Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel

NIKKI-Zukunftswerkstatt in Niedersachswerfen

Die Kälte- und Klimabranche leidet – wie viele andere Branchen auch – unter einem Fachkräftemangel. Dies gilt in gleicher Weise für Ingenieure, Meister, Techniker, Gesellen und auch für Azubis. Mit welchen Mitteln kann man diesem Fachkräftemangel begegnen und dem Nachwuchs die Kälte- und Klimatechnik als attraktives Arbeitsumfeld schmackhaft machen? Darüber diskutierten Vertreter aus Industrie, Handel, Handwerk und Verbänden am 20. September 2017 im Rahmen der NIKKI-Zukunftswerkstatt in Niedersachswerfen.
 

Es ist eine große Aufgabe für die gesamte Kälte-Klima-Branche, das Thema Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung langfristig anzugehen. Daher hatte der Zentralverband Kälte Klima Wärmepumpen (ZVKKW, www.zvkkw.de) bereits im Oktober 2015 zu einem „Runden Tisch“ eingeladen. Dieser ersten Einladung waren Vertreter der Unternehmen Bitzer, Carrier, Daikin und Güntner gefolgt. Verbindendes Element war die Erfahrung, dass diese Aufgabe im Alleingang und im Zweifelsfall gegeneinander für die Branche langfristig nicht zu lösen ist. Aus diesem „Runden Tisch“ ist mittlerweile „N.I.K.K.I.“ geworden – die „Nachwuchsinitiative Kälte-Klima-Branche“ (www.zukunft-kaelte.de) und es sind die Firmen AHT, Beijer Ref, Cool Italia, Schiessl und Teko als Sponsoren und Mitstreiter hinzugekommen. Im Vergleich zu der großen Anzahl an Firmen, die mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen haben, sind diese neun Firmen jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ohne ein wirklich branchenübergreifendes Miteinander unter Beteiligung aller namhaften Unternehmen aus Industrie, Handel und Handwerk ist kaum zu erwarten, dass aus NIKKI eine echte Erfolgsstory wird.

 

Noch zu wenig Unterstützung

Allzu viele Impulse waren in der Vergangenheit allerdings von NIKKI auch nicht ausgegangen und man darf vermuten, dass daher nur die wenigsten die Nachwuchsinitiative auf dem Radar hatten. Spätestens seit der Zukunftswerkstatt in Niedersachswerfen gilt dieses Argument jedoch nicht mehr. Das Treffen wurde intensiv beworben, sowohl durch den ZVKKW, als auch seitens der Mitgliedsfirmen und der Fachpresse. Die Anzahl der erschienenen Teilnehmer blieb trotzdem leider „überschaubar“ und rekrutierte sich zum Großteil aus Vertretern der bereits aktiven Firmen, Verbände und Schulen. Hierzu mag sicher auch der Veranstaltungsort beigetragen haben. Niedersachswerfen liegt zwar wirklich in der Mitte Deutschlands, ist aber verkehrstechnisch nicht optimal angebunden – zumal wenn man Firmen locken möchte, die, wie in der Kälte-/Klimabranche, zum Großteil in Süddeutschland angesiedelt sind. Als Entschuldigung fürs Fernbleiben darf aber der Tagungsort nicht herhalten. Dafür ist das Thema Fachkräftemangel zu bedeutend für unsere Branche.

Aber auch in kleinerer Runde wurde intensiv diskutiert und es gab etliche Impulse und Ideen, wie man dem Fachkräftemangel begegnen kann. Es ging in erster Linie darum, Konzepte zu entwickeln, um unsere Branche mit all ihren beruflichen Möglichkeiten in der breiten Bevölkerung bekannter zu machen und so langfristig mehr qualifiziertes Fachpersonal zu gewinnen.

 

Von den Bäckern lernen

Für die inhaltliche Einstimmung sorgten ausgesuchte Praxis-Vorträge, bei denen über den Tellerrand der eigenen Branche hinausgeblickt wurde. So präsentierte Mathias Meinke von der Werbegemeinschaft des Bäckerhandwerks die seit 2011 laufende Nachwuchskampagne „Back-Dir-Deine-Zukunft“. Auch die Bäcker haben schon länger mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen und sie gehen das Thema äußerst professionell an. Hierfür nehmen sie auch ordentlich Geld in die Hand. 180.000 Euro im Jahr (2/3 davon von Förderern aus Industrie und Handel, 1/3 aus dem Handwerk) werden in die Nachwuchskampagne investiert. Der Erfolg kann sich durchaus sehen lassen: Immerhin 13 % der derzeitigen Azubis gaben bei einer Umfrage an, dass die Imagekampagne dazu beigetragen habe, sich für das Bäckerhandwerk zu entscheiden. Bausteine der Kampagne sind eine gelungene Website (www.bddz.de) mit ca. 16.000 Zugriffen im Monat, ein permanent aktualisierter Facebook-Auftritt, Youtube-Videos, ein virtuelles Praktikum im Netz, die Vorstellung von Leuchtturm-Projekten und Azubi-Portraits, Messeauftritte auf regionalen Jugendmessen, pädagogische Arbeitsmappen, klassische Werbemittel und nicht zuletzt die grandiose „Bäckerhymne“ (über 100.000 Zugriffe auf Youtube), die Interesse für und Stolz auf den Beruf weckt sowie einer Branche ein persönliches, charmantes und cooles Gesicht gibt – nachahmenswert.

