Verbindung aus LNG-Kältere­­­­cyc­ling und KWKK-Technologie

Effiziente Energieversorgung für Tiefkühlkost-Betrieb

Ein großer Tiefkühlkost-Vertrieb im sächsischen Döbeln setzt auf ein neu konzeptioniertes Energieversorgungsystem und profitiert künftig von einer effizienten Kraft-Wärme-Kälte-Lösung (KWKK) und dem thermischen Potenzial von Flüssigerdgas (LNG – Liquefied Natural Gas). Das Ergebnis ist ein wirtschaftlich attraktives und umweltfreundliches Versorgungskonzept.

Die Bereitstellung von hochwertiger Kälte zählt zu den teuersten und zugleich klimaschädlichsten energetischen Verfahren in Industrie und Gewerbe. Im Fokus eines umweltorientierten unternehmerischen Handelns stehen deshalb vermehrt Lösungen, die sowohl die gesetzlichen Vorgaben als auch die komplexen Anforderungen der Kälteversorgung im Betrieb zuverlässig, energieeffizient und ökologisch verträglich erfüllen.

Erdgas ist weltweit in großen Mengen vorhanden, es ist emissionsarm und preisgünstig. Heruntergekühlt auf -162 °C verflüssigt es sich und besitzt dann nur noch ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens. Dies macht den Primärenergieträger infrastrukturunabhängig transportfähig und ermöglicht eine langfristige, platzsparende Lagerung.

Um LNG als Brennstoff nutzen zu können, muss dieses wieder in gasförmigen Zustand zurückversetzt werden. Bei dem Prozess der Regasifizierung, der in der Regel über einen atmosphärischen Verdampfer erfolgt, entsteht als thermisches Abfallprodukt Kälte. Bislang blieb das hohe energetische Potenzial dieses Verfahrens nahezu ungenutzt.

Energiebaustein LNG: Ausbau des KWKK-Prinzips

Auf Grundlage umfangreicher Forschungs- und Testarbeiten entwickelte die Eco ice Kälte GmbH (Borna) eine technologische Lösung, die es ermöglicht, die Kälteenergiequelle LNG ohne zusätzlichen elek­trischen Energie- oder Gasinput für den Markt nutzbar zu machen. Aus der Kooperation des Unternehmens mit Experten aus Wissenschaft und Industrie entstand das sogenannte „TrigenerationPLUS“-System – ein innovatives Verfahren mit einer bis dato neuartigen energietechnischen Schlüsselfunktion: der Kombination von Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung und LNG-Kälterecycling. Die Systemkomponenten der KWKK-Seite – Blockheizkraftwerk (BHKW), Absorptionskältemaschine (AKM), Rückkühler für die AKM mit Wasseraufbereitung sowie eine CO2-Verdichterkältemaschine und die Leittechnik „YADO|LINK“ – verbaute der Technologiepartner Yados in einer speziell entworfenen Containerlösung am Firmenhauptsitz in Hoyerswerda und lieferte die Gesamtanlage steckerfertig an den Kundenstandort in Döbeln.

Dort geht das Hocheffizienzsystem nun erstmalig im kommerziellen Umfeld in Betrieb. Eine zweite, nahezu baugleiche Energiezentrale sorgt für die Absicherung der empfindlichen, stark temperaturabhängigen TK-Prozessketten bei Ausfall oder Spitzlastbedarf.

Vierfach genutztes Erdgas: Neue Perspektiven für die dezentrale Energieversorgung

Das 10.000 m³ große Tiefkühlhaus des TK-Händlers mit insgesamt mehr als 2.500 Palettenstellplätzen wurde bisher netzgebunden mit elektrischem Strom betrieben. Mit dem Ziel einer wirtschaftlich soliden und ökologisch nachhaltigen Kälteproduktion erfolgte 2016 die energetische Neuausrichtung: Im Rahmen einer Teilsanierung des Kühlhauses beauftragte das Unternehmen die Planung einer netzunabhängigen Energieversorgung auf Basis eines dezentralen LNG-KWKK-Systems.

Gerade für energieintensive Unternehmen, beispielsweise aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, der Chemiebranche, dem Hotelgewerbe oder der Milchwirtschaft, die Erdgas als Primärbrennstoff nutzen können und gleichzeitig (oft mehrstufige) Kühl- und Kälteprozesse ausführen, stellt die Versorgung über das duale Energieerzeugungskonzept eine attraktive Option dar. Dies gilt insbesondere auch für Niederlassungen ohne eigene Gasnetzanbindung, da das Flüssigerdgas über sogenannte Satellitenanlagen vor Ort gespeichert, umgewandelt und verteilt werden kann.

