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Betreiberverantwortung in Deutschland und der Schweiz

Vorschriften zu Bau und Betrieb einer Kälteanlage sind gesetzlich festgeschrieben – ebenso die Frage, welche Kältemittel wie zu entsorgen sind. Doch gerade die Vielzahl an Regelwerken auf europäischer, nationaler und Länderebene erschwert es Betreibern oftmals, wesentliche Aspekte im Auge zu behalten: Wer trägt die Verantwortung für Kälteanlagen und welche regelmäßigen Kontrollen sind für deren zuverlässigen Betrieb erforderlich? Was Sie in punkto Anlagensicherheit beachten müssen, erklären Mitglieder von eurammon: Raymond Burri, Geschäftsleiter Walter Wettstein AG, und Rainer Brinkmann, Technischer Support Industriekältetechnik bei Johnson Controls.

Beim Thema Betreiberverantwortung herrscht bei vielen immer noch Unklarheit. Wer genau ist per Gesetz Betreiber und ab wann verantwortet er den Anlagenbetrieb?

Rainer Brinkmann: Grundsätzlich ist der Eigentümer der Betreiber. Was viele oft nicht wissen: Bei dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme bestehen rechtliche Unterschiede. Während für die Erstinbetriebnahme im Laufe des Herstellungsprozesses der Anlagenbauer noch verantwortlich ist, ist der Betreiber bei Inbetriebnahme nach Übergabe bzw. dem Gefahrenübergang während der Probebetriebsphase schon alleine in der Pflicht. Bei Übergabe der Anlage obliegt dem Betreiber auch eine Gefährdungsbeurteilung nach § 3 der Betriebssicherheitsverordnung, aus der ggfs. Maßnahmen für die betriebliche Sicherheit abzuleiten sind.

Was besagt die Gesetzeslage in Ihrem Land und was müssen Betreiber beachten?

Raymond Burri: In der Schweiz definiert die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV), welche Kältemittel bei welcher Nutzung und Kälteleistung anzuwenden sind. Für natürliche Kältemittel gilt: Ab einer Füllmenge von über 3 kg ist der Betreiber verpflichtet, ein stets aktuelles Anlagenprotokoll zu führen. Außerdem sind mindestens einmal jährlich vorbeugende Instandhaltungsmaßnahmen vorgesehen, die auch im Anlagenprotokoll dokumentiert werden müssen. Hierzu gehören ein Dichtheitstest und die Kontrolle von Alarm­einrichtungen, mechanischer Lüftung, Detektoren und der persönlichen Schutz­ausrüstung. Weiter ist die jährliche Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen Pflicht.

Rainer Brinkmann: In Deutschland ist der Betreiber gesetzlich verpflichtet, sich bestimmte Kälteanlagen behördlich genehmigen zu lassen. Dies bedeutet auch, Auflagen für Errichtung, Inbetriebnahme und wiederkehrende Prüfungen zu erfüllen. Insgesamt ist die Gesetzeslage allerdings recht kompliziert, denn neben EU-Richtlinien und nationalen Gesetzen für den Bau und die Beschaffenheit gelten länderspezifische Vorgaben für den Betrieb, die Unternehmen oft nicht kennen.

Welche sind die zentralen Vorschriften in Deutschland, die jeder Betreiber kennen sollte?

Rainer Brinkmann: Das hängt immer von mehreren Faktoren ab, wie etwa vom Anlagentyp oder dem verwendeten Kältemittel. So müssen Anlagen mit Kältemitteln, die besondere Sicherheitsvorkehrungen erfordern, oft vorab genehmigt und später regelmäßig überwacht, gewartet und geprüft werden. Für Deutschland gibt es jedoch einige zentrale Gesetze und Verordnungen, die jeder Betreiber kennen sollte, wie etwa das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), die Betriebssicherheitsverordnung und die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS).

Herr Brinkmann, können Sie einige ganz konkrete, betreiberrelevante Beispiele zu diesen Vorschriften nennen?

Rainer Brinkmann: Das BImSchG wird beispielsweise für Betreiber von genehmigungsbedürftigen Anlagen mit einer Ammoniak-Füllmenge von mehr als 3000 kg wichtig: Es besagt, dass die zuständige Genehmigungsbehörde für diese Anlagen wiederkehrende sicherheitstechnische Prüfungen durch einen Sachverständigen anordnen kann. Zweites Beispiel: Aus dem Bereich Arbeitsschutz sind für Betreiber neben dem Arbeitsschutzgesetz und der Gefahrstoffverordnung, die Betriebssicherheitsverordnung und die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) relevant. Zu beachten sind auch die Berufsgenossenschaftlichen Regeln (BGR) zur Unfallverhütung, die Maßnahmen zur Erfüllung unverzichtbarer Schutzziele aufzeigen. So schreibt etwa BGR 500 Kap. 2.35 „Betreiben von Kälteanlagen und Wärmepumpen“ regelmäßige sicherheitstechnische Unterweisungen für die Beschäftigten vor.

Können Betreiber Verantwortung an Dritte abgeben und wer haftet dann im Schadensfall?

