CO2 braucht Aufmerksamkeit

Interview mit Michael Hendriks, Rivacold CI GmbH

Die Rivacold CI GmbH vertreibt Produkte der italienischen Hersteller Rivacold und Pego in Deutschland, Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz. Seit Mitte 2020 ist mit Michael Hendriks ein erfahrener Branchenkenner als neuer Technischer Direktor an Bord. Die KKA-Redaktion sprach mit ihm über seine Aufgaben und neueste Entwicklungen im Bereich der Gewerbekälte.

KKA: Herr Hendriks, nach über 30 Jahren Erfahrung in verschiedenen Tätigkeiten im Kälte- und Klimamarkt hat Sie Ihr Weg Mitte des letzten Jahres zur Rivacold CI GmbH geführt. Wie haben Sie sich eingelebt und was zählt seither zu Ihren Aufgaben?

Hendriks: Die langjährigen Erfahrungen und Kenntnisse des Marktes sind natürlich eine nützliche Basis für meine neuen Aufgaben als Technischer Direktor bei Rivacold mit der Verantwortung für den deutschsprachigen Raum. Und obwohl ich von meinem Büro in Hamburg aus arbeite, haben mir die Kollegen in Fellbach meine Einarbeitung und das Kennenlernen des Produktportfolios unserer Marken Rivacold, Dixell und Pego einfach gemacht. Zu meinen Aufgaben gehört in erster Linie der technische Support bei allen anwendungs- und produkttechnischen Fragen für die Mitarbeiter und Kunden von Rivacold sowie der beiden Schwesterunternehmen CI GmbH Control Instruments und der Cool+Call GmbH mit den Bereichen Wartung und Service. Außerdem begleite ich die Abstimmung und Spezifikation von Produktneuentwicklungen oder Änderungen mit unserem Vertrieb, dem Produktmanagement in Fellbach und unserem Stammhaus, der Rivacold s.r.l. in Italien. Darüber hinaus fällt die Organisation und Durchführung von Kunden- und Mitarbeiterschulungen in meinen Aufgabenbereich, die Weiterentwicklung und Optimierung des Projektgeschäfts bzw. der Prozess-Abläufe und last but not least die Präsenz und Mitwirkung bei Berufsverbänden, Organisationen sowie Bildungseinrichtungen.

KKA: Ihr Unternehmen handelt seit vielen Jahren mit Produkten aus Italien. Wie ordnen Sie die heutigen Fertigungsstandards und die Qualität ein?

Hendriks: Kältetechnik hat in Italien eine lange Tradition. Tatsächlich gibt es dort sehr viele Hersteller von Komponenten oder Systemen für gewerbliche und industrielle Anwendungen. Ablesbar ist dies immer bei der Kälte-Klima-Fachmesse Chillventa als Präsenzveranstaltung in Nürnberg. Italien belegte meines Wissens bei den Besucher- und Ausstellerzahlen zuletzt hinter Gastgeber Deutschland regelmäßig Platz zwei. Rivacold wurde 1966 als Hersteller von Verflüssigungssätzen und hermetischen Systemen für Kühlmöbel gegründet. Im Stammwerk in Vallefoglia arbeiten heute über 1.500 qualifizierte Mitarbeiter. Konstruktion, Design, Funktionalität und Produktion haben bei uns wie bei den meisten italienischen Herstellern ein hohes Qualitätsniveau. Unsere Produktionsabläufe sind schlank und effizient organisiert. Die Qualität wird ständig in unseren neuen, zertifizierten Testräumen überprüft – eine Möglichkeit, die meines Wissens in dieser Form nur wenige Hersteller vorhalten und auch ihren Kunden zu Verfügung stellen.  Davon konnte ich mir kürzlich selbst bei einem Besuch einen Eindruck verschaffen. So ist es möglich, hochwertige und innovative Produkte, noch dazu bei hoher Fertigungstiefe, mit einem interessanten Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. Das gilt für die neuen synthetischen Übergangskältemittel mit geringeren GWP-Werten genauso wie für die natürlichen Stoffe. In der Lebensmittelkühlung geht es dann vorwiegend um CO2 und Propan.

 

KKA: Daran anknüpfend, wo steht die Gewerbekälte bei den Kältemitteln Ihrer Ansicht nach heute?

Hendriks: In der Gewerbekälte, speziell im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), für den wir primär arbeiten, hat sich seit mehreren Jahren CO2 etabliert. Dies begann mit größeren zentralen Kälteanlagen und setzt sich inzwischen verstärkt bei kleineren Leistungen fort. In diesem Bereich bieten seit wenigen Jahren immer mehr Hersteller Aggregate, unser Unternehmen beispielsweise mit der „CO2NNext“-Baureihe. Es geht dann um Kälteleistungen unter 1 kW bis 7 kW zur Normalkühlung und von 1kW bis 7,5 kW zur Tiefkühlung. Hinzu kommen kundenspezifisch angepasste Geräte. Insgesamt entwickelt sich aufgrund der unterschiedlich großen Verkaufs- und Kühlflächen im LEH sowie den Anforderungen der gesamten Kühlkette vieles parallel. Sowohl bei großen zentralen, als auch bei dezentralen Systemen, mit Direktverdampfung, Boosteranlagen oder mit Sekundärkreis (Waterloop) und Kälteträger. Im Lebensmittelhandel sind die Innovationskraft und der Bedarf gerade bei den großen Discountern gewaltig. Von deren Produktentwicklungen profitieren wiederum andere (Nischen-)Märkte im Handel, dem Gewerbe und auch in der Industrie.