Die in Döbeln von Eco ice installierte Außenanlage verfügt über einen vakuumisolierten und verstärkten 60-Kubikmeter-LNG-Isolierspeicher. Die Regasifizierung selbst erfolgt über einen patentierten Wärmeübertrager mit Verdampfer, der das tiefkalte LNG durch Wärmezufuhr rückvergast. Im Kälterecyc­ling-Kreislauf wird die dabei freigesetzte Kälte an eine synthetische oder CO2-basierte Wärmeüberträgerflüssigkeit abgegeben und mit Temperaturen von -45 °C gezielt an angebundene Kälte-Abnehmer verteilt. Die dann auf -35 °C erwärmte Überträgerflüssigkeit wird an den Wärmeübertrager zurückgeleitet, um dort erneut freigesetzte Regasifizierungskälte aufzunehmen.

Zeitgleich zum Kälterecycling wird Erdgas (NG = Natural Gas) in das BHKW eingespeist und der KWKK-Prozess angestoßen. Bei der Verbrennung des NG wandelt der Generator die im eingesetzten Otto-Motor erzeugte mechanische Energie in Strom mit einer elektrischen Leistung von 50 kW um.

Die dabei produzierte Prozesswärme von 81 kWth dient im weiteren Prozess als Antriebsenergie der Absorptionskältemaschine (AKM). Das in der Diffusions-AKM eingesetzte, chemikalienfreie Ammoniak-Wasser-Kältemittel weist weder Treibhaus- noch Ozonabbaupotential auf. Das macht das Funktionsprinzip im Vergleich zur kostenintensiven Kompressionstechnik nicht nur wirtschaftlicher, sondern dient nachhaltig der Umwelt.

Mit der AKM-Abwärme lassen sich zusätzliche energetische Einsparungen erzielen, indem diese zur Erwärmung der Frischluft für den BHKW-Betrieb in der Energiezen­trale eingesetzt wird. Die Abwärme (20 bis 30 °C) kann ebenso für Abtaumaßnahmen oder zur Lagerbeheizung genutzt werden. Kompressionskälte benötigt der TK-Vertrieb nur noch zur Abdeckung bei Spitzenlast und zur Ausfallsicherung. Auch dieser Strombedarf ist über das BHKW abgedeckt.

Für Temperaturbedarfe unter -6 °C wird der Anlage eine Tiefkühlkaskade mit einem speziellen CO2-Kälteverdichter zugeschaltet. Die Kältekaskade sichert mit einer thermischen Leistung von 20,4 kW ein permanentes Frostniveau zwischen -28 und -31 °C.

Im Gesamtprozess der Wärme-, Kälte- und Stromproduktion sowie der Kälterückgewinnung wird das Effizienzpotenzial des Primärenergieträgers Erdgas damit gleich vierfach genutzt.

Intelligentes Monitoring zur Überwachung komplexer Systeme

Bei der Überwachung komplexer energetischer Versorgungsnetze, in die diverse Erzeugungstechnologien, Energieträger, Speicher und Verbraucher integriert sind, setzen zukunftsorientierte Unternehmen auf intelligente Leit- und Steuertechnik. Leitsysteme, wie das in Döbeln implementierte „YADO|LINK“ und die zugehörige Regelungstechnik bieten die Möglichkeit, Betriebsabläufe umfassend zu visualisieren, zu überwachen und zu optimieren.

Dafür werden anlagenrelevante Daten über modulare Regelungseinheiten an das integrierte Leit- und Kommunikationssystem übertragen. Aus den Prozessdaten wird eine Echtzeit-Abbildung der energetischen Ist- und Soll-Zustände sämtlicher Erzeuger, Verteiler und Abnehmer in einem Netz erstellt.

Die Anlagenfahrweise kann während des Betriebs über das Leitsystem flexibel und bedarfsorientiert angepasst, korrigiert und optimiert werden. Ein leicht verständliches Monitoring mit aussagekräftigen Kennzahlen und Zugriff auf relevante Daten und Informationen erleichtert die datengestützte Betriebsführung.

Am Standort Döbeln übernimmt das Yados-Leitsystem aktuell die Überwachung der Energiezentrale und reguliert die AKM, wenn diese keine Wärme benötigt. Prinzipiell können darüber hinaus sämtliche messbaren energetischen Prozesse und Zustände, etwa das Controlling und die Steuerung von Temperaturzonen in der Lagerhalle, über „YADO|LINK“ erfasst und in eine Gesamtsystemübersicht eingebunden werden.

