Luft gut – alles gut?

Indoor Life Quality in der TGA

90 % unserer Zeit verbringen wir in geschlossenen Räumen. Auch durch diese Tatsache wird deutlich, wie wichtig eine gute Raumluftqualität (IAQ – Indoor Air Quality) und ausreichende Luftversorgung ist. Dabei stehen die positiven Auswirkungen guter Raumluftqualität außer Frage. Gesunde Luft führt zu mehr Behaglichkeit, höherem Leistungsvermögen und dadurch zu weniger Infektionen und allergischen Reaktionen durch luftgetragene Keime und Partikel, womit langfristig auch eine Reduzierung der Krankheitstage einhergeht.  

Hitzewellen, verdorrte Felder, immense Ernteeinbußen. Der  Sommer sorgt für reichlich Diskussionsstoff. Ist das, was wir 2018 erlebt haben, nun der Klimawandel? Oder vielleicht auch nur ein ganz einfaches Wetterphänomen? Eine Frage, die nicht nur die breite Öffentlichkeit beschäftigt, sondern ebenso die Wissenschaft. „Attribution science“ (die Wissenschaft von der Zuordnung) heißt ein völlig neuer Zweig, der ebensolchen Fragen nachgeht. Attributionsforscher fragen sich, ob solche Phänomene nun bereits den Klimawandel bestätigen oder ob ein Wetterereignis auch in einer Welt ohne globale Erwärmung aufgetreten sein könnte. So rechneten Forscher aus Oxford Ende Juli für mehrere Orte Nordeuropas aus, dass die Hitzespitzen dieses Sommers durch die globale Erwärmung mehr als doppelt so wahrscheinlich geworden sind.

Wohlfühlklima: Mehr als kalte Luft!

Mit anderen Worten: Wir werden uns zukünftig auf weitere extreme Wetterlagen einstellen müssen. Trotzdem müssen wir tagsüber arbeiten und wünschen uns nachts einen erholsamen Schlaf. Beides ist bei hohen Temperaturen jedoch für viele von uns schlichtweg unmöglich. Nicht verwunderlich also, dass der Absatz von Klimageräten 2018 Rekordhöhen erreicht hat. In den ersten sechs Monaten wurden 74.300 Ventilatoren und Raumklimageräte verkauft, teilte der Bundesverband Technik des Einzelhandels (BVT) in Köln mit. Das war mehr als dreimal so viel wie im ersten Halbjahr 2015. Die Juli-Absätze sind darin noch nicht enthalten. Die Absatzzahlen umfassen alle Elektrogeräte, die irgendwie Kühlung verschaffen – vom schlichten Tischventilator bis zum Monoblock-Klimagerät.

Für den „Hausgebrauch“ scheint das zunächst ausreichend zu sein. Aber solche Geräte kühlen nur und sind weit entfernt von einem zufriedenstellenden Wohlfühlklima, geschweige denn von einer energetisch sinnvollen Lösung. Für Großraumbüros, Schulen, Krankenhäuser, Hotels etc. sind professionelle Geräte gefragt, die nicht nur temperieren, sondern auch andere Parameter wie Luftqualität, Luftfeuchte usw. überwachen und steuern können. Diese Geräte arbeiten dabei jederzeit energieeffizient und vor allem bedarfsgerecht.

Gerade in diesem Bereich besteht großer Handlungsbedarf und entsprechend hoch sind auch die Anforderungen, wie die erste Grafik zeigt. Der Klimawandel und die damit verbundenen Veränderungen haben zwar nur mittelmäßigen Einfluss auf die Erzeugung von Elektrizität, jedoch einen sehr großen Einfluss auf den Energiebedarf für die Klimatisierung und Kühlung von Gebäuden.

Indoor Air Quality

In unserer industrialisierten Welt benötigen wir ein behagliches Arbeitsumfeld mit reibungslos funktionierenden technischen Einrichtungen. Ebenso wichtig, trotzdem aber bis heute ein Stiefkind in der öffentlichen Wahrnehmung, ist die Qualität der Raumluft. Wie wichtig dieses Thema ist, unterstreichen Erhebungen der WHO. Weltweit zunehmende Emissionen umwelt- und gesundheitsschädlicher Schadstoffe belasten immer stärker unsere Atemluft. In Folge dessen sterben rund 8 Mio. Menschen jährlich vorzeitig durch die Folgen erhöhter Feinstaubbelastung; über 4 Mio. davon aufgrund kontaminierter Raumluft mit Staub und anderen Partikeln wie Pollen, Pilz- und Farn-Sporen sowie gasförmigen Verunreinigungen.

