Solare Kühlung in neuen Dimensionen

Großanlagen als Leuchtturmprojekte

Solare Kühlung ist faszinierend: Die Spitzeneinstrahlung von Sonnenenergie zu nutzen, um damit in Gebäuden den Höchstbedarf an Kälte zeitgleich und umweltfreundlich bereitzustellen. Die erste Präsentation dieser Technik erfolgte auf der Weltausstellung in Paris 1889. Dann folgten viele Forschungsprojekte, die alle zum gleichen Ergebnis kamen: Die Technologie funktioniert, jedoch sind die Antriebstemperaturen für die thermischen Kältemaschinen zu hoch für eine gute Nutzung der verfügbaren Sonnenkollektoren, und Wirtschaftlichkeit war auch weit entfernt. Seit 1999 wurde solare Kälte auch zum Thema bei der Internationalen Energie Agentur im Solar Heating and Cooling Programm. Und nunmehr gibt es Anlagen, die nicht nur gut funktionieren, viel Strom einsparen, sondern auch wirtschaftlich interessant sind.

Mehrere Anlagen im MW-Bereich für große Gebäude sind heute weltweit in Betrieb. Die Anlagen stehen in verschiedensten Klimazonen, im tropisch- schwülen Singapur, im heiß-trockenen Phoenix/Arizona oder Al Ain/Abu Dhabi und in europäischen Ländern mit Kühl- und Heizbedarf von Portugal bis Deutschland.

United World College in Singapur

In Singapur wird der neue Campus des United World College South East Asia mit einer Gesamtfläche von 76 000 m² klimatisierter Gebäudefläche mit Unterstützung von 3855 m² Sonnenkollektoren und einer Absorptionskältemaschine mit einer Spitzenleistung von 1470 kW gekühlt. Die Anlage ist seit Winter 2012 in Betrieb, die ersten Betriebsmonate wurden zu einer konstanten Verbesserung der Einstellwerte und Optimierung der Performance genutzt.

Die Flachkollektoren sind durch Glas und Folie doppelt abgedeckt und haben bei den typischen Betriebstemperaturen von 70 bis 90 °C einen deutlich verbesserten Wirkungsgrad gegenüber normalen Flachkollektoren. Der Einsatz von Großflächenkollektoren erlaubt eine rasche Montage, Reduktion von Montagepunkten und Verbindungen und somit potentiellen Fehlstellen, sowie eine optimale interne hydraulische Verschaltung.

Ein Dach ist südseitig orientiert und bringt somit im mitteleuropäischen Winter seine beste Performance, zwei westseitige Dächer nutzen bevorzugt die Nachmittagssonne. Die bauseits verfügbaren Dachflächen bedeuten bei dieser Anlage auch die Leistungsbegrenzung – daraus ergibt sich dann der solare Deckungsgrad. Eine detaillierte Analyse hat ergeben, dass gerade bei der Limitierung der Dachfläche für die notwendigen Arbeitstemperaturen doppelt abgedeckte Flachkollektoren die meiste Leistung anbieten. Einfach abgedeckte Kollektoren liefern am Betriebspunkt um ca. 20 % weniger Nutzwärme, Vakuumröhren haben ein deutlich schlechteres Verhältnis Bruttofläche/Absorberfläche, sodass sich auch hier eine geringere Anlagenleistung auf der begrenzten Dachfläche ergibt.

Die Solarwärme wird in einem 60 m³-Speicher gelagert und abgepuffert, um einen konstanten Anlagenbetrieb zu ermöglichen. Die Kältemaschine bringt ihre Spitzenleistung mit Antriebstemperaturen von 93 °C; doch zeigt der Praxisbetrieb gutes Teillastverhalten bereits mit 70 °C. Extrem wichtig für gute Effizienz sind die Rückkühltemperaturen zum Absorber, 27 °C können konstant bereit gestellt werden. Das Kältenetz liefert einen Rücklauf von ca. 17 °C, die Absorptionskältemaschine kühlt je nach Einstrahlung auf bis zu 11 °C. Die nachgelagerten elektrischen Kältemaschinen erledigen dann den restlichen Kältebedarf.

Die Regelung der Anlagen erfolgt über eine eigene Hard- und Softwarelösung, welche eine Fernüberwachung und -wartung erlaubt und auf die Bedürfnisse der Anlagen zugeschnitten ist. Die Regelung wird über definierte Schnittstellen mit der Gebäude-MSR verknüpft. Dies ermöglicht Technikern mögliche Störungen frühzeitig zu erkennen und durch Anpassen von Parametern den Ertrag der Anlage zu optimieren.

