Renaissance von Rohrbündeln in der NH3-Kälteerzeugung

Einsatz von Hochleistungsrohren aus Edelstahl, Stahl oder Titan

Das Kältemittel Ammoniak (R717) wird aufgrund seiner hervorragenden thermodynamischen Eigenschaften bereits seit dem 19. Jahrhundert in der Kälteerzeugung eingesetzt. Durch die Entwicklung der Sicherheitskältemittel in den 1930er Jahren wurde R717 jedoch aus dem Komfortbereich des Menschen in die Industriekälte verlagert, vor allem aufgrund seiner Brennbarkeit und Toxizität. Der Einsatz von Hochleistungsrohren aus Edelstahl, Stahl oder Titan in Rohrbündelwärmeübertragern kann den Einsatz von Ammoniak in der Industriekälteerzeugung noch befördern.

Neue Impulse durch
Klimaschutz

Auch das „Montreal Protocol“ von 1987 hat bis heute, durch seine Beschlüsse die FCKW und auch seine halogenierten Nachfolger zu verbieten, hat noch keinen Aufschwung von R717 bewirkt. 

Im Rahmen einer Studie in Zusammenarbeit mit dem Bereich Thermal Solutions der Wieland Gruppe wurde nun die Stellung der Rohrbündel in der Ammoniak-Industriekälte untersucht.

Vorteile von NH3

Nach aktuellem Stand profitiert die Industriekälteerzeugung vor allem von der ausgezeichneten spezifischen Verdampfungsenthalpie von NH3. Darüber hinaus punktet Ammoniak mit seiner volumetrischen Kälteleistung und seiner Umweltfreundlichkeit. Mit hervorragenden GWP- und ODP-Werten, die bei Null liegen, steht das natürliche Kältemittel Ammoniak überlegen vor den üblichen Sicherheitskältemitteln, deren GWP-Werte oft im vierstelligen Bereich liegen.

Schlüsselkriterium Füllmenge

Die Skepsis gegenüber R717 erklärt sich vor allem durch die Gefahren aufgrund von Brennbarkeit und Toxizität. Bei einer Reduzierung der Füllmengen in Ammoniak-Anlagen lässt sich dieses Risiko jedoch auf ein Minimum reduzieren. Entscheidend dafür ist die Auswahl des eingesetzten Wärmeübertragerkonzepts. Aktuell werden vor allem Plattenwärmeübertrager verwendet, da hier die für den Betrieb notwendige Kältemittelfüllmenge geringer ist. Hohe Leistungsklassen mit über 1000 kW lassen sich jedoch mit Plattenwärmetauschern kaum erreichen. Dennoch werden sie in der Industriekälteerzeugung aufgrund der geringeren Kältemittelfüllmenge eingesetzt.

Mehr Effizienz im Rohrbündel

Aufgrund ihrer großen Effizienz kommen in hohen Leistungsklassen typischerweise Rohrbündelwärmeübertrager zum Einsatz. Bei der sogenannten überfluteten Verdampfung wird der Mantelraum des Rohrbündels zu einem großen Teil mit Kältemittel gefüllt. Die Reduzierung der Kältemittelfüllmenge im Rohrbündel ist damit der Schlüssel zu ihrem Einsatz in Ammoniakanwendungen hoher Leistungsklassen.

Kompakte Bauweise mit Hochleistungsrohren

Ein Ansatz zu einer Reduzierung der Kältemittel-Füllmenge ist die Verwendung eines Hochleistungsrohrs. Durch seine besondere Außenstruktur hat es eine deutlich vergrößerte Oberfläche und damit einen höheren Wärmeübergang als Glattrohre.

Die wenigen Rohrbündel, die aktuell in Ammoniak-Kälteanlagen eingesetzt werden, sind jedoch bisher mit Glattrohren bestückt. Dass ein in Rohrbündeln verbautes Hochleistungsrohr die entscheidende Reduzierung der Kältemittelfüllmenge ermöglicht, ist anzunehmen. Um wie viel wird aktuell in einer Entwicklungs-Kooperation des Herstellers für Hochleistungsrohre Wieland Thermal Solutions und einer spanischen Universität untersucht.

Aufgrund seiner besonders hohen Wärmeleitfähigkeit ist Kupfer am weitesten verbreitet in der Kälteerzeugung. In Verbindung mit Wasser löst Ammoniak allerdings eine Korrosion bei Kupfer und seinen Legierungen aus. Somit scheidet der klassische Kältetechnikwerkstoff, nach aktuellem Technikstand, in Ammoniakanwendungen aus.

Bei der Herstellung der Rippenrohre setzt Thermal Solutions jeweils den Werkstoff ein, der am besten zur Anwendung passt. Neben Kupfer und Kupferlegierungen sind dies auch Materialien wie Aluminium, Edelstahl, Kohlenstoffstahl und Titan. Die Herstellung von Hochleistungsrohren aus Edelstahl, Stahl und Titan bietet somit neue Möglichkeiten, Rohrbündel in Ammoniak-Kälteanlagen mit Hochleistungsrohren auszustatten und somit die Wärmeübertrager wesentlich kompakter zu konstruieren.

Um wie viel kompakter und effizienter dies möglich ist, lässt sich nach Abschluss der aktuellen Untersuchung von Wieland Thermal Solutions sagen, über die zu einem späteren Zeitpunkt in der KKA berichtet wird. Es ist also anzunehmen, dass die wesentlich geeigneteren Rohrbündel-Wärmeübertrager in Zukunft wieder mehr Aufmerksamkeit in der Ammoniak-Kälteerzeugung gewinnen.


Projektarbeit: „Ammoniakkälteanlagen und deren Verwendung in der Kälteerzeugung in Europa“

Studiengang: Wirtschaftsingenieurwesen – internationaler Technischer Vertrieb. zum Zeitpunkt der Projektarbeit im 5. Semester

Hochschule: Duale Hochschule Baden-Württemberg in Heidenheim

Partnerunternehmen/ Auftraggeber der Projektarbeit: Wieland-Werke AG

Leseranfragen:
Laura Kucharik, Andreas Knöpfler,
www.wieland-thermalsolutions.com

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