Die F-Gas-Verordnung aus Betreibersicht

Interview mit Daniel Albert, Kältetechnikexperte bei BASF

Die F-Gas-Verordnung ist in der Kälte- und Klimabranche seit Jahren das beherrschende Thema. Welche Kältemittel stehen künftig noch zur Verfügung? Wie entwickeln sich die Preise? Welche Bedeutung werden natürliche Kältemittel erhalten? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigen sich Hersteller, Handel, Verbände, Planer und Fachbetriebe gleichermaßen. Und die Betreiber? Ist das Thema schon bei ihnen angekommen und wie reagieren sie auf die Problematik? Die KKA führte hierzu ein Interview mit Daniel Albert – der Kälteingenieur ist bei BASF mitverantwortlich für kälte- und klimatechnische Anwendungen.

KKA: Herr Albert, der Chemiekonzern BASF ist sicher allen KKA-Lesern ein Begriff. In welchen Bereichen und in welcher Größenordnung kommen in Ihrem Unternehmen Kälte- und Klimaanlagen zum Einsatz? Und welche Kältemittel werden verwendet?

Albert: Als BASF betreiben wir weltweit Kälteanlagen – in verschiedensten Klimaregionen, unter unterschiedlichsten und wechselnden Regulativen. Vom 1 kW-Fensterkühlgerät für Personenaufenthaltsbereiche bis hin zur Prozesskälteanlage für große Chemieanlagen im Megawatt-Bereich. Mit vielfältigsten Systemvarianten und Temperaturbereichen. Für die Herstellung, Lagerung oder Logistik von Produkten, aber auch z.B. für den Unterhalt von Laborgebäuden, Elektrischen Betriebsstätten oder Kantinen haben wir Anlagen und Geräte im Einsatz. Dafür verwenden wir etwa 25 Kältemittel (das sind ca. 20 % der nach DIN EN 378 gelisteten Kältemittel).

 

KKA: Wann haben Sie sich das erste Mal mit der F-Gas-Verordnung beschäftigt? Und konnten Sie hierbei auf die Beratung durch Fachbetriebe, Planer, Hersteller oder Behörden setzen oder mussten Sie sich das nötige Fachwissen selbst erarbeiten?

Albert: Zum ersten Mal habe ich mich im Zuge meines Studiums damit beschäftigt. Bei BASF traf ich beim systematischen Aufbau und der Einführung von Dichtigkeitsprüfungen an F-Gas-Anlagen auf das Thema. Bei über 4.000 Anlagen für den Standort Ludwigshafen ist das eine Herausforderung.

Der wirkungsvolle Austausch mit unabhängigen Experten in der Sache ist für uns natürlich sehr wichtig. Ebenso sind Lehranstalten wie die Bundesfachschule in Maintal oder Behördenvertreter vom Umweltbundesamt stets gute Ansprechpartner. Auch Veranstaltungen vom Deutschen Kälte- und Klimatechnischen Verein (DKV) bieten hier einen guten Rahmen.

 

KKA: Welche konkreten Schritte haben Sie vor dem Hintergrund der F-Gas-Verordnung bei BASF bereits unternommen? Und wie gehen Sie weiter vor?

Albert: Wir beraten oder informieren unsere Kollegen zu Bestands- und Neuanlagen und bewerten, ob vorbeugende Maßnahmen (z.B. Drop-In) sinnvoll sind. Wir fordern und fördern die disruptiven Technologien bei unseren Vertragspartnern (z.B. R290-Anwendungen), die einen erkennbaren Mehrwert schaffen. Für Neuanlagen fordern wir kältemittelfüllmengenreduzierte Systeme oder hinsichtlich der CO2-Äquivalenz (<5 t) optimierte Kältesysteme ein. Wir investieren in Anlagen für einen langfristigen Einsatz, weshalb der Einsatz natürlicher Kältemittel favorisiert wird.

 

KKA: Sie haben sicher auch Kontakt zu Fachkollegen in anderen Unternehmen. Haben sich andere Betreiber ähnlich professionell wie BASF mit der F-Gas-Verordnung beschäftigt?

Albert: Natürlich haben wir branchenübergreifende Kontakte, die wir gerne pflegen, unter anderem über Fachtagungen. Wir erkennen proaktive, aktive und passive Marktteilnehmer in der Sache.

 

KKA: Wie schätzen Sie die generelle Entwicklung im Kältemittelmarkt in Europa bezogen auf Verfügbarkeiten und Preisentwicklung ein?

Albert: Die Entwicklung bei synthetischen Kältemitteln wird sich tendenziell weiter verschärfen. Weitere Einschränkungen, die wir heute noch nicht absehen können, sind bei anhaltenden Diskussionen um den Klimawandel zu erwarten. Nach den Änderungen der vergangenen Jahre können wir nicht abschätzen, wie lange die neu entwickelten synthetischen Kältemittel mit geringem GWP verfügbar sein werden. Natürliche Kältemittel sind von den Themen Preiserhöhung und Verfügbarkeit praktisch nicht betroffen.