Spannend ist die Balance zwischen elektrischer Antriebsenergie und erzeugter Kälte. Während im Spitzenlastbetrieb mit 1 kWh elektrischer Antriebsenergie schon heute über 14 kWh Kälte erzeugt werden, sinkt dieses Verhältnis im Teillastbetrieb. Doch gerade daran zeigt sich die energiepolitische Bedeutung: Bei Spitzen-Einstrahlung und maximalem Kühlbedarf ist der elektrische Wirkungsgrad der solarthermischen Kühlung am besten. Der Jahres-COPel. ergibt sich dann aus den gewählten Abschaltpunkten. Je geringer die zulässigen Antriebstemperaturen für die Absorptionskälte gewählt werden, desto höher ist die Jahresausbeute an solarer Kälte, aber gleichzeitig sinkt auch der Jahres-COPel.. Aus unserer heutigen Betriebserfahrung sehen wir konkrete Möglichkeiten, für weitere Projekte den spezifischen Stromverbrauch nochmals um 25 % zu senken, so dass Spitzen-COPel. von 20 erreicht werden können.

Neben der Unterstützung der Kühlung liefert die Anlage sämtliches Warmwasser für das zentrale System am Campus. Ein Gaskessel als Back-up wurde installiert, die Gasleitung aber bis heute nicht angeschlossen. Pro Jahr wird ein Kälteertrag von etwa 1000 MWh erwartet, dazu kommen 120 MWh Warmwasser.

Karl-Franzens-Universität Graz

Die Anlagenkonzepte in Europa sind anders und kombinieren Warmwasserbedarf, Raumheizung und Kühlung miteinander.

Das bestehende Chemiegebäude der Karl-Franzens-Universität Graz wird zur Zeit einer Generalsanierung unterzogen, wobei eine nachhaltige Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielt. Auf den Dächern des Zubaus wurden 631,5 m² Kollektorflächen installiert. Eine solche Anlage bietet neben der gelieferten Energie auch die Möglichkeit ein sichtbares Zeichen im Bereich der Erneuerbaren Energieträger zu setzen.

Von Oktober bis März deckt diese Solaranlage einen Teil der Niedertemperaturraumheizung und während der Monate April bis September einen Teil des Kühlbedarfs. Um höchstmögliche Wirtschaftlichkeit zu erzielen, wird von April bis September das benachbarte Gebäude der Mensa inkl. Studentenheim mit Wärme zur Aufbereitung des Warmwassers versorgt. Der prognostizierte Gesamtenergieertrag der Anlage beträgt 290 MWh pro Jahr, dies entspricht ungefähr 25 % des Energiebedarfs für Heizen, Kühlen und Warmwasser des Chemiegebäudes bzw. der Mensa.

Im Gegensatz zum derzeitig verwendeten Energieträger Fernwärme liefert die Solaranlage Energie zu einem kostengünstigen, kalkulierbaren Preis. Langfristig sind, verglichen mit herkömmlichen Systemen, geringere Betriebskosten erreichbar.

Die wichtigsten Eckdaten der solarthermischen Anlage:

631,5 m² Hocheffizienz-Kollektorfläche

7000 l Heißwassertanks

105 kW Absorptions-Kältemaschine

1000 l Kaltwassertank

256 kW offener Nass-Kühlturm

Unterirdische Fernwärmeleitung zur Mensa

Fernüberwachung & Visualisierung im Internet

Eine einstufige Absorptionskältemaschine übernimmt primär die Grundkühllast des Gebäudes. Die entscheidenden Kriterien für die Auswahl der Leistung waren das geringe Platzangebot im Technikraum sowie die höchstmögliche Wirtschaftlichkeit unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Die architektonischen Anforderungen erfordern zusätzlich maßgeschneiderte Lösungen für einzelne Kollektorfelder hinsichtlich Größe und Seitenverhältnisse.

Service-Center des Rathauses in Gleisdorf

Neben Kühlung ist manchmal auch die Entfeuchtung erforderlich. Dessicant-Anlagen können das bereitstellen und mit Solarwärme regeneriert werden. Ein Beispiel für die Kombination Entfeuchtung/Kühlung steht beim Servicecenter des neuen Rathauses in Gleisdorf/Österreich. 2500 m² Nutzfläche werden von 260 m² Sonnenkollektor in der Kombination einer Kälteanlage mit 35 kW und einer Dessicant-Anlage für 6250 m³ Luft/Stunde im Sommer konditioniert, und im Winter geheizt.

