Die Lage ist ernst

Stellen Sie sich einmal vor, sie seien ein Tankwart. Ein Kunde mit Diesel-Fahrzeug fährt vor und möchte tanken. Leider müssen Sie ihm sagen, dass Sie für dieses Jahr keinen Diesel-Kraftstoff mehr zur Verfügung hätten und im nächsten Jahr sehe die Versorgungslage noch schlechter aus. Ein wenig Diesel könnten Sie vielleicht noch auftreiben, aber Sie müssten leider den zehnfachen Preis nehmen. Was er denn tun könne, fragt der Kunde verzweifelt. Das Auto stehen lassen, das Fahrzeug auf Autogas umrüsten oder einfach ein neues Auto kaufen – am besten ein Elektrofahrzeug, sind Ihre unbefriedigenden Antworten. Und nun ersetzen Sie die Begriffe Tankwart durch Kältemittelhandel bzw. -fachbetrieb, Diesel durch Hoch-GWP-Kältemittel, Elektrofahrzeug durch natürliche Kältemittel etc. – herzlich willkommen im Herbst 2017. Der Vergleich hinkt sicherlich hier und da ein wenig, aber nicht viel anders sieht es derzeit in unserer Branche aus.
Schon Monate vor der ersten wirklich schmerzhaften Phase-Down-Stufe im Rahmen der F-Gas-Verordnung sind manche Kältemittel mit hohem Treibhauseffekt (GWP) am Markt nicht mehr oder nur noch zu deutlich höheren Preisen verfügbar. Obwohl seit Jahren bekannt ist, dass die F-Gas-Verordnung nur mit enormen Anstrengungen der gesamten Branche – vom Betreiber, über den Planer bis zum Anlagenbauer – gemeistert werden kann, haben viele weiter agiert wie eh und je. Um nicht zu enden wie Hiob, haben viele Anlagenbauer ihre Kunden nicht oder nicht mit dem gebührenden Nachdruck über die Kältemittelsituation informiert, Betreiber haben Investitionen in Umrüstungen oder Neuanlagen gescheut, selbst Neuanlagen wurden mit Hoch-GWP-Kältemittel geplant, das Fachwissen über den Umgang mit natürlichen bzw. brennbaren Kältemitteln wurde nicht angeeignet, beim Umgang mit gebrauchten Kältemitteln wurde geschlampt, so dass es nur noch vernichtet statt wiederaufbereitet werden konnte und, und, und.
Das Aufwachen aus dem Dornröschenschlaf kommt nun zwar etwas früher als erwartet, aber das große Heulen und Zähneknirschen wäre 2018 eh angesagt gewesen. Und das, obwohl die nun von vielen gescholtene und als Halsabschneider bezeichnete Kältemittelindustrie, Verbände, Hersteller und die Fachpresse seit Jahren den Abgrund beschrieben haben, auf den eine gesamte Brache zusteuert. Zum Gas geben, bzw. bremsen, um im Bild mit dem Abgrund zu bleiben, ist es nun fast du spät. Aber den Versuch einer Vollbremsung sollten Sie bzw. müssen Sie starten. Klären Sie Ihre Kunden nicht morgen, sondern heute auf, was auf sie zukommt; entwickeln Sie gemeinsam Lösungsstrategien für die jeweiligen Kälteanlagen; schulen Sie sich und Ihre Mitarbeiter im Umgang mit Kältemittelalternativen etc. Lassen Sie keine Zeit mehr verstreichen. Die Lage ist ernst. Der Ausstieg aus R12 oder R22 war im Vergleich dazu ein Zuckerschlecken.


 
Ihr Christoph Brauneis

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