Gutes Klima in Brasilien - Einsatz von klimafreundlichen Kühlschränken

Ein Kühlschrank erleichtert den Alltag. Er hält Lebensmittel frisch, kühlt Milch und Bier und produziert Eiswürfel. In die Jahre gekommen, mutiert so ein Kühlschrank gerne auch zum Energie- und Geldverschwender, zum Umweltferkel und Klimakiller. Dass sich all diese Probleme lösen lassen, zeigt ein PPP-Projekt, das die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH in Brasilien durchgeführt hat.

In Brasilien werden in Zusammenarbeit mit den Energieversorgern alte Kühlschränke gegen energiesparende ausgetauscht. Und mit den dadurch eingesparten CO2-Emissionen können Emissionszertifikate generiert werden. Die dafür nötige, von BSH und GTZ gemeinsam entwickelte Methodologie wurde vom Klimarat der Vereinten Nationen bereits anerkannt.

Aber der Reihe nach. In brasilianischen Haushalten stehen etwa 50 bis 55 Mio. Kühlschränke. Hinzu kommen jene in Restaurants, Hotels, Supermärkten und kleinen Läden. Fast jeder zehnte brasilianische Kühlschrank hat ein geradezu biblisches Alter von 16 und mehr Jahren auf dem Buckel. Viele dieser Geräte verwenden noch umweltschädliche FCKW oder FKW als Kältemittel. Nur die wenigsten Kühlschränke enthalten bisher das klimafreundliche Isobutan.

Außerdem verbraucht so ein fossiles Kühlaggregat 800 und mehr kWh im Jahr; neuere Modelle kommen – Gefrierfach inklusive – hingegen mit 188 kWh aus. Würden 20 Mio. alte Kühlschränke durch neue ersetzt, könnte das Land Kraftwerkskapazitäten von rund 1600 MW – mehr als die Leistung des deutschen Atomkraftwerks Brokdorf – einsparen oder effizienter nutzen.  


Kühles Sparschwein | Hinzu kommt, alte Kühlschränke sind böse Groschenräuber. In armen Haushalten verbrauchen sie nicht selten 70 % des gesamten Stroms. Ihre Besitzer können sich jedoch keinen neuen Kühlschrank leisten. Diese Not hat die brasilianische Regierung dazu bewogen, ihrem Gesetz für Energieeffizienz eine soziale Komponente zu geben. Seit 1999 müssen die Stromversorgungsunternehmen ein halbes Prozent ihres Umsatzes in Energieeffizienz investieren; 50 % davon muss armen Menschen zu Gute kommen. Deshalb verteilen die Unternehmen nicht mehr nur Energiesparlampen, sondern auch Kühlschränke – zum Beispiel der Energieversorger Coelba in Salvador de Bahia.

In der Stadt im Nordosten Brasiliens, die Touristen mit einem Dreiklang aus Samba, Sand und Sonne lockt, lebt Maria Feles in einer der vielen Favelas der Stadt. Mit ihrer siebenjährigen Tochter und ihrem Mann wohnt die Familie in zwei winzigen Zimmern. Zum Urlauberparadies sind es von hier nur wenige Kilometer und doch trennen beide Orte Welten. Reguläre Arbeit hat hier kaum jemand. Ihr Mann verdient als Schlosser nur den Mindestlohn, die 45-Jährige mit Putzen ein paar Reales hinzu. Zusammen haben sie 570 Reales, rund 230 Euro. Bisher war die Stromrechnung ein Schlag ins Kontor, sagt Maria Feles leise: „Früher haben wir ein Viertel unseres Einkommens für Strom ausgegeben, heute sind es nur noch 10 %.“ Stolz kramt sie erst ihre Stromrechnungen hervor, um dann in die Küche zu führen. Da steht ihr funkelnagelneues Sparschwein. Sie hat es 2008 kostenlos von ihrem Stromversorger bekommen – einen Kühlschrank samt Gefrierfach von der BSH. Der halbiert ihren Stromverbrauch.

Aus eigner Kraft hätte sie sich diesen Kühlschrank nicht leisten können. Die meisten Modelle des deutschen Herstellers zielen auf die Mittel- und Oberschicht. Über die Austauschprogramme von Energieversorgern wie Coelba konnte vor allem die BSH zusätzliche Kunden gewinnen. Das Potential ist riesig. Mehr als 2,3 Mio. Geringverdiener hat allein die Coelba-Mitarbeiterin Ana Christina Mascarenhas in ihrer Kartei. Sie ist zuständig für Energieeffizienz und war die erste, die das soziale Potential von Kühlschränken erkannte. Seitdem kauft sie Kühlschränke en gros – mal 5000, mal 20 000. Der Preis ist dabei nachrangig. „Für uns ist wichtig, dass die alten Kühlschränke fachgerecht entsorgt werden, die neuen mit sehr wenig Energie auskommen und als Kühlmittel nur noch Isobutan verwenden.“


