Wärmerückgewinnung bei der gewerblichen Kälteerzeugung

Erfolgreicher Einsatz bei der Metzgerei Krammer

Mit großen Anstrengungen wird versucht, die Emissionen von klimawirksamen Gasen zu reduzieren. Mit der Revision der F-Gase-Verordnung ist unsere Branche von den Maßnahmen stark betroffen. Leider bleiben die Möglichkeiten, die die Wärmerückgewinnung (WRG) in dieser Hinsicht bieten könnte, weitgehend unberücksichtigt. Der Beitrag zeigt auf, welches Potenzial in einer gut konstruierten und in diesem Fall noch optimierten WRG steckt. Als Beispiel werden die Ergebnisse der WRG und der energetischen Sanierung einer mittelständischen Metzgerei gezeigt.

Welches Potenzial steckt in der WRG?

Die DKV-Tagung 2015 fand in Dresden statt – eine Stadt mit gut 500.000 Einwohnern und ca. 300.000 Haushalten Großstadt. Zur Abschätzung des Heizwärmebedarfs kann man davon ausgehen, dass die mittlere Größe eines Haushaltes 66 m² beträgt und jeder Haushalt einen Heizwärmebedarf von 100 kWh/m²a hat. Multipliziert man die Zahlen, kann der Heizwärmebedarf für alle Dresdner Haushalte mit 2 Mrd. kWh oder 2 TWh (Tera) abgeschätzt werden. Wenn der Energiebedarf mit Öl gedeckt werden sollte, bräuchte man 200.000 1000 l-Öltanks oder die Ladung eines Tankers wie der Exxon Valdez.

Es gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen der Branche, dass ca. 14 % der erzeugten elektrischen Energie für Klima- u. Kälteanwendungen benötigt werden. Hingegen sind die absoluten Zahlen schon weniger bekannt. In Deutschland werden jährlich 500 TWh [1] Strom erzeugt. Davon werden 14 % oder 70 TWh für Kälte- u. Klimaanwendungen benötigt. Schätzt man den durchschnittlichen EER mit 2, ergibt sich ein COP von 3 (Das Verhältnis Wärmeleistung zur elektrischen Leistung). Man kann also abschätzen, dass jährlich (abgerundet 3 x 70 TWH) 200 TWh Wärmeenergie von Kälte- u. Klimageräten abgegeben werden. Leider kann der Großteil der Wärmeenergie nicht genutzt werden. Gründe sind u.a.: Es besteht an dem Ort, zu dem Zeitpunkt kein Wärmebedarf oder die Leistung ist zu klein.

Stellt man sich aber vor, man würde nur 1 % der zur Verfügung stehenden Wärme nutzen, käme man wieder auf die 2 TWh, also den Heizwärmebedarf aller Dresdner Haushalte für ein Jahr.

Warum liefern viele WRG-Anwendungen nicht optimale Ergebnisse?

Beim Einsatz einer WRG wird das zur Verfügung stehende Wärmepotenzial häufig nicht zu 100 % ausgeschöpft, obwohl der Wärmebedarf vorhanden ist. Gewerbliche Kälteanlagen werden meistens mit außen aufgestellten Axialverflüssigern gekühlt. Mit einer Drehzahlregelung der Ventilatoren wird die Leistung des Verflüssigers der benötigten Leistung angepasst. Bei aktiver WRG wird in der Praxis der Verflüssiger meistens nicht im By-Pass gefahren. Damit stellt sich die Frage, auf welchen Wert die Drehzahlregelung eingestellt werden soll. Wählt man einen niedrigen Wert (30 °C), wird die Wassertemperatur der WRG nie wesentlich wärmer werden. Wählt man einen hohen Wert (50 °C), wird die Anlage immer, auch wenn kein Wärmebedarf vorhanden ist, mit der hohen Verflüssigungstemperatur arbeiten.

Kältemittel kondensiert immer an der kältesten Stelle. Die Außentemperatur liegt praktisch immer unter der Temperatur im Wasserspeicher. Folglich wird mindestens ein Teil des Kältemittels ungenutzt im Außenverflüssiger kondensieren. Um Wärmeverluste zu vermeiden, muss deshalb der Außenverflüssiger bei aktiver WRG im By-Pass gefahren werden.

Häufig werden Pufferspeicher mit vertikal integrierten Verflüssigern eingesetzt. Nachströmendes kaltes Wasser sollte sich unten im Speicher einschichten. Das kalte Wasser könnte jetzt auch bei niedrigen Verflüssigungstemperaturen erwärmt werden. Da aber nur ein Bruchteil der Fläche des Verflüssigers mit dem kalten Wasser in Berührung kommt, ist die Verflüssigungstemperatur höher als nötig.

Mögliche Verbesserungen

Die Effizienz des Kältekreises hängt stark von der Verflüssigungstemperatur ab. Mit jedem Kelvin veränderter Verflüssigungstemperatur steigt oder fällt der EER um 2-3 %. Es ist also wichtig, dass ein Schichtenspeicher eingesetzt wird, der verhindert, dass es beim Be- und Entladen zu Vermischungen von warmem und kaltem Wasser kommt. Nur so kann kaltes Wasser mit niedrigen Verflüssigungstemperaturen erwärmt werden.

Auch wenn es für den Kälteanlagenbauer ungewohnt ist, müssen warme Anlagenteile zur Vermeidung von Wärmeverlusten so weit wie möglich isoliert werden.

Die Unterkühlung von Kältemittel verbessert den EER um ca. 1 % pro Kelvin Unterkühlung. Die realisierbare Unterkühlung ist die Temperaturdifferenz zwischen Vorlauf (VL) und Rücklauf (RL) des Verflüssigers der WRG. Erwärmt die WRG das Heizungswasser, dann sind typischerweise 10 K Unterkühlung erzielbar. Wird Trinkwasser erwärmt, ist durch das nachströmende Stadtwasser eine noch größere Unterkühlung möglich. Drei Dinge sind zu beachten: Die Unterkühlung muss hinter dem Sammler erfolgen, die Expansionsventile müssen mit der maximalen Unterkühlung ausgelegt werden und bei möglicher Taupunktunterschreitung muss die Flüssigkeitsleitung isoliert werden.

Bei vielen WRG-Anwendungen wird es so sein, dass die WRG bis zum mittleren Temperaturniveau im Sommer sogar Überschuss-Wärme produziert, aber den oberen Temperaturbereich (z.B. für Trinkwasser) nicht zu 100 % abdeckt. Den fehlenden Wärmebedarf muss dann die konventionelle Heizung im wenig effektiven Teillastbetrieb abdecken. Werden im Winter auch noch höhere VL-Temperaturen für die Heizung gefordert, kann der Nutzen der WRG sehr gering sein. Eine separate Heißgasenthitzung wird meistens nicht gemacht, da die gewinnbare Wärmemenge zu gering ist.

Im konkreten Fall wurde eine modifizierte Heißgasenthitzung eingesetzt. Das Ergebnis ist, dass im Sommerbetrieb der Wärmebedarf auf hohem Temperaturniveau ohne Nachzuheizen zu 100 % gedeckt wird.

Praxisbeispiel: Anlage der Fa. Krammer

Die Metzgerei Krammer liegt in Pfaffenhofen an Ilm und ist ein mittelständischer Handwerksbetrieb. In dem expandierenden Betrieb hatten sich über die Jahre u.a. 27 Kälteaggregate angesammelt. Im Zuge einer geplanten Erweiterung des Betriebs sollte die Kälteanlage energetisch saniert und eine WRG installiert werden. Mit der WRG sollte die Metzgerei und das angeschlossene Wohnhaus mit Wärme versorgt werden. Alleine die Metzgerei hat an Spitzentagen einen Warmwasserbedarf von 12 m³ am Tag.

Die Kälteversorgung wird jetzt von drei Kälte-Verbunden bereitgestellt: 6 kW Tiefkühlung (TK neu), 30 kW Normalkühlung (NK, Bestand) und 35 kW Klimakälte (neu). Die gekühlte Fläche im Bereich NK wurde um 35 % erweitert und im Bereich TK um 100 %.

Die Effizienz der WRG fällt mit jedem Kelvin höherer Temperatur um 2-3 %. Aus diesem Grund muss das Be- und Entladen der Speicher bzw. die Wärmeerzeugung und Wärmenutzung an die Erfordernisse der WRG angepasst werden. In diesem Fall erfolgt die WRG dreistufig: Unterkühlen, Verflüssigen und Enthitzen. Die gewonnene Wärme wird in drei Schichtenspeichern (Hoch-, Mittel- und Niedertemperatur) à 2,5 m³ als Prozesswasser gespeichert. Das Trinkwasser wird über Trinkwassermodule ausgekoppelt. Damit die Unterkühlung auch maximal wirksam ist, ist den Trinkwassermodulen ein Plattenwärmeübertrager (PWT) zur Auskühlung nachgeschaltet. Das gewonnene kalte Wasser wird in einem separaten 800 Liter-Tank gepuffert.

Die warmen Komponenten der Kälteanlagen sind so weit wie möglich isoliert.

Die Wärmeabgabe erfolgt angepasst zu den Auslegungstemperaturen der Wärmeverbraucher. Der Heizungsverteiler hat einen Mitteltemperatur- (MT) 40 °C und einen Hochtemperatur-Vorlauf (HT) 80 °C. Die Heizungsmischer sind an beide Vorläufe angeschlossen und versuchen solange wie möglich den Wärmebedarf mit dem Mitteltemperatur-Vorlauf (MT-VL) zu decken. Zusätzlich ist die erste Vorlauf-Stufe der Fußbodenheizung der Rücklauf der anderen Wärmeverbraucher.

Die Regelung der WRG erfolgt so, dass die Heißgasenthitzung permanent aktiv ist. Die Verflüssigung wird über die Temperatur des MT-Speichers gesteuert. Ist die gewählte Speichertemperatur erreicht (z.B. 50 °C), fährt die Anlage automatisch in den Betrieb „Außenverflüssiger“. In Abhängigkeit zur Außentemperatur kann jetzt so tief wie möglich (tc,min.) verflüssigt werden. Da die Flüssigkeitsleitungen aus dem Bestand nicht isoliert werden konnten, ist die minimale Flüssigkeitstemperatur auf 20 °C begrenzt.

Ergebnisse der Krammer-Anlage

Der Stromverbrauch wird nicht separat für die Kältetechnik erfasst, sondern nur für die gesamte Metzgerei. Trotz steigendem Umsatz und erheblich vergrößerter gekühlter Fläche konnte ein Minderverbrauch von ca. 35 % registriert werden. Somit ist der spezifische Energiebedarf pro m² gekühlter Fläche erheblich verringert worden.

Die WRG ist in der Lage, die Metzgerei und das Wohngebäude von März bis Oktober zu 100 % mit Wärme zu versorgen. Das ist umso erstaunlicher, da nicht nur der Wärmebedarf gedeckt wird, sondern die Wärme auch auf dem benötigten sehr