscher zur Soletemperaturanhebung. Die Solarthermieanlage mit einer Fläche von 45,1 m² ist für eine thermische Leistung von 31,5 kW installiert.

Weitere Wärmerückgewinnung

Im Gebäude fallen täglich ca. 800 l Grauwasser mit einer  Mischtemperatur von 25-35 °C an. Diese Wassermenge entsteht durch die Duschen und Waschbecken sowie zu Teilen durch elektrische Wärmeerzeuger in Waschautomaten, Geschirrspülern, Wäschetrocknern. Diese auf bis zu 90 °C erhitzte Wassermenge wird bisher in einer thermischen Energiebilanz in der Regel nicht erfasst. Diese Abfallwärme wird über einen speziellen Glattrohrwärmeübertrager (7.) zur Anhebung der Frischwassertemperatur zur Versorgung der Frischwasserstationen in den Wohnungen verwendet. Die erzeugte thermische Leistung bis zu 17 kW entlastet die thermischen Primärerzeuger.

Jede Wohnung verfügt über eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (8.) im Luft/Luft-Gegenstromprinzip. Die Rückgewinnungsrate beträgt 80 %. Damit werden die primären Wärmeerzeuger mit bis zu 32 kW entlastet.

Im Dachgeschoss ist in Südlage eine große Fensterfront verbaut. Das führt trotz Dreifach-Verglasung zu einem hohen Temperatureintrag. Zur Erreichung einer behaglichen Raumtemperatur wurde eine separate zusätzliche Wärmerückgewinnung (9.) eingebaut. Diese besteht aus einem im Fehlboden der Decke angebrachten Lamellenwärmeübertrager mit Lüfter 12 V. Er wird bei Bedarf über 24 °C Raumtemperatur mit Sole aus dem Erdkollektorenkreis beaufschlagt. Die Abwärme fließt mit einer thermischen Leistung von bis zu 1,5 kW über den Rücklauf zurück und hebt die Temperatur in diesem Segment bis 1 K an.

Im Fall Lastverteilung zwischen zwei Gebäuden (10.)

Die gesamte Heizungsanlage ist so konzipiert, dass die Heizleistung nicht nur in dem Haus günstig verteilt wird, sondern die Anlage auch mit einem weiteren Wohnhaus in 60 m Entfernung über eine Fernwärmeleitung verbunden ist. Beide Häuser haben eine separate Solar- und Heizungsanlage mit entsprechenden Pufferspeichern.

Allerdings haben die Solarkollektoren baulich konstruktiv abweichende Einstrahlbedingungen. Daher ist auch der Solareintrag nach Tages- und Jahreszeiten zeitlich unterschiedlich. Um diese Sonnenenergie optimal auszugleichen und auch die Betriebsstunden der Gaswärmepumpe zu optimieren, das heißt zu senken, wurde diese Kombination umgesetzt. In den Fällen –  Speicher der Gruppe 1, 2, 3, und 4 sind beladen – erfolgt die Weiterleitung an das Puffersystem des Nachbargebäudes. Umgekehrt erfolgt die Beladung, wenn in den Speichergruppen 1 und 2 Bedarf besteht.

Über die UP 7 (UP-Gruppe 7.1 und 7.2) und dem MV 7 fließt dann das erwärmte Wasser in die entsprechende Richtung zur optimalen Speicherung und Nutzung.

Fazit

Das beschriebene energetische Konzept zur Erzeugung von Heizungs- und Brauchwasser erzielt wesentliche, teilweise über die gesetzlichen Forderungen hinausgehende Effekte.

Gaswärmepumpe in Kombination mit Erdkollektoren

Entsprechend Veröffentlichung Ifeu-Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg „Vorteile gegenüber der Elektro-WP“:

Je nach Ausführung geringerer Primärenergieeinsatz als bei Elektro-WP

Unabhängig von der Betrachtungsweise der Stromproduktion niedrigere CO2-Emissionen; bei Betrachtung Kraftwerksmix und Grenzstromerzeugungs-Ansatz mit -31 bis -41 % (Steinkohlemix 2000) bzw. -17 bis -32 % (Steinkohlemix 2020) erheblich geringere Emissionen

Bei Wärmequelle Erdreich: Aufgrund der Nutzung von Verbrennungsabwärme ca. bis zu 40 % Wärmetauscher-Flächen (Sonde/ Kollektoren) erforderlich (Vergleiche: http://www.ifeu.de/energie/pdf/Arbeitspapier2_%20MINI-Technologiefolgenabschaetzung%20Gas-Waermepumpe.pdf)

Die Gaswärmepumpe mit ErP-Label A++ arbeitet mit einer berechneten Systemheizzahl von 1,555 für solarunterstützte Raumheizung, 3,313 für solarunterstütztedie Warmwasserbereitung. Nach Herstellerangaben wird eine CO2-Vermeidung von 5100 kg/a erreicht.

Solarthermie

Die Solarthermieanlage führt zu einer Primärenergievermeidung von 4980 kWh/a. Das entspricht nach Angaben des Herstellers und Installateurs gleichzeitig einem Äquivalent von 3316 kg/Jahr CO2-Vermeidung.

Wärmerückgewinnung

Durch Einsatz innovativer Wärmerückgewinnungssysteme wird dem Gesamtsystem eine thermische Leistung von bis zu 55 kW aus bisher nicht genutzter Abfallwärme zugeführt. Dieser Wert bildet die Summe aus Einzellösungen der Ziffern 2, 7, 8, 9, 11. Damit wird insbesondere die Wärmepumpe durch Verringerung der Betriebsstunden und der Schaltzeiten entlastet. Das entspricht einer Primärenergievermeidung je nach Tages- und Jahreszeit von bis zu 239.000 kWh/a mit einem CO2-Äquivalent von 55.476 kg/a (Berechnung nach: 55 kW x 8700 h x 50 % = 239.250 kWh. Entspricht 23.115 m³ Erdgas. Bezogen auf nicht verwendetes Erdgas der Wärmepumpe. Berechnungsgrundlage 1 m³ Gas entspricht 10,35 kWh. Verwendung CO2-Rechner unter www.umweltbundesamt.at/emas/co2mon/co2mon.htm.)

Alle Einzelmaßnahmen und besonders in ihrer Kombination führen zur Minderung des Primärenergieverbrauchs und damit zur Senkung der Betriebskosten für die Nutzer der Wohnungen. Gesamtgesellschaftlich ist die damit verbundene CO2-Vermeidung von hoher Bedeutung.

Das Projekt wurde beim Chillventa Award in der Kategorie „Wärmepumpe“ eingereicht und schaffte es auf die Short-List der Jury.


Auch 2018 wird es wieder einen Chillventa Award geben. Halten Sie schon 2017 Ausschau nach würdigen Projekten, die Sie einreichen können!

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