 

KKA: Und was heißt das für BASF? Auf welche Kältemittel wollen Sie künftig setzen? Gibt es Kältemittel, auf deren Einsatz Sie komplett verzichten werden?

Albert: Wir wollen als Betreiber von Anlagen auch in der Zukunft nicht vom Markt getrieben sein. Für den HVAC-Bereich auf unserem Werksgelände Ludwigshafen (Umfang ca.: 3.800 Anlagen; Oo=100 MW; 60 t F-Gas; Ø-GWP=1.800) möchten wir künftig vermehrt mit weniger, aber dafür nachhaltigeren Kältemitteln auskommen, wie z.B. R290, R450A oder R744. Kältemittel wie bspw. R410A möchten wir nicht weiter favorisieren.

 

KKA: Manche natürliche bzw. alternative Kältemittel sind brennbar, andere toxisch, wieder andere haben sehr hohe Drucklagen. In einem Chemiekonzern hat man ja mit Substanzen und Anwendungen mit einem im Vergleich zu Kältemitteln deutlich höheren Gefährdungspotential zu tun. Sind die sicherheitstechnischen Aspekte bei Kältemitteln für Sie überhaupt ein Thema oder schüttelt das eine Firma wie BASF locker aus dem Ärmel?

Albert: Viele unserer Chemieanlagen erfüllen bereits hohe Anforderungen, z.B. an den Explosionsschutz. Unsere Mitarbeiter sind geschult im Umgang mit chemischen Substanzen. Damit haben wir als Betreiber ein ausgeprägtes Verständnis bei der Anwendung von Kältemitteln mit höherem Gefährdungspotenzial. Sicherheitstechnische Aspekte entwickeln sich ständig weiter, beim Thema Sicherheit gehen wir keine Kompromisse ein.

 

KKA: Gibt es spezielle kältetechnische Anwendungen bei BASF, bei denen Sie noch keine Kältemittel-Lösung gefunden haben? Und wie sieht es bei Klimaanlagen aus? Hier sind die Alternativen zu HFKW ja nicht so leicht zu finden.

Albert: Bisher haben wir immer eine Lösung gefunden, aber der Spielraum wird enger. Für Klimaanlagen werden sich zukünftig Standardsysteme wandeln. Von bspw. direktverdampfenden R410A-Splitanlagen hin zu indirekten Kälteträgersystemen mit z.B. R513A, R450A oder R290.

 

KKA: Es gibt bei Kälteanlagen ja eine Fülle an Betreiberpflichten in Bezug auf Dokumentation, Sicherheit, Hygiene, Leckagen etc. Halten Sie diese für überzogen oder notwendig?

Albert: Die Betreiberpflicht ist ein durchaus weites Themenfeld, das natürlich auch Ressourcen bindet. Vor dem Hintergrund der Umweltrelevanz und des Gefahrenpotenzials einer Kälteanlage (Legionellenthematik bei Rückkühlern, Treibhauspotenzial der Kältemittel, Einsatz von Druckbehältern, luftsauerstoffverdrängende Wirkung von Kältemitteln etc.) können wir keine überzogenen Forderungen erkennen. Im Gegenteil sind die firmeninternen Regelungen oft noch strenger, als der Gesetzgeber vorschreibt.

 

KKA: Betrachten wir doch das Thema Leckage noch etwas genauer. Können Sie die Kältemittelverluste bei BASF beziffern und welchen Stellenwert hat die Anlagendichtheit für BASF? Was tun Sie im Detail, um Leckagen zu reduzieren?

Albert: Wir betreiben hohen Aufwand, um dem Thema Dichtigkeit bei Kälteanlagen gerecht zu werden. Dafür binden wir auch eigenes Stammpersonal ein, um hier bestmöglich zu agieren. Um Leckagen zu reduzieren, setzen wir auf möglichst hermetische, dauerhaftdichte Systeme. Vermehrt kommen auch Füllstandsmessungen zur Anwendung, um vorbeugend „schleichende“ oder verdeckte Leckagen einfacher ermitteln zu können.

 

KKA: Vervollständigen Sie zum Schluss doch einmal folgende Sätze:

Die F-Gas-Verordnung ist aus meiner Sicht … „eine Chance, die zukünftige Kältetechnik in ihrer Gesamtheit klimaneutraler zu gestalten.“

Die Kältemittel der Zukunft sind … „natürliche Kältemittel.“

In zehn Jahren wird die F-Gas-Verordnung rückblickend … „als Einstieg vom Ausstieg klimarelevanter Kältemittel verstanden werden. Und die Kältefachbetriebe werden sich auf einen Anlagenbestand mit natürlichen Kältemitteln eingestellt haben.“

 

KKA: Herr Albert, herzlichen Dank für das Gespräch.

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