Raymond Burri: Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland ist es üblich, dass Betreiber Dritte damit beauftragen, die Anlage in regelmäßigen zeitlichen Intervallen instand zu halten. In der Regel sind dies die Anlagenbauer. Sollte sich herausstellen, dass angewiesene Instandhaltungsarbeiten trotz vollumfänglichem Auftrag nicht korrekt ausgeführt wurden, ist es möglich, das beauftragte Unternehmen in Regress zu nehmen. Nichtsdestotrotz gilt: Der Betreiber bleibt gegenüber dem Gesetz in der Pflicht und hierzu gehört es auch, im Schadensfall die Konsequenzen zu tragen.

Also sind Betreiber stets auf die fachliche Expertise des Herstellers angewiesen. Herr Burri, wie beschreiben Sie die Rolle der Anlagenbauer in diesem Zusammenhang?

Raymond Burri: Jeder Kälteanlagenbauer sollte gerade zukünftige Betreiber hinsichtlich notwendiger Genehmigungen und eines sicheren Betriebs der Kälteanlage beraten. Bei uns betreuen wir die Anlagen, die wir geplant und realisiert haben, üblicherweise während der gesamten Nutzungsdauer. So kennen wir jede Anlage genau und können frühzeitig auf anstehende Instandhaltungsmaßnahmen aufmerksam machen. Außerdem ist es für uns selbstverständlich, unsere Kunden in regelmäßigen Schulungen über Kältetechnik und Betreiberpflichten zu informieren.

Herr Brinkmann, denken Sie, dass Betreiber ausreichend über ihre Pflichten informiert sind?

Rainer Brinkmann: Hier gibt es große Unterschiede. Während es für Kleinbetriebe oft schwer ist, sich umfassend auf dem Laufenden zu halten, sind bei Großbetrieben ganze Fachabteilungen mit dem Thema Betreiberverantwortung betraut. Vor allem für kleinere Unternehmen ist es daher unerlässlich, sich ausführlich zu informieren. Hilfestellung können hier sowohl die Berufsgenossenschaften geben als auch speziell vom Kälteanlagenbauer formulierte Fachinformation, die auf die gesetzlichen Pflichten des Betreibers hinweisen.

Was genau ist für Sie ein vorbildliches Sicherheitsmanagement?

Raymond Burri: Generell bietet die Gesetzgebung in der Schweiz eine gute Basis für ein vorbildliches Sicherheitsmanagement – von Richtlinien und Prüfpflichten bis hin zu regelmäßig durchzuführenden Detektionen. Betreiber, die natürliche Kältemittel einsetzen, müssen beim Sicherheitsmanagement weitere Maßnahmen ergreifen. So ist in der Schweiz vor allem bei größeren NH3-Anlagen mit einer Füllmenge von über 2000 kg ein Einsatzplan für die Notdienste Pflicht, der in vereinfachten Bauplänen und RI-Schemata z.B. alle sicherheitsrelevanten Handabsperrventile und Komponenten aufzeigt.

Rainer Brinkmann: Sicherheitsmanagement ist ein laufender Prozess, den der Unternehmer oder eine von ihm beauftragte Sicherheitsfachkraft leitet und in den alle Mitarbeiter einzubeziehen sind. Zuerst muss der Betreiber die Gefährdungsbeurteilungen erarbeiten, die anschließend dazu dienen, Sicherheitsmaßnahmen aller Art festzulegen. Zu diesen gehören etwa erforderliche Prüfungen, Kontrollen und regelmäßige sicherheitstechnische Unterweisungen der Mitarbeiter. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen gilt es, im laufenden Betrieb kontinuierlich zu prüfen, Maßnahmen ggfs. zu korrigieren und vor allem auch nachvollziehbar zu dokumentieren.


Überblick über die Prüfungsanforderungen an Kälteanlagen in Deutschland

Wiederkehrende Prüfungen durch den Betreiber der Anlage

Bertreiberpflicht ist in BetrSichV geregelt.

Auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung bzw. sicherheitstechnischen Bewertung werden Art, Umfang und Prüffristen ermittelt und festgelegt (u.a. Gaswarnanlage, Sicherheitsventile).

Prüfungen sind abhängig von Konformitätsbewertungsverfahren durch zugelassene Überwachungsstellen oder befähigte Person durchzuführen.

Jährliche Prüfungen durch den Betreiber der Anlage

Arbeitgeber- und Bertreiberpflicht finden sich u.a. in EN 378, BetrSichV, ArbSchG, VDMA 24 020, TRAS 110, TRBS 1201.

Sicherheitstechnisch relevante Prüfungen (z.B. Zustand der Anlage, DBK/SDBK) und Unterweisungen sind durch befähigte Personen oder entsprechendes Fachpersonal durchzuführen (abhängig von Art der Prüfung).

Arbeiten an der Kälteanlage

Wartung, Inspektion, Service durch qualifizierte befähigte Personen

Instandhaltungsarbeiten durch qualifiziertes Fachpersonal von Fachfirmen

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