Entspanntes Gleiten

Der Elektrotransporter Nissan e-NV200 im praktischen Alltag

Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb haben das Exotentum hinter sich gelassen, zumindest technisch. Eigentlich jeder Hersteller von Transportern bietet seine Fahrzeuge inzwischen auch in einer Variante mit Elektroantrieb an. Doch bewähren sich diese Stromer tatsächlich auch im realen Handwerker-Alltag? Das wollte die KKA-Redaktion genauer wissen und hat den e-NV200 von Nissan mehrere Tage von einem Malerbetrieb testen lassen. Die Ergebnisse lassen sich dabei auch auf Kälte-/Klima-Fachbetriebe übertragen.

Der Maler- und Lackierermeister Volker Kempen von „neuefarbe!“ und seine drei Mitarbeiter sind im Umkreis von 100 km um Mönchengladbach unterwegs – Aufträge werden auch in Aachen, Düsseldorf und Köln ausgeführt. Rund 50.000 km legt jeder Firmen-Transporter so pro Jahr zurück. Bisher setzt Kempen klassische Transporter ein: Kastenwagen mit 90 bis 100 PS starkem Diesel. Kann ein Elektro-Transporter da mithalten? Volker Kempen konnte das mit einem Nissan e-NV200 ausprobieren. Da der e-NV200 noch nicht in der Variante als Kastenwagen zur Verfügung stand, kam der Personen-Transporter „Evalia“ zum Einsatz. Antriebssystem und Akku sind aber bei beiden Varianten gleich, so dass ein realistischer Test möglich ist.

Gute Ausstattung, Stauraum fehlt

Zunächst ein paar Basis-Fakten zum Transporter: Der e-NV200 bietet eine maximale Laderaumlänge von 1.701 bis 1.791 mm und eine Laderaumbreite von maximal 1.500 mm. „Für uns als Malerbetrieb könnte das etwas knapp werden“, meint Volker Kempen. Die Nutzlast des Kastenwagens liegt je nach Ausführung zwischen 503 und 667 kg. Einen positiven Eindruck hinterlässt die Fahrerkabine: „Die verarbeiteten Materialien sind unempfindlich, der Sitz bequem und alle Systeme lassen sich intuitiv bedienen“, so Volker Kempen. Auch die Übersichtlichkeit des 4.560 mm langen Transporters und der Wendekreis von nur etwas über 11 m beurteilt er positiv. Nur Ablagen fehlen ihm, denn für Baustellenzettel, Karten und persönliche Dinge stehen nur zwei schmale Fächer in den Türen sowie ein kleines Handschuhfach zur Verfügung. Ansonsten findet er die Ausstattung überzeugend: „Selbst in der Basisausstattung ist vieles enthalten, was man bei anderen Transportern extra zukaufen muss.“

270 km Reichweite sind realistisch

Doch im Fokus des Tests steht ja der Elek­troantrieb – und den testeten Volker Kempen und sein Team bei den ganz normalen Touren, die jeden Tag im Malerbetrieb anfallen. 180 km täglich legte der e-NV200 so im Schnitt zurück, den Großteil dabei im Stadtverkehr. Dafür war die Kapazität des Akkus des e-NV200 absolut ausreichend: Mit einer Kapazität von 40 kWh soll der Transporter laut NEFZ 275 km weit kommen. „Das passt – wenn ich den Akku voll geladen hatte, stand die Reichweiten-Anzeige bei 277 km“, so Kempen. Allerdings ist er skeptisch, was die Reichweite betrifft, wenn er mehr Strecken auf der Autobahn zurücklegen müsste: „An einem Tag bin ich 28 km auf der Autobahn gefahren, die erzielbare Reichweite sank dabei aber um 50 km“, so Kempen. Und das im Eco-Modus und mit aktiviertem B-Modus, mit dem das regenerative Bremsen stärker genutzt wird. „Schaltet man dann noch die Klimaanlage ein, gehen pauschal noch einmal 30 km an Reichweite verloren“, erzählt Volker Kempen weiter und fragt sich: „Wie sieht das dann im Winter aus, wenn der Akku kalt ist und wahrscheinlich weniger Kapazität hat und man ohne Heizung nicht auskommt?“ Sein Fazit bezüglich Reichweite: „Wenn man nur in der Stadt unterwegs ist, reicht sie vollkommen aus. Aber bei Touren, die hauptsächlich über Autobahn führen, würde ich schon überlegen.“ Auf die Möglichkeit, den Transporter auf der Baustelle zu laden, setzt Volker Kempen nicht: „Dort kann man so ein Fahrzeug eher selten laden. Bei Privatkunden müsste man die Erlaubnis bekommen, Strom vom Kunden zu tanken. Und auf Großbaustellen parkt man oft weit entfernt, Verteilerkästen sind nicht unbedingt am Einsatzort.“