Betriebserfahrungen

Die Anlage einfach einzuschalten und in Betrieb zu nehmen liefert zwar eine gewisse Leistung, aufgrund der Komplexität mit den Wechselwirkungen solare Kühlanlage / Verteilsystem / konventionelles Back-up / Rückkühlung und Effizienz im Betrieb war eine mehrmonatige Optimierungsphase bei allen Projekten notwendig, um die Planwerte zu erreichen und zu übertreffen. Überraschenderweise fehlt den Herstellern der Kältemaschinen oft detailliertes Wissen über den Teillastbetrieb, gerade dieser aber tritt bei wechselndem Solarangebot typisch auf. Dazu wurden Absorptionskälteanlagen selten auf geringstmöglichen Strombedarf optimiert – wenn ohnehin Abwärme genutzt wurde, um Kälte bereitzustellen, war das in den typischen Anwendungsfällen wirtschaftlich schon herausragend genug. Daraus resultiert, dass Erfahrungen über variable, lastangepasste Durchflüsse durch die Kältemaschinen ebenso „gelernt“ werden mussten wie die Optimierung des thermischen (Verhältnis der Umsetzung Wärme-Input in Kältemaschine zu Nutzkälte) und elektrischen COPs (Antriebsenergie für Pumpen & Kühlturm zu Nutzkälte). Bis zu einem lieferantenabhängigen Teillastpunkt bleibt der thermische COP sehr stabil, der elektrische sinkt mit Teillast langsam ab.

Wirtschaftlichkeit

Alle hier beschriebenen Anlagen sind wirtschaftlich darstellbar und helfen, langfristig Kosten zu sparen. Entscheidende Faktoren dabei sind die Größe der Anlage und eine gelungene Gesamtintegration, welche maximalen Solarertrag ermöglicht.

Für die Integration ist wichtig, einerseits auf der Seite des Energiebedarfs genau zu analysieren, welche solarthermischen Anwendungen den größten Nutzen erzielen und diese entsprechend zu priorisieren. So ist eine elektrisch oder fossil betriebene Warmwasserbereitung fast immer erste Priorität. Hier ersetzt eine Kilowattstunde Solar eine Kilowattstunde Strom, bei Kälte ist dieses Verhältnis schlechter. Andererseits haben Betriebe immer wieder Abwärmepotentiale aus Prozessen oder KWKs, die als zusätzliche Antriebsenergie für die thermischen Kältemaschinen adaptiert werden können und so zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit führen.

Bei kleineren Anlagen (kleiner 100 kW) sind mittels Photovoltaik betriebene Standardkältemaschinen günstiger im Erstinvestment, da hier zwei industriell stark standardisierte Technologien kombiniert werden. Doch spielt Solarthermie ihre Vorteile aus, wenn es um Kältebereitstellung in Zeiten auch außerhalb der direkten Sonnenstunden geht, da Heißwasser im Gebäude leicht speicherbar ist, während Strom für die erforderlichen Leistungen das Netz als Puffer verwendet. Die Überlegung, die durch PV erzeugte Kälte über Eisspeicher für die Abendstunden nutzbar zu machen, funktioniert technisch, erhöht aber die Kosten und senkt die Effizienz des Systems.

Standortbezogene Faktoren wie unterschiedliche Solarstrahlung, Energiepreise oder Fördersysteme beeinflussen die Rechnung deutlich. Bei den hier beschriebenen Projekten im Neubau oder der umfassenden Sanierung konnten Investitionskosten in konventionelle Technologien reduziert werden.

Besonders hervorheben möchte ich, dass sich die Anlage am United World College aus Betreibersicht mit einer Förderquote von weniger als 10 % dennoch in ca. zwölf Jahren rechnen wird, obwohl Singapur kein übermäßig sonniges Klima hat, allerdings die Energiepreise den Weltmarkt ohne weitere Förderung widerspiegeln und damit hoch sind. Diese Anlage wird von einem eigens gegründeten Contracting-Unternehmen finanziert und betrieben.

Ausblick

Die Technik funktioniert stabil, die Planung und das Baumanagement erfordern sicherlich noch mehr Aufwand als bei einer Standardkälteanlage. Mit der Größe nimmt die Wirtschaftlichkeit zu und ein neuer Mile­stone befindet sich nunmehr im Bau. Seit April 2013 wird eine 1750 kW-Anlage in Arizona gebaut, die von 5000 m² Kollektor betrieben wird und die Dessert Mountain Highschool in Scottsdale kühlen wird. Noch größere Projekte mit der Integration von Abwärme und Solarwärme liegen fertig geplant in der Schublade. Diese rechnen sich in deutlich weniger als zehn Jahren.

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