Kühlen und Beheizen von Elektro- und Hybridfahrzeugen

Fahrzeugklima-Symposium des TWK

Am 22. März 2018 fand im Akademiehotel in Karlsruhe das 15. Fahrzeugklima-Symposium der TWK GmbH statt, diesmal zum Thema „Kühlen und Beheizen von Elektro- und Hybridfahrzeugen“. In den Vorträgen wurden aktuelle Untersuchungen und spannende Ergebnisse zur Klimatisierung von Elektrofahrzeugen vorgestellt. Dabei wurde eines klar: In den letzten Jahren sind vielversprechende Ansätze zur Lösung des Konflikts Reichweite versus Klimatisierung entwickelt worden.

Bei dem 15. Fahrzeugklima-Symposium der TWK GmbH stellten zehn Referenten neue Lösungsansätze zur effektiven Klimatisierung von Elektrofahrzeugen vor, die zugleich möglichst wenige Einbußen in der Reichweite bedeuten. Denn nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes für Januar 2018 machen Elektro- und Hybridfahrzeuge weniger als ein Prozent aller Fahrzeuge aus – und das trotz Wachstumsraten von 108,9 % bei Elektrofahrzeugen und 95,0 % bei Hybridfahrzeugen. Einer der Hauptgründe ist die Reichweitenproblematik der Fahrzeuge.

 

Mehr Reichweite durch angepasste Temperaturen

Ein Lösungsansatz hierfür ist das sogenannte Thermomanagement, das den Wärmehaushalt eines Fahrzeugs unter Berücksichtigung des Innenraumkomforts und der Kühlung und Beheizung aller Komponenten optimiert. Zentraler Punkt hierbei ist es, die „Behaglichkeit“ zu garantieren – sowohl der Fahrzeuginsassen als auch der elektrischen Komponenten und insbesondere der Batterie. Ähnlich wie der Mensch benötigen diese Bauteile nämlich eine „behagliche Wohlfühlatmosphäre“, um effektiv und lange zu arbeiten. Große Herausforderung hierbei ist, dass die notwendigen Temperaturbereiche ebenso zahlreich sind wie die Komponenten. So bevorzugen zum Beispiel Ladegeräte und Leistungselektronik Temperaturen von 50 bis 60 °C, Batterien hingegen arbeiten bei Temperaturen von 20 bis 30 °C am effektivsten. Um diesem Umstand gerecht zu werden, ist die TKI Automotive GmbH zu einer funktionsorientierten Systementwicklung übergegangen. TKI ist es gelungen, Thermomanagement, Komfortelektronik und Innenraumklimatisierung in einem virtuellen Modell abzubilden. Dieses kann einerseits zur Validierung genutzt werden, andererseits ermöglicht es die Anpassung an individuelle Anforderungen.

Mehr Reichweite durch die Anpassung an individuelle Anforderungen über ein ganzheitliches Thermomanagement propagiert auch das Virtual Vehicle Research Center, Graz. Basierend auf einer R744-Kälteanlage mit Wärmepumpenfunktion wird über einen Sekundärkreis und die Einbindung aller Wärmequellen und -senken eine Konditionierung der elektrischen Komponenten sowie effektives Kühlen, Heizen und Entfeuchten ermöglicht.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die DENSO Automotive Deutschland GmbH mit einer kompakten Wärmepumpe und einem ganzheitlichen Thermomanagement. Bereits 30 % Reichweitenverlängerung im Heizbetrieb sind mit der „Eco³“ (Electric Compact Coolant Conditioner) – einer mit R290 betriebenen Wasser/Wasser-Wärmepumpe – erzielbar. Bei einer Füllmenge unter 150 Gramm bringt diese auf der Grundfläche einer DIN A4 Seite 6 kW (35 °C) Kälteleistung und 5,8 kW (-20 °C) Heizleistung. Damit ist bewiesen, dass ein komplexes System auch auf kleinem Raum darstellbar ist.

Vereinfachung war auch das Leitmotiv von Rheinmetall Automotive bei der Entwicklung eines Thermomoduls zur Reichweitenverlängerung. Um jedes Fahrzeug mit einem individuellen Thermomanagement ausstatten zu können, wurde ein standardisiertes Thermomanagementsystem mit einem an jede Anwendung anpassbaren Kühlmittelkreislauf auf Wasser/Glykol-Basis kombiniert. Das Ergebnis: Eine Plug & Play-Lösung, die bereits in elektrifizierten Baggern und Kleinbussen zum Einsatz kommt.

 

Diven, Dinosaurier und mehr

Eine hohe Praxistauglichkeit lassen auch die an der University of Illinois at Urbana-Champaign entwickelten umschaltbaren Klimaanlagen und Wärmepumpen-Systeme für den Einsatz im Fahrzeug erwarten. Untersuchungen zeigten, dass diese insbesondere bei Verwendung sogenannter Wide Glide Blends und einer Konditionierung der Batterie zwischen 15 und 35 °C vorteilhaft sind.

Der „Divenhaftigkeit“ von Batterien in punkto Temperaturmanagement begegnet Gentherm mit einer Kühlung mittels Peltierelementen. Direkt als Kühlplatte auf eine 48 V-Batterie aufgesetzt, ermöglichen die Peltierelemente eine schnelle und homogene Kühlung (Beheizung) und damit eine Erhöhung der Lebensdauer und der Leistung durch angepasste Temperaturen. Dass das Kühlen von Batterien mit Peltierelementen als echte Alternative zur konventionellen Kühlung akzeptiert wird, zeigt die Tatsache, dass das System bereits ab 2018 in Serie geht.

Noch nicht in Serie, aber auf einem guten Weg, ist auch die am Institut für Fahrzeugkonzepte, DLR, entwickelte kältemittelbasierte Direkttemperierung von Batteriesystemen zur Schnellladung. Da eine Halbierung der Ladezeit viermal so viel Wärme bedeutet, ist deren effektive Abfuhr von extremer Wichtigkeit, damit die Batterie nicht zu heiß wird. Als gute Lösung für die Anwendung bei sogenannten 4C-Ladungen, das heißt einer Vollladung innerhalb von 15 Minuten, zeigte sich dabei die Integration einer Kühlstruktur in die Stromableiter der Batterie.

Nicht zur Kühlung, sondern zur Schmierung dienen die von Christian Puhl, Fuchs Schmierstoff GmbH, liebevoll bezeichneten „Dinosaurier“. Besser bekannt als synthetische Kältemaschinenöle müssen sie seit vielen Jahren zahlreiche Eigenschaften, wie beispielweise eine gute Schmierfähigkeit und einen niedrigen Wassergehalt, aufweisen. Um der Elektromobilität gerecht zu werden, ist zudem eine gute Isolationswirkung wichtig. Die Hausaufgaben wurden gemacht: Neuentwickelte PAG- und POE-Öle eignen sich für die Nutzung in Elektrofahrzeugen und sind auch bei den immer mehr kommenden Kältemitteln R1234yf und CO2 verwendbar.

Zum Transport von beispielsweise R1234yf könnten die von EATON entwickelten Kunststoff-Klimaleitungen verwendet werden. Diese polyamidbasierten PACCS (Polymer Air Conditioning Conveyance Systems) wurden als Ersatz für traditionelle Leitungen entwickelt, um Gewicht einzusparen und zugleich die Effizienz zu steigern. Mit einer zehnfachen Gasdichtheit, 40 % weniger Komponenten und damit einer reduzierten Montagezeit bewiesen sich die PACCS in einer 2,5-jährigen Probephase als gute Alternative zu herkömmlichen Leitungen.

 

Die Zukunft kann kommen

Egal, ob weniger Gewicht, mehr Effizienz, angepasste Temperaturen oder Thermomanagement, die Referenten des Symposiums zeigten auf eindrucksvolle Weise, dass die Herausforderungen der Klimatisierung von Elektrofahrzeugen erkannt wurden und es bereits verschiedenste vielversprechende Lösungsansätze gibt, um diese zu meistern. Damit scheint eines klar: Die Elektromobilität ist nicht mehr aufzuhalten und eine Klimatisierung ohne große Reichweiteneinbuße ist möglich.

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