Laden an der Haushaltssteckdose

So hat Volker Kempen den e-NV200 an einer normalen „Haushalts-Steckdose“ zuhause geladen. „Meistens hatte der Nissan noch 100 bis 150 km Rest-Reichweite – die normale Steckdose reichte so aus, um den Akku über Nacht wieder voll zu laden.“ Auch eine öffentliche Ladestation, die ein schnelleres Laden ermöglicht, probierte der Malermeister aus: Die Handhabung mit dem von Nissan zur Verfügung gestellten RFID-Chip von Plugsurfing fand er dabei sehr einfach – die Kostenstrukturen bei den Ladestationen dagegen verwirrend. Denn jeder Anbieter berechnet hierbei andere Preise – zum Glück gibt es in Mönchengladbach Ladestationen der Stadtwerke, wo momentan das Laden kostenlos möglich ist. „Beim Diesel weiß ich, was das Tanken kostet und kann das gut kalkulieren. Beim Elektro-Fahrzeug ist das komplizierter“, so Kempen. Dafür sieht er einen anderen Vorteil: Denn ein Diesel-Transporter muss an den Tankstellen betankt werden, für die das „neuefarbe!“-Team eine entsprechende Tankkarte hat. „Das erfolgt in der Regel in der Arbeitszeit und oft sitzt das gesamte Team im Fahrzeug“, so Volker Kempen. „Da kommt einiges an unproduktiver Arbeitszeit zusammen, die man mit einem Elektro-Fahrzeug einsparen kann, wenn man es über Nacht in der Werkstatt auflädt.“

Gewöhnungsbedürftige Ruhe

Doch wie fährt sich so eine Elektro-Transporter überhaupt? „Gewöhnungsbedürftig“, meint Volker Kempens Mitarbeitern Doreen Strassmann. Aber das im positiven Sinne, wie sie ergänzt: „Die Ruhe ist beeindruckend – kein Motorengeräusch, kein Vibrieren, kein Rappeln. Ansonsten ist es vom Fahren im Vergleich zu einem Automatik-Fahrzeug kein großer Unterschied.“ Aber nicht nur entspanntes Gleiten ist mit dem Nissan möglich: Der Elektromotor leistet 80 kW und ein Drehmoment von 254 Nm. „Diese Leistung liegt direkt an“, zeigt sich Volker Kempen angetan. „Wenn ich mich zwischen Verbrenner und Elektro-Fahrzeug entscheiden müsste, würde ich vom Fahrverhalten her auf jeden Fall den Elektroantrieb vorziehen.“

Wirtschaftlichkeit mit Fragezeichen

Doch als Handwerker muss der Malermeister auch auf die Wirtschaftlichkeit achten. Als Kastenwagen mit mittlerer Ausstattungsvariante kostet der e-NV200 inklusive Batterie immerhin rund 33.000 € (exkl. Mehrwertsteuer). Allerdings gibt es dazu noch 6.000 € staatlichen Umweltbonus, dieser Betrag wird von Nissan aktuell auf insgesamt 9.400 € erhöht. „Damit ist der e-NV200 immer noch deutlich teurer als ein Diesel. Doch ich persönlich finde die Differenz nicht zu groß“, meint Volker Kempen. Zudem dürfte einiges an Wartungskosten eingespart werden. Nissan bietet z.B. einen Wartungsvertrag an, der bei drei Inspektionen 449 € kostet. „Das ist preiswert“, so Kempen. Auch die Garantie hört sich gut an: Fünf Jahre oder 100.000 km auf das Gesamtfahrzeug, sogar acht Jahre oder 160.000 km auf Kapazitätsverlust der Batterie. Aber: „Bei den Strecken, die wir jährlich fahren, reicht die Garantie nicht sehr weit“, so Kempen.

Vor allem den Restwert des Stromers betrachtet Volker Kempen mit Skepsis: „Die Entwicklung bei Elektrofahrzeugen schreitet rasant voran. Wieviel ist denn der Nissan e-NV200 in zwei, drei Jahren wert, wenn das aktuelle Modell dann vielleicht schon eine Standard-Reichweite von 500 km hat?“ Er befürchtet einen hohen Wertverlust – höher als bei seinen Diesel-Transportern.

Davon abgesehen ist das Fazit des Tests von Volker Kempen und seinem Team positiv: „Ich bin den e-NV200 sehr gerne gefahren, er hat viele positive Aspekte. Wenn die Möglichkeit gegeben ist, den Transporter in der Werkstatt zu laden und er vor allem in der Stadt eingesetzt werden kann, kann ich mir vorstellen, einen Elektro-Transporter für meinen Betrieb zu kaufen.“

Im Restwert besser als ein Diesel

Wie wird bei der rasanten Entwicklung in der Akkutechnik der Restwert eines heute gekauften e-NV200 aussehen? Eine wichtige Frage für Volker Kempen bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des e-NV200. Laut Nissan fällt die Restwertprognose bei DAT für den Elektrotransporter nach vier Jahren tatsächlich um drei Prozentpunkte besser aus als für den Diesel. „Diese Vorteile bleiben auch bei einer höheren Laufleistung bestehen“, so Nissan. „Daher ist nach aktuellem Kenntnisstand der Restwert für die Elektro-Variante kein Nachteil für die Wirtschaftlichkeit des Fahrzeuges.“

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