 

KKA: Sehen Sie natürliche Kältemittel im Lebensmitteleinzelhandel nur im Neubau oder auch bei den vielen tausend Bestandsmärkten in der Sanierung?

Hendriks: Kälteanlagen mit natürlichen Kältemitteln können und werden noch primär im Neubau, aber inzwischen auch in Bestandsmärkten erfolgreich eingesetzt. Mit dem Kältemittel CO2 ist das meist etwas einfacher als mit Propan, da es als A1-Kältemittel eingestuft ist. Wir konnten aber zum Beispiel bei einem namhaften Discounter sowohl in Neubauprojekten als auch für Marktsanierungen CO2-Geräte einsetzen und gegen Kälteanlagen mit synthetischen Hoch-GWP-Kältemitteln austauschen. Die neuen Geräte sind standardmäßig mit Carel-Regelungen ausgerüstet, die die CO2-bedingten Besonderheiten und Anforderungen sehr gut erfüllen, aber individuell parametrisiert werden müssen. Denn CO2 ist „demanding“. Das bedeutet, dass die Anlagen während und nach der Inbetriebnahme mehr Aufmerksamkeit benötigen, um einen sicheren und effizienten Betrieb zu erreichen.

 

KKA: Wie sehen Sie generell den Wissensstand und die Komponentenverfügbarkeit bei Low-GWPs und den natürlichen Kältemitteln?

Hendriks: Was die Verfügbarkeit anbelangt, bietet der Markt für Kälteanlagen, Kühlmöbel oder Kühlzellen/-räume inzwischen ein breites Angebot an Komponenten und Systemen. Allem voran für CO2, aber auch mit immer mehr Herstellerfreigaben für Propanbauteile wie beispielsweise den Verdichter. Auch für Low-GWP-Kältemittel wächst das Angebot. Aber natürlich müssen die neuen Produkte dem Markt und den Kunden vertraut gemacht werden. Konkret heißt das im einfachsten Fall ein Wechsel hin zu Anwendungen mit neuen synthetischen „Niedrig-GWP-Kältemitteln“, die wir in Standard- aber auch in Customized-Lösungen realisieren. Auch bei diesen Anlagen und Geräten zieht immer mehr Elektronik ein, um die hoch gesteckten Energie-Effizienzwerte zu erreichen und die wirtschaftlichen Potentiale eines Fernzugriffs zu generieren. Die langfristige Tendenz geht in der Gewerbekühlung aber wie schon erwähnt hin zu natürlichen Kältemitteln. Mit unseren Marken Rivacold, Pego, Dixell und der Servicefirma Cool and Call können wir unseren Kunden nachhaltige Systeme, Projektierung, Service und Wartung als Komplettlösung anbieten. Wichtig ist aber, das Angebot mit Schulungen, entsprechenden Unterlagen und direktem Planungs- und Inbetriebnahme-Support ergänzend zu unterstützen. Genau hier ist einer meiner Schwerpunkte. So haben in den letzten Monaten mehrere Kunden- und Mitarbeiterschulungen und eine Reihe von Inbetriebnahmen stattgefunden.

 

KKA: Spielt dabei die nächste Stufe der F-Gase-Verordnung bei Ihrer Arbeit eine Rolle?

Hendriks: Ja. Wir setzen seit einigen Monaten verstärkt auf Anwendungs- und Produktschulungen speziell in diesem Bereich. Denn die nächste Stufe des Phase-Downs, die seit dem 1. Januar 2021 in Kraft ist, wird möglicherweise von einem Teil der Marktteilnehmer unterschätzt. Es könnte sein, dass durch eine weitere Verknappung von Kältemitteln mit hoher Treibhausgasbelastung oder durch Lieferengpässe bei Alternativen die Preise wieder schlagartig ansteigen, wie dies bereits in den Jahren 2017 und 2018 der Fall war. Dann müssen plötzlich alternative Lösungen angeboten werden. Dafür in Frage kommen die neuen Übergangskältemittel, also entweder der Sicherheitsklasse A1 mit einem GWP um 600, oder Low-GWPs und damit A2L-Anwendungen. Damit sammelt der Markt derzeit Erfahrungen und sind auch wir mit freigegebenen Produkten gut aufgestellt. Womöglich macht aber gleich der Schritt hin zu den verfügbaren, standardisierten Lösungen mit CO2 und/oder Propan Sinn, die vermutlich einen weiteren Schub bekommen werden. Darauf sind wir vorbereitet.

 

KKA: Abschlussfrage: Was sind Ihre Erwartungen für das Jahr 2021?

Hendriks: Natürlich möchte ich dazu beitragen, unser Wachstum der letzten Jahre weiter voranzubringen. Durch die breite Produktpalette, hohe Qualität und das gute Preis-Leistungsverhältnis sind wir auch unter schwierigeren Bedingungen einer Corona-Pandemie gut aufgestellt. Produkte und Services werden und müssen außerdem stetig weiterentwickelt werden. Wenn ich diese Gegebenheiten über Informationsangebote und Weiterbildungsmaßnahmen an unsere Mitarbeiter, Kunden oder auch an andere Weiterbildungswillige vermitteln kann, Neues in der Kältetechnik dann irgendwann selbstverständlich wird, bin ich zufrieden. Es geht letztendlich um eine große Bandbreite, von Anwendungstechnik, neuen Produkten, Digitalisierung, Schulungen und Kommunikation, um Kältetechnik in der gewerblichen Kühlung technisch zuverlässig und gleichzeitig marktgerecht weiter zu entwickeln.

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