Alpines Monitoring

Nachhaltige Heiz- und Regelungstechnik auf der Sonnenalm

1821 Meter – auf dieser Höhe liegt das Bergrestaurant des Skigebiets „Füssener Jöchle“ im Tannheimer Tal. Die Skisaison 2014/2015 bot für die dortige Kältetechnik eine besondere Bewährungsprobe. Denn nach erfolgter Komplettsanierung der Anlagentechnik im Sommer wurde erstmals ohne Öl geheizt. Aber wie hängt beides zusammen?

Eine richtige Zufahrtstraße gibt es nicht - zumindest im Winter. Anlieferungen erfolgen per Gondel. Dies bereits seit Erbauung der damaligen Almwirtschaft „Sonnenalm“ im Jahre 1973. Vier Jahrzehnte ist es her, dass Bauherr Karl Erd Stein für Stein gar nur mit einem Doppelsessellift zu seinem Bauplatz befördern konnte.

Die Ausgangslage

Auch heute sind die Bedingungen alles andere als alltäglich. Weiterhin in Fami­lien­hand, entschied sich Sohn Hartwig Erd 2014 aus Gründen der Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit für die Sanierung der alten Heizung sowie der installierten Kältetechnik. Und schon alleine die Aussicht, künftig ohne Öl zu heizen, bedeutet langfristig für den Betreiber enorme Erleichterungen sowie Kosteneinsparungen. Nur, wie soll das gehen?

Die Antwort darauf lieferte ihm Oliver Uzicanin, Kälteanlagenbauermeister und Inhaber der Alpenland Kältetechnik GmbH in Pfronten. Vertraut mit kälte- sowie heiztechnischen Lösungen schlug er eine Kombination aus Abwärmenutzung der Gastrokühlung sowie des Maschinenraums mittels neu in­stal­lierter Wärmepumpen vor. Vor allem aber eine bislang ungenutzte Wärmequelle liefert einen maßgeblichen Anteil der benötigten Heizwärme: der Antriebsmotor und das Getriebe der großen Gondelbahn.

Ein nachhaltiges Konzept

Abgesehen von kurzen Stillstandszeiten, beispielsweise zu Wartungszwecken, laufen die Gondeln für Wander- und Skitouristen die meiste Zeit des Jahres. Dabei produziert der für den Antrieb benötigte Gleichstrommotor, mit einer gigantischen elektrischen Anschlussleistung von rund 550 kW, große Mengen Abwärme. Bislang wurde diese über einen Ölkühler abgeführt und verpuffte nutzlos. Das neue Konzept sieht vor, die Abfallwärme über einen Glykolkreislauf mit zwei Plattenwärmeübertragern in den Heizwasserkreislauf einzukoppeln. Bei Öltemperaturen von 55 °C (Sollwert) bis 80 °C im Vollbetrieb sind dafür bereits optimale Voraussetzungen gegeben. Dabei muss für das Getriebeöl gemäß Herstellerangaben immer auch die Untergrenze von 40 °C eingehalten werden.

Motor und Getriebe strahlen aber auch Wärme ab. Eine neu installierte Luft-/Wasser-Wärmepumpe entzieht zusätzlich dem Maschinenraum diese Abwärme und hebt sie auf die benötigten 65 °C Heiztemperatur an, bevor sie dem Heizwasserspeicher zugeführt wird. Ölkühlung und Maschinenraumabwärme sind also zwei wesentliche Komponenten des nachhaltigen Heizkonzepts auf der Sonnenalm.

Wärmepumpe nutzt Gastrokühlung

Dem Regelungskonzept folgend nutzt die Warmwasserbereitung aber zuallererst die Abwärme der für den Restaurantbetrieb dauerhaft benötigten Gastrokühlung. Über zwei Plattenwärmeübetrager wird ein Wärmeanteil des Heißgases der beiden Verbundanlagen für die Normal- und Tiefkühlung in drei Pufferspeicher von 25 bis 45 °C Temperatur ausgekoppelt. Mit dieser gewonnenen Abwärme hat die zweite neue Wärmepumpe nun ideale Voraussetzungen. Denn lediglich ein Temperaturhub von 20 °C ist zu bewältigen, um das benötigte 65-grädige Heizwasser zu bereiten. Damit wird ein maximaler COP von 5,3 erreicht. So spielen Kältetechnik und Abwärmenutzung der Ölkühlung sowie des Maschinenraums ideal zusammen und sorgen ganzjährig dafür, dass auf der Sonnenalm immer die richtigen Temperaturen herrschen.