Umweltpolitik zahlt sich aus | Kriterien, die sich für die BSH als Vorteil erwiesen. Schließlich waren sie lange der einzige Hersteller in Brasilien, der Isobutan-Kühlschränke angeboten hat. Die Umweltpolitik des Konzerns rechnete sich: Sechs von zehn der von brasilianischen Energieversorgern ausgetauschten Kühlschränke sind seit 2006 allein aus den Werkshallen der BSH in Brasilien gekommen, seit 2006 mehr als 80 000 Stück. Den Austausch von alten Kühlschränken wollte die BSH-Zentrale in München zusätzlich für die Beantragung von Emissionszertifikaten im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) der Vereinten Nationen nutzen. Der Clean Development Mechanism wurde im Kyoto-Protokoll verankert. Er sieht vor, dass Industrieländer ihren internationalen Verpflichtungen zur Senkung ihres CO2-Ausstoßes auch durch Investitionen in Entwicklungsländern und damit zu sehr viel geringeren Kosten nachkommen können. Solche Investitionen ermöglichen durch den damit verbundenen Technologietransfer eine ökologisch nachhaltige Entwicklung. Bevor Emissionsreduktionen jedoch geltend gemacht werden können, muss ein CDM-Projekt registriert, genehmigt und beglaubigt werden. Dazu ist eine Methodologie erforderlich, mit der die Einsparung von klimarelevanten Gasen auch bewiesen werden kann.

„Eine solche zu entwickeln, ist ein kompliziertes Verfahren, weil zahlreiche Variablen berücksichtigt werden müssen. Unterschiedliche Rahmenbedingungen in einzelnen Ländern machen die Erarbeitung einer anerkannten CDM-Methodologie jedoch kompliziert, weil sie eine Vielzahl örtlich unterschiedlicher Parameter berücksichtigen und trotzdem weltweit gültig, transparent und vor allem betrugssicher sein muss“, erklärt Thomas Grammig, für die GTZ tätiger CDM-Experte. Die BSH wandte sich deshalb an die GTZ, die mit CDM-Projekten bereits erste Erfahrungen gesammelt hatte. Beide Unternehmen schlossen eine Public Private Partnership (PPP) mit dem Ziel, „im Rahmen der CDM-Methodologie möglichst viele Emissionszertifikate pro ausgetauschtem Kühlschrank zu generieren“, sagt Thomas Grammig. BSH und GTZ entwickelten eine Methodologie, die vom Klimarat in Rekordzeit anerkannt wurde.


Hohe CO2-Einsparungen | Wie viel ein Kühlschrank tatsächlich an CO2 ein­spart, hängt vom Energiemix des Landes ab, in dem das Hausgerät eingesetzt wird. In Brasilien, das Strom vor allem durch Wasserkraft produziert, liegt die Ersparnis bei 250 bis 350 Kilogramm CO2 pro Jahr und Gerät. Demnach können durch den Austausch eines Kühlschranks rund um den Globus innerhalb von zehn Jahren zwischen 2,5 und 3,5 Tonnen CO2 eingespart werden. Je nach Börsenpreis der damit generierten Emissionszertifikate – die Tonne CO2 brachte schon 25 Euro – können Hersteller also rund 75 Euro erwirtschaften, nach Abzug der Kosten mithin ein Achtel oder gar ein Viertel des Kaufpreises eines Kühlschranks.

Dieser ökonomische Vorteil birgt auch großen ökologischen Nutzen. Denn das Vorpreschen einzelner Hersteller bei den Umweltstandards setzt alle Kühlschrankhersteller unter Druck. Sie werden, so die Annahme, künftig vermehrt Kühlschranke auf Isobutan-Basis betreiben. „Je schneller FCKW- und FKW-Kühlschränke verschwinden, desto besser ist dies für das Klima“, sagt Volkmar Hasse, Leiter des überregionalen Beratungsprogramms ProKlima, das die GTZ im Auftrag des BMZ unterstützt.


Recycling meist von Hand | Allerdings fehlt es an modernen Entsorgungs-Kapazitäten. Bislang werden die Kühlschränke von Hand recycelt. Deshalb fördert das deutsche Bundesumweltministerium im Rahmen seiner Klimaschutzinitiative über die GTZ ein modernes Rücknahmesystem, einschließlich der ersten vollautomatischen Recyclinganlage in Lateinamerika. In ihr können bis zu 400 000 Kühlschränke vollständig recycelt, das Austreten von FCKW und FKW verhindert werden.

Die öffentliche Ausschreibung für die Auswahl eines einheimischen privaten Betreibers wurde ebenfalls von der GTZ durchgeführt. So können sich die Einsparung aus der Energieeffizienzsteigerung und dem Recycling gegenseitig ergänzen.

Davon profitieren Umwelt und Klima, vor allem aber auch die sozial benachteiligten Menschen in den brasilianischen Favelas. Jeder ausgetauschte Kühlschrank kann die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern. Bisher zapfen viele Favela-Bewohner den Strom illegal an, weil sie eine Stromrechnung nicht bezahlen können. Das ist zwar billiger, aber auch sehr gefährlich. „Die abenteuerlichen Anschlüsse führen immer wieder zu Kurzschlüssen. Deshalb brennen in den Favelas auch mehr Häuser ab als anderswo“, sagt Henrique Costa von der Stromgesellschaft CEMIG in Bela Horizonte. Mit Hilfe eines effizienten Kühlschranks könne sich fast jede Familie eine Stromrechnung leisten, so Costa.

Diese hat in Brasilien noch einen entscheidenden Vorteil. Wer sie im Supermarkt oder auf der Tankstelle zückt, in einer Bank oder bei einem Geldleiher vorweist, darf anschreiben oder sich Geld leihen. Was in Deutschland der Personalausweis, das ist in Brasilien die Stromrechnung, erklärt Henrique Costa: „Erst durch eine Stromrechnung wird man in Brasilien zum offiziellen Bürger.“ Da sage noch einer, Kühlschränke seien nur zum Kühlen da.

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