Die  Anlage des TK-Vertriebs ist auf lange Laufzeiten mit maximaler Leistungsabfrage − passgenau für den Strom- und Wärme- und Kältebedarf des Betriebes − ausgelegt. Das ermöglicht einen wirtschaftlichen Volllastbetrieb und erfordert somit im konkreten Beispiel keine weitere steuerungstechnische Leistungsmodulation.

Positive Prognosen für eine ökologisch und ökonomisch optimierte Energieversorgung

Die Investition in die energetische Erneuerung lohnt sich für das Döbelner Unternehmen in mehrfacher Hinsicht. Der drastisch gesenkte Verbrauch fossiler Primärenergie bei höchster Versorgungssicherheit senkt spürbar die Betriebskosten und erzielt eine Reduktion von rund 300 t Kohlendioxid im Jahr. Davon entfallen allein 46 kg eingespartes CO2 pro Kubikmeter LNG auf das LNG-Kälterecycling.

Der TK-Vertriebsstandort in Sachsen verfügt mit der skizzierten Verbundtechnologie über eine der fortschrittlichsten Lösungen für die dezentrale Kälteerzeugung in Deutschland. Eine Lösung, die das Potential besitzt, die kombinierte Kälteerzeugung branchenübergreifend in netzunabhängige, energieeffiziente und umweltfreundliche Versorgungsstrategien zu integrieren.

Transportfähig und speicherbar: So wird aus Erdgas LNG

Bei Erdgas im bekannten gasförmigen Aggregatzustand handelt es sich um einen Energieträger mit besonders geringer volumetrischer Dichte. Da die Verfügbarkeit von Erdgas in der Regel an komplexe Verteil- und Lagerprozesse gebunden ist, wird die Entwicklung innovativer Transportsysteme und Speichertechnologien mit Nachdruck vorangetrieben. Gleichzeitig gilt der Flexibilisierung des Energieträgers selbst ein besonderes Interesse: Wird das Gas in einen flüssigen Zustand (Liquefied Natural Gas/LNG) versetzt, ergeben sich daraus geeignete Optionen für die Beförderung in Spezialtankern und für die Aufbewahrung, etwa in größeren Zentrallagern (LNG-Terminals) oder auch in sogenannten Satellitenanlagen direkt am Abnahmeort.

 
Um Erdgas zu verflüssigen, wird es auf ein Temperaturniveau von -162 °C heruntergekühlt und die dabei entstehende Kondensationswärme abgeführt. Unter atmosphärischem Druck nimmt das Gas einen liquidartigen Zustand an, der eine 600-mal höhere Dichte, also nur noch ein Sechshundertstel des ursprünglichen Gasvolumens (bei 15 °C und Normaldruck von 1,013 bar) aufweist.

 
Durch das spätere Verfahren der Regasifizierung mittels eines Verdampfers, kann das LNG wieder in seinen gasförmigen Ausgangszustand zurückversetzt werden. Bislang blieb das bei diesem Prozess frei werdende Kältepotential nahezu vollständig ungenutzt.

Über Yados GmbH

Als europäisches Unternehmen setzt Yados seinen Schwerpunkt in die Entwicklung von Produkten sowie komplexen Lösungen im Bereich der Fernwärmestationen und Blockheizkraftwerke. Das in Hoyerswerda ansässige Unternehmen bietet Lösungen in vier Sparten: Energieerzeugung mittels Kraft-Wärme- und Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, Wärmekompaktstationen, Wärmeverteilstationen sowie die Leit- und Kommunikationstechnik. Damit wird das gesamte Spektrum von der Energieerzeugung bis zur Lieferung abgedeckt. Mit mehr als 200 Mitarbeitern in Entwicklung, Vertrieb, Fertigung, Projektabwicklung und Administration erreichte die Yados GmbH im Jahr 2017 einen Umsatz von 35 Mio. Euro. Weitere Informationen: www.yados.de

Über Eco ice Kälte GmbH

Die Eco ice Kälte GmbH hat ihren Sitz in Borna/Sachsen. Seit 2013 beschäftigt sich die Firma mit der Entwicklung und der serienmäßigen Fertigung von Absorptionskältemaschinen für Kunden im industriellen und gewerblichen Bereich. Ziel ist es, komplette Systeme aus einer Hand anzubieten. Dafür existieren eine eigene zertifizierte Serienfertigung, ein Prüfstand sowie ein Versuchstand für Entwicklungs- und Forschungszwecke. Eco ice ist zudem eng mit Hochschulen und industriellen Partnern vernetzt und nutzt die entstehenden Synergien im Bereich der Forschung und Entwicklung. Weitere Infos: www.eco-ice.net

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