 

Herzlichkeit und Wertschätzung

Mahsa Amoudadashi beeindruckte in ihrem Vortrag „Wie aus Herzlichkeit Qualität wird“ die Zuhörer mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für mehr Wertschätzung von Mitarbeitern in Unternehmen. Die Menschlichkeit der Kollegen und vor allem der Führungskräfte sei oft der wichtigste Grund für einen Mitarbeiter im Unternehmen zu bleiben, führte sie aus. Wer sich als Firmenchef über zu hohe Fluktuation seiner Mitarbeiter beklage, müsse sich oft an die eigene Nase fassen. Mitarbeiter spiegelten in ihrem Verhalten oft das wider, was ihnen ihre Führungskräfte vorlebten. Für die frühere „Herzlichkeitsbeauftragte“ des Hotels Schindlerhof in Nürnberg sind Wertschätzung, Zugehörigkeitsgefühl, Verantwortung, Transparenz und eine gute Fehlerkultur die Erfolgsfaktoren für Unternehmen, die sich über Nachwuchsmangel niemals beklagen werden müssen.

 

Podiumsdiskussion zum Thema Nachwuchsmangel

In einer von KKA-Chefredakteur Christoph Brauneis moderierten Podiumsdiskussion wurden die wichtigsten Themenfelder im Zusammenhang mit dem Nachwuchsmangel angesprochen. Vertreter aus Politik, Steffen-Claudio Lemme (SPD MdB), Bildung, Jörg Peters (ESaK), Handwerk, Martin Rüterbories (Heifo), Industrie, Peter Kugler (Daikin) sowie Karsten Froböse (Bundesagentur für Arbeit, Niedersachswerfen) diskutierten leidenschaftlich mit. Insbesondere die für das Handwerk dringend notwendige Stärkung des dualen Ausbildungssystems kam dabei immer wieder zur Sprache. Über Maßnahmen wie ein Einwanderungsgesetz gegen Fachkräftemangel oder die Erfolgschancen für Quereinsteiger in die Kältebranche wurde genauso gesprochen wie über die (im Vergleich zum Studium) fehlende Attraktivität einer Handwerksausbildung, Gehaltsstrukturen in der Kältebranche, den geringen Frauenanteil und natürlich Möglichkeiten, den Bekanntheitsgrad unserer Branche zu stärken.

 

Kreative Workshops

Die Aussagen der Podiumsdiskussion gaben dabei einige Impulse für die anschließenden Workshops, in denen die Teilnehmer mit jeweils unterschiedlichen Aufgabenstellungen die weiteren Schritte der NIKKI-Initiative besprechen sollten. U.a. ging es um die Rolle von Handwerk, Politik, Bildung und Gesellschaft, die Finanzierung, aber auch um Kommunikationswege und Alleinstellungmerkmale der Branche.

Ein kleiner Auszug aus der Ideensammlung soll aufzeigen, wie vielfältig und komplex die Aufgabenstellung für eine Branche ist, wenn sie sich dem Problem des Fachkräftemangels ernsthaft und erfolgreich stellen will:

Intensivierung der Kontakte zu Schulen vor Ort

Bewerbung von Quereinsteigern aus anderen Branchen und von Studienabbrechern

Online-Börse für Praktika und Ferienjobs

Modifizierung des Berufsabschlusses (Idee: Kältemechatroniker mit hohem und Kältemechaniker mit geringerem Anforderungsprofil)

Informationsmaterial für Arbeitsagenturen schaffen

Finanzierung einer Imagekampagne (Crowd-Funding? Fördertöpfe?)

Imagefilm „Wie sähe es ohne die Kälte aus“

Intensivierung der Social Media-Informationen

Stärkere visuelle Darstellung von erfolgreichen Frauen in der Kältebranche, um auch Schülerinnen zu locken

Patenschaften von Firmen mit Schulen, Studienfahrten

Eigenverantwortung aller Firmen der Branche wecken – vor allem in der Industrie, die im Vergleich zum Handwerk viel zu wenig ausbildet, aber auch Fachkräfte benötigt

Suche nach prominenten Markenbotschaftern

Stärkere finanzielle Unterstützung für alle Ausbildungswege in der Kälte etc.

 

Jetzt gilt es, im Kreise der aktiven NIKKI-Gründer diesen Ideenpool im Detail auszuwerten und Anregungen in ein stimmiges Zukunftskonzept für die Kälte-Klima-Branche zu gießen und allen Bereichen der Branche nahe zu bringen, die sich bisher noch sehr zögerlich verhalten. Denn klar ist natürlich auch, dass die erarbeiteten Ansätze nur funktionieren, wenn eine solide finanzielle Ausstattung dafür vorhanden ist. Alle Branchenteilnehmer sind gefordert, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten materiell und ideell zu beteiligen.

Alle Diskussionen der Zukunftswerkstatt zeigten sehr deutlich: Die Branche ist eine Zukunftsbranche mit besten Aussichten für alle Beteiligten. Diese PS kann die Branche nur auf die Straße bringen, wenn sie den Fachkräftemangel als gemeinsame Aufgabe begreift und die gern zitierte „Kälte-Familie“ auch tatsächlich zusammenrückt und gemeinsam eine strategische Allianz mit breit angelegter Kommunikation unterstützt. Nicht, um eigene Maßnahmen im Kampf um Talente überflüssig zu machen, sondern als kommunikative Ergänzung mit dem Ziel: Auch in Zukunft offene Stellen leichter besetzen zu können.

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