„Cool“ geregelt und überwacht

Hinter dieser ausgeklügelten Anlagentechnik steckt natürlich auch ein intelligentes Konzept zur Regelung und Fernüberwachung. Die Cool Italia GmbH, Fellbach (www.coolitalia.de), vertreibt seit vielen Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz Produkte der Marken Dixell, Rivacold, Pego und Thermocold. Auf der Sonnenalm war die Expertise für Dixell gefragt. „Gemeinsam mit unserem Kunden haben wir das Regelungskonzept entwickelt“, erklärt der zuständige Produktmanager Marco Funes. „Durch unsere Temperaturregler und Steuerungen bzw. Regler für Kühlstellen und Verbundanlagen der X-Serien, die mit dem zentralen Fernüberwachungssystem problemlos kommunizieren, kann ein optimiertes Protokoll für den Kühlbetrieb rea­li­siert werden. Dieses schützt das Kühlgut gemäß HACCP-Richtlinien. Weiterhin halten wir uns an alle Vorgaben, damit der Betrieb der Bergbahn in keiner Weise beeinträchtigt wird. Die Zentraleinheit dient dem Warmwasserheizbetrieb als Datenerfassungs- und Fernüberwachungssystem und sorgt dafür, dass ganzjährig genügend Heizwärme auf der Sonnenalm zu Verfügung steht. Elektrisch abgetaut wird hingegen der neue Panoramawintergarten, dessen Steuerung wir aber ebenfalls integriert haben.“

Funes erläutert weiter die Logik der Wärme­auskopplung, damit für den Betreiber am Ende die günstigste Kostensituation entsteht. „Das warme Wasser für die Heizung kommt im ersten Schritt von der Wärmepumpe, die die Heißgastemperaturen der beiden Verbundanlagen nutzt. Damit höchst mögliche Sicherheit gewährleistet ist, wurde die frequenzgeregelte Verbundanlagensteuerung redundant aufgebaut. Reicht diese Abfallwärme bei fallenden Umgebungstemperaturen nicht mehr aus, koppeln wir direkt die Abwärme des Ölkühlers der Bergbahn über den Glykolkreislauf ein. Stufe drei ist dann, falls benötigt, die Nutzung der Maschinenraumabwärme über eine zweite Wärmepumpe. Und nur, wenn dies alles nicht reichen sollte, steht als vierte Möglichkeit der alte Ölbrenner zur Verfügung. Ich gehe aber davon aus, dass dieser auf sehr wenige Betriebsstunden kommt, am Ende vermutlich nur der psychologischen Sicherheit des Kunden dienen wird“, resümiert Funes überzeugt. 

Immer alles im Blick

Dass ein Anlagenmonitoring ein nützliches Instrument ist, macht das Beispiel Sonnenalm besonders deutlich. Nicht nur, aber in alpinen Höhen umso mehr, hat der Kälteanlagenbauer die von ihm installierten Anlagen per Datenfernübertragung im Blick oder wird automatisch benachrichtigt, um jederzeit eingreifen oder im Falle einer Störung schnell handeln zu können. Eine rasche Anfahrt ist in diesem Fall nämlich nicht möglich – und ganz nebenbei auch im normalen Kälteanlagenbaueralltag oft verfrüht oder ganz überflüssig.

Die Datenerfassung, Überwachung, und das Alarmmanagement werden auf der Sonnenalm mit dem Webserver „XWEB500D“ realisiert. Alle installierten Dixell-Regler und -Sensoren der Verbundanlagen, Kühlstellen, Abwärmequellen oder Wärmepumpen sind damit kompatibel, wobei auch Fremdfabrikate über ModBUS-RTU anschließbar wären. Per Modem stellt der Webserver die Verbindung zum Internet her. Ein einfacher und schneller Zugriff auf die Informationen der Website ist damit gewährleistet. „Wir haben die Oberfläche nach Wunsch des Kunden konfiguriert“, beschreibt Produktmanager Funes einen weiteren Teil der Dienstleistung von Cool Italia. „Damit können Betreiber und Kälteanlagenbauer über den Internetbrowser ihres Computers, aber ebenso über eine Schnittstelle per PDA oder Smartphone, individuell auf alle Daten zugreifen.“

Dauerhaft kann über die Datenspeicherung im Webserver auch das Benutzerverhalten analysiert und ausgewertet werden. Denn nur dann, wenn sich Anlagenplanung und -ausführung mit einem angepassten Betrieb verbinden, pendeln sich die laufenden Kosten auf niedrigem Niveau ein und machen sich Investitionen am schnellsten bezahlt.

Unabhängig und sparsam

Für Hartwig Erd wird die Amortisationszeit seiner neuen Heiz- und Kältetechnik bei rund fünf Jahren liegen, so die Einschätzung von Planerseite. Und aller Voraussicht nach muss zukünftig kein Tropfen Heizöl mehr hinauf zur Sonnenalm transportiert werden, da der Betrieb der gesamten Anlagentechnik heute elektrisch erfolgt. Durch den sehr hohen Anteil CO2-freier Erzeugeranteile am österreichischen Strommix handelt Herr Erd damit vorausschauend und mit der Einkopplung der vorhandenen Abwärme sehr nachhaltig. Seine Investitionen zahlen sich langfristig damit gleich mehrfach aus.

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