Supermärkte setzen auf nachhaltige Kältetechnik

Lebensmitteleinzelhandel kühlt zunehmend mit natürlichen Kältemitteln

Beim Einkauf achten Verbraucher längst nicht mehr nur auf Qualität und Preis. In einer im Dezember 2010 veröffentlichten deutschlandweiten Studie von IBH Retail Consultants gaben 60 % der Befragten an, in letzter Zeit ihre Kaufentscheidungen zusätzlich daran ausgerichtet zu haben, ob Unternehmen das inzwischen gesellschaftlich zunehmend geforderte nachhaltige Handeln im Geschäftsalltag umsetzen. Auch Supermarktketten entscheiden sich inzwischen verstärkt zu umweltfreundlichen Ladenkonzepten und realisieren emissionsärmere Märkte, um ihren Carbon-Footprint zu verringern.

Die Kälteanlagen machen einen großen Teil des Energieverbrauchs im Lebensmitteleinzelhandel aus. Möglichkeiten zum nachhaltigen Handeln bieten unter anderem die in den Anlagen verwendeten Kältemittel. „Entsprechend den räumlichen Gegebenheiten kann heute für jeden Supermarkt individuell eine Lösung mit natürlichen Kältemitteln entwickelt werden“, weiß Mark Bulmer, Vorstandsmitglied von eurammon (www.eurammon.com), der europäischen Initiative für natürliche Kältemittel. „Natürliche Kältemittel wie Ammoniak und CO2 werden im Rahmen der Supermarktkälte weltweit eingesetzt. Gleich zwei Gründe sprechen für ihre Verwendung: Zum einen besitzen sie kein oder nur ein vernachlässigbar geringes Treibhauspotential. Zum anderen können Kälteanlagen mit natürlichen Kältemitteln in Supermärkten energieeffizient betrieben werden.“

Welche Art von Anlage geeignet ist, bestimmen unter anderem die geografische Lage und die klimatischen Bedingungen am Standort. Kohlendioxid kann bei warmen Außentemperaturen über 26 °C nicht mehr verflüssigt werden, da die Kältemitteltemperatur auf der Hochdruckseite oberhalb der kritischen Temperatur liegt. „Solche transkritischen CO2-Lösungen werden daher eher in Zonen mit gemäßigtem Klima wie Kanada, Skandinavien oder Mitteleuropa eingesetzt“, erklärt Bulmer. „Ammoniak-CO2-Kaskadenanlagen stellen dagegen für wärmere Gegenden eine Möglichkeit dar, umweltschonend und effizient zu kühlen. Ammoniak gilt als das energieeffizienteste Kältemittel überhaupt.“

 

Nachhaltige Tief- und Pluskühlung mit Kohlendioxid

Für den Migros-Supermarkt des Shopping-Centers Tivoli in Spreitenbach in der Schweiz plante die SSP Kälteplaner AG im Jahr 2010 eine komplett neue Kälteanlage. Die zeitgemäße Lösung zur Kälteversorgung deckt alle Ansprüche an eine Supermarktkälteanlage ab und ist in Bezug auf Investitionskosten und Energiebedarf optimal auf die örtlichen Rahmenbedingungen abgestimmt.

Das neue System besteht aus zwei 150 kW-Verbundanlagen für die Pluskühlstellen und einer 53 kW-Booster-Verbundanlage für den Tiefkühlbereich. Dabei kommen in den Anlagen für den Plusbereich insgesamt acht, in der Booster-Verbundanlage vier Hubkolbenverdichter vom Fabrikat Bitzer (www.bitzer.de) zum Einsatz. Im Bereich der Kühl- und Tiefkühlstellen erfolgt die Kühlung durch Direktverdampfung des Kältemittels CO2. Beide Anlagen der Hochdruckstufe arbeiten, wann immer möglich, im unterkritischen Betrieb. Bei hohen Außentemperaturen oder bei Abwärmebedarf arbeiten die Verbundanlagen der Pluskühlung im überkritischen Betrieb mit einem Arbeitsdruck von bis zu 92 bar.

Zusätzliche Energieeinsparungen werden durch Wärmerückgewinnung erzielt. Die Abwärme der Anlagen wird in erster Priorität zur Aufbereitung des Brauchwarmwassers für den Supermarkt und ein angeschlossenes Restaurant und in zweiter Priorität zum Heizen des Supermarktes genutzt. Übrige Restwärme gelangt über einen Gaskühler / Kondensator auf dem Dach nach außen.

 

Umstieg auf natürliche Kältemittel in Südafrika

Derzeit arbeiten viele Supermarktkälteanlagen in Südafrika noch immer mit Kältemitteln, die ein hohes globales Erwärmungspotential (GWP) und zum Teil sogar ein hohes Ozonabbaupotential (ODP) besitzen. Der Einsatz von natürlichen Kältemitteln in Supermärkten ist in Südafrika derzeit noch relativ unbekannt und daher wenig erprobt. Aufgrund der stetig steigenden Energiekosten von zum Teil über 20 % pro Jahr haben sich einige südafrikanische Supermärkte zu einem Umstieg auf natürliche Kältemittel entschieden.

So stattete der GEA-Konzern (www.gearefrigeration.com) im Jahr 2009 verschiedene Supermärkte in Südafrika mit Verdichtern für NH3/CO2-Kaskadenanlagen aus. Im Pluskühlbereich kommen Ammoniak und eine Glykol-Lösung zum Einsatz, die die Milch- und Feinkost-Vitrinen sowie die Kühlhäuser im Temperaturbereich zwischen 0 und +2 °C versorgen. Der Tiefkühlkreislauf arbeitet über Direktverdampfung von CO2 und versorgt die Tiefkühlkost- und Eiscreme-Displays. Darüber hinaus wird die Abwärme der Ammoniakanlage energiesparend zur Warmwasseraufbereitung des Marktes genutzt.

Die Kälteleistungen der Ammoniakkreisläufe in den unterschiedlichen Märkten werden durch verschiedene Verdichter der Firma Grasso (www.grasso.de) erreicht und betragen zwischen 285 und 860 kW. In einem Supermarkt wird über einen Teil der Verdichter zudem ein Kaltwasserspeicher zur Klimatisierung des Supermarktes versorgt. Über eine Glykolschleife werden hierzu Wasserkugeln in einem Lagertank eingefroren. Außerhalb der Stoßzeiten arbeiten alle Verdichter mit gleicher Saugleistung, so dass freie Kapazitäten aus dem Kältekreislauf des Supermarktes der Klimaanlage zugeführt werden können.

„Betreiber müssen in der Supermarktkälte nicht mehr auf den Einsatz von fluorierten Treibhausgasen zurückgreifen“, so Mark Bulmer. „Anwendungen mit natürlichen Kältemitteln stellen eine gute Alternative dar. Intensive Forschungen und die Entwicklungsarbeit der letzten Jahre haben dazu geführt, dass natürliche Kältemittel heute in vielen Bereichen energieeffizient einsetzbar sind. Die zum Teil höheren Investitionskosten für die Anlagen können je nach Laufzeit durch niedrigere Betriebskosten, etwa durch verringerte Energiekosten und geringere Ausgaben für das Kältemittel, ausgeglichen werden.“


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