Innovative Raumluftsysteme

Aus Energieeffizienzgründen werden Gebäudehüllen immer dichter, da so ungewollte Lüftungswärmeverluste vermieden werden können. Deshalb ist der Einsatz innovativer raumlufttechnischer Anlagen im Nichtwohn- aber auch im Wohnbau unumgänglich. Ein weiterer Aspekt: die an vielen Orten dieser Welt hohe Feinstaubbelastung der Außenluft. Es ist nicht, wie man glaubt, der Sauerstoffmangel, der zu Ermüdungserscheinungen führt, sondern die hohe Belastung der Luft mit Partikeln und vielen chemischen Substanzen. Über eine raumlufttechnische Anlage wird die belastete Außenluft gefiltert und es wird zuverlässig für ausreichenden Luftaustausch in Gebäuden gesorgt. Mittlerweile ist man sich über den Nutzen raumlufttechnischer Anlagen auch bei den gesetzgebenden Gremien im Klaren und will auch das öffentliche Bewusstsein darüber stärken. Im Oktober 2017 wurde der Vorschlag des Komitees ITRE (Industrie, Forschung und Energie) zur Neufassung der Gebäudeenergierichtlinie EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) im Europäischen Parlaments beraten. Neben der Energieeffizienz werden durch die EPBD hohe Anforderungen an die Raumluftqualität gestellt.

Leistungsfördernde Luftqualität

Wie wichtig gute Raumluftqualität ist, ist schon lange bekannt. Dabei rückten vor allem Schulen in den Fokus der Forscher. Als Pionier der IAQ gilt der bayerische Chemiker Max Pettenkofer. Er hat bereits im 19. Jahrhundert in mehreren Versuchen den Kohlendioxidgehalt der Luft in Schulen gemessen und mit dem Geruchs­eindruck der Raumnutzer verglichen. Nach ihm ist der Pettenkofer-Wert von 1.000 ppm Kohlendioxidgehalt benannt.

Erstaunlich auch, dass bereits 1884 auf Pettenkofers Einfluss hin im Paragraphen 9 eines schulamtlichen Erlasses der königlichen oberpfälzischen Regierung verfügt wurde, dass „zur Erzielung der notwendigen Lufterneuerung Ventilationskamine herzustellen sind. Diese müssen zwei Öffnungen haben: die eine zunächst dem Fußboden, die andere zunächst der Decke.“ Wenn man so will, war dies die Geburtsstunde der Lüftungssysteme in Schulen.

Das Forschungsteam von Prof. Geo Clausens an der DTU Dänemark hat an rund 1.300 Schulen Untersuchungen durchgeführt. Die Forscher haben festgestellt, dass die Belastungsgrenze von 1.000 ppm CO2 in über 50 % der Schulen überschritten wurde. In seinem Vortrag am Symposium der Trox-Stiftung bei der Eröffnung der neuen  Forschungslaborhalle bei der RWTH Aachen erklärte er die Notwendigkeit eines radikalen Umdenkens.

Weitere  Wissenschaftler, wie der dänische Professor Pavel Wargocki, haben die Aussagen Pettenkofers bestätigt. Wargocki hat festgestellt, dass die Raumluftqualität die schulischen Leistungen maßgeblich beeinflusst. Messungen in zwei vergleichbaren Klassenräumen ergaben, dass bei Verdopplung der Außenluftrate die Geschwindigkeit, mit der Rechenaufgaben gelöst wurden, durchschnittlich um bis zu 14 % gestiegen ist. Nach aktuellem Wissensstand besteht damit keinerlei Zweifel mehr, dass sich dank einer besseren Raumluftqualität Leistungsvermögen und Wohlbefinden steigern lassen. Aufgrund der Erkenntnisse von Wargocki schreiben dänische Baurichtlinien mittlerweile eine gesetzliche Mindest-Lüftungsrate vor. Das bedeutet für die Praxis, dass bei Neubau oder Renovierung einer Schule in der Regel maschinelle Lüftungsanlagen eingebaut werden.

Raumluftqualität: Nutzen höher als die Kosten

Das gilt natürlich nicht nur für Schulen. Laut Wargocki steigert eine gute Indoor Air Quality auch in Bürogebäuden die Produktivität der Beschäftigten und ihre Zufriedenheit. Das führt langfristig zu mehr Effizienz. Der volkswirtschaftliche Effekt ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, weil das teuerste Gut eines Bürogebäudes die Menschen sind, die darin arbeiten.

Erwiesenermaßen, so der Wissenschaftler, führt eine höhere Luftwechselrate zu geringeren Fehlzeiten der Arbeitnehmer und hat damit einen jährlichen volkswirtschaftlichen Nutzen von rund 300 Euro pro Person. Vermeintlich hohe Energiekosten für den Betrieb einer raumlufttechnischen Anlage sind dabei keinesfalls ein stichhaltiges Gegenargument. Sie belaufen sich bei einer effizienten Anlage pro Person auf weniger als 1 % der Kosten eines Arbeitsplatzes. Dank höherer Leistung und weniger Fehlzeiten lässt sich der ökonomische Zugewinn also deutlich höher beziffern.

Als einer der ersten hat der Amerikaner Fisk (William J. Fisk, “Health and Productivity Gains from Better Indoor Environments”) den volkswirtschaftlichen Nutzen guter Raumluft nachgewiesen und versucht, die Auswirkungen guter Raumluft zu beziffern:

Reduzierung des Sick-Building-Syndroms um 20 % bis 50 % und dadurch Einsparungen in Höhe von 10 bis 100 Mrd. US-$

8 % bis 25 % weniger Asthmaerkrankungen und damit volkswirtschaftliche Auswirkungen in Höhe von 1 bis 4 Mrd. US-$

Rückgang der Erkrankungen der Atemwege um 23 % bis 76 % und damit Einsparungen in Höhe von 6 bis 14 Mrd. US-$

Produktivitätssteigerung der Bürotätigen um 0,5 % bis 5 %, ein Zugewinn von 20 bis 200 Mrd. US-$

Effizientes Energiemanagement

Neben der Effektivität einer raumlufttechnischen Anlage ist die Energieeffizienz ein weiterer wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor, denn in einem effizienten Energiemanagement stecken ungeahnte Einsparpotenziale. Dank der Sensorik einer raumlufttechnischen Anlage werden Verbräuche und andere Indikatoren ständig gemessen, wie z. B. Raumbelegung, Luftbelastung und der Anlagendruck. Sie geben jederzeit Aufschluss über die Betriebszustände der technischen Anlagenkomponenten. Treten Störfälle auf, kann das System umgehend reagieren. So können z. B. Filtermedien rechtzeitig ausgetauscht werden, wenn Druckverluste signalisiert werden oder Ventilatoren werden vorausschauend und gezielt gewartet.

Bedarfsorientierte Lüftung

In Deutschland sind rund 500.000 raumlufttechnische Anlagen in Betrieb. Dies ist gleichbedeutend mit einem jährlichen Stromverbrauch von etwa 21 TWh für die Lüftung und Klimatisierung von Gebäuden. Doch bis heute arbeiten viele dieser Anlagen immer noch nicht bedarfsorientiert.

Dabei machen eine intelligente Vernetzung der Komponenten des Lüftungssystems und ein modernes Regelsystem eine bedarfsgerechte und vor allem energieeffiziente Versorgung möglich. Ob Raumtemperatur oder Volumenstrom: Das Regelsystem versorgt ein Gebäude in Abhängigkeit der erhaltenen Informationen, die von den Sensoren im Zusammenspiel mit den Volumenstromreglern mit exakt den Luftmengen gemeldet werden, die man benötigt.

Eine Nachrüstung alter Anlagen, um eine Bedarfslüftung zu ermöglichen, hätte immense Energieeinsparpotenziale zur Folge, wie aus den Resultaten eines IEA-Projekts (Annex 18 „Bedarfsgeregelte Lüftung“) hervorgeht.

Großraumbüros: 3– 30 %                                

Foyers, Schalter-, Kassenhallen: 20 – 60 %

Messehallen, Sporthallen: 40 – 70 %

Versammlungsstätten, Konferenzräume, Kinos: 20 – 60 %

Restaurants, Kantinen: 30 – 70 %

Dank neuer Möglichkeiten vorhandene Elemente des Luftverteilsystems zu nutzen, um Kommunikationssysteme nachträglich einzusetzen, lassen sich ältere Lüftungsanlagen nachrüsten. So kann durch Optimierung der Ventilatorregelung in Lüftungsgeräten und durch eine bedarfsorientierte Lüftung ein nennenswertes Potential erschlossen werden, um elektrische Energie einzusparen.

Fazit: Saubere und frische Luft ist Lebensqualität

Heutzutage sind noch immer die meisten Geschäftsmodelle auf das Schnittstellenmanagement der TGA ausgelegt. Nicht zuletzt durch die Digitalisierung und die damit einhergehende BIM-Thematik lösen sich diese Strategien jedoch mehr und mehr auf. Erst die Beherrschung der Gesamtanlagen mit dem einhergehenden Gesamtprozess wie u. a. Planungen, Ausschreibungen, Logistik, Baustellenmanagement und der anschließenden Instandhaltung bringen entscheidende Qualitäts-, Effizienz- und Kostenvorteile.

Ob zukünftig eine Komponente im Gesamtkontext preiswerter beschafft werden kann, ist nicht mehr relevant. Vielmehr ist es wichtig, dass die Komponente qualitativ hochwertig, mit hoher Laufzeit innerhalb eines Systems optimal aufeinander abgestimmt ist. Die Regeltechnik bildet die Klammer für diese „Subsysteme“ und kann ohne Schwierigkeiten an eine Gebäudeleittechnik (GLT) angebunden werden.

Nur so ist es möglich, eine energieoptimierte Bedarfslüftung zur Steigerung der Lebensqualität in moderne Gebäude- und Infrastrukturprojekte einzubauen. Schluss­endlich sind alle am Bau produktübergreifend beteiligten Personen verantwortlich für die Funktion und das Image der TGA – gerade auch aufgrund der Tatsache, dass diese Anlagen aufgrund des Klimawandels und der zu erwartenden weiteren Wetterphänomene immer wichtiger werden.

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