Digitalisierung vs. Digitalisierung

Wenn sich Digitalisierungsmaßnahmen gegenseitig kannibalisieren

Widersprüchliche Digitalisierungskonzepte verunsichern derzeit Inhaber von Handwerksbetrieben, da sie wichtige Grundsatzfragen zur Digitalisierung gegensätzlich beantworten. Im Kern liegt dieser Gegensatz in der Frage, ob das große Universum an Apps und Cloud-Anwendungen zur Betriebsorganisation einen Werkzeugkasten für den Handwerksbetrieb bieten kann oder ob nach wie vor eine universelle und vollumfänglich einsetzbare Branchensoftware die Anforderungen an eine moderne und zukunftsfähige digitale Betriebsführung besser erfüllt.

Anbieter von Cloud-Produkten und Apps streben Kooperationen an und kommunizieren in Partnerschaften mit Betriebs- und Unternehmensberatern, dass die Zeit für den vollständigen Umstieg auf diese Lösungen gekommen sei und dass klassische Branchenlösungen zu unflexibel seien.

Schaut man sich aber die am Markt verfügbaren Einzellösungen für Aufgabengebiete wie die digitale Zeiterfassung, Bautagebücher, mobile Apps für Monteure oder Projektmanagement-Apps an, so stellt man sich immer wieder dieselben Fragen:

1.) Wo laufen alle in den Anwendungen gesammelten Informationen zusammen und wie finde ich schnelle Antworten auf die täglichen Fragen in meinem Betrieb?

2.) Wie greifen alle diese Apps auf gemeinsame Datenbestände zurück oder sind Basisinformationen wie Mitarbeiter- und Kundenstammdaten mehrfach vorzuhalten?

3.) Wer ist mein Ansprechpartner im Pro­blemfall?

4.) Wer bietet mir wo die notwendigen Schnittstellen, um zum Beispiel an Lieferanten oder den Steuerberater „anzudocken“?

Cloud ist nicht gleich Cloud

Der Begriff der Cloud suggeriert vielen, dass es nur eine Cloud gibt, in der alle Daten gelagert werden und auf die von allen Anwendungen zugegriffen wird. In der Praxis handelt es sich derzeit bei Cloud-Anwendungen aber, ähnlich wie bei lokal (on premises) installierten Einzelanwendungen verschiedener Anbieter, um Einzel-Clouds, von denen jede ihre Ablage der Informationen individuell organisiert.

Jedes Programm für sich spannt eine eigene Datenwolke auf, die zwar von überall aus verfügbar ist, jedoch noch lange nicht für jedes andere Programm. Schnell stellt man als Anwender mit einem bunten Mix an Cloud-Anwendungen mehrere Datenpools her, die nicht miteinander kommunizieren können. Zwar beeilen sich die Anbieter zu versichern, dass es nur eine Frage weniger Jahre sei, bis entsprechende Schnittstellen geschaffen seien. Wer aber verfolgt hat, wie viele Jahre zum Beispiel branchenübliche Großhandelsschnittstellen im Baunebengewerbe benötigt haben, um einheitlich zu funktionieren, mag an diesen Aussagen zweifeln.

Hier soll es nicht um die Konzeptfrage „Cloud oder nicht Cloud?“ gehen. Die Frage ist nicht, ob eine Anwendung Cloud-basiert sein sollte oder nicht. Viel wichtiger ist: Wie viele Schnittstellen, Datenpools und Datenbanken sind zu pflegen?

Es gibt nur eine Wahrheit

All-in-One-ERP-Lösungen für das Handwerk, wie zum Beispiel die Branchensoftware „Streit V.1“, die in zahlreichen Betrieben des Baunebengewerbes zum Einsatz kommt, setzen auf ein Grundprinzip namens „DRY – Don’t repeat yourself“. Dieses Prinzip hat zum Ziel, Redundanzen, also mehrfache Wiederholungen derselben Informationen, wo immer es geht zu vermeiden. Gibt es nur einen Ort, an dem Informationen vorgehalten werden, so gibt es auch keine Unklarheiten darüber, welche Informationen die richtigen / aktuellen sind. Datenbankspezialisten sprechen bei solchen Konstellationen auch vom „Single Point Of Truth (SPOT)“, dem einzigen Punkt, an dem die Wahrheit zu finden ist. Werden alle Apps und Einzelanwendungen aus einem einzigen Informationspool gespeist, stellt sich die Frage nach Aktualität oder Validität nicht. Auch werden keine Schnittstellen zwischen Informationsfragmenten benötigt, um diese mühevoll und fehleranfällig zusammenzuführen.

Fazit

Digitalisierungsansätze, die auf einen Pool von Anwendungen verschiedener Hersteller setzen, sollten in Bezug auf ihre Datenbasis und auf eventuell benötigte Schnittstellen kritisch betrachtet werden. Wer bei Pflege und Nutzung von Daten Doppelungen meidet und die Anzahl benötigter Programmschnittstellen auf das Nötigste beschränkt, sorgt für klare Informationsflüsse und weniger Pflegeaufwand für seine kaufmännische Software.

Schnittstellen

Stellen Sie sich eine Schnittstelle wie einen Adapter vor, den Sie benötigen, um zum Beispiel Ihre Elektrogeräte an ausländischen Steckdosen zu nutzen. Und nun stellen Sie sich vor, sie benötigen hierfür nicht nur einen Adapter. Je mehr Schnittstellen Sie schaffen, desto wackeliger wird die Verbindung zwischen den Programmen und desto länger dauert es, herauszufinden an welcher Schnittstelle es liegt, wenn ein Fehler auftritt – zum Beispiel durch ein Update eines der verbundenen Programme, das die Funktion der benötigten Schnittstelle lahmlegt.
All-in-One-Lösungen benötigen für ihre Einsatzbereiche keine Schnittstellen. Ihre Programmteile kommunizieren direkt miteinander und teilen ihre Informationen in einem gemeinsamen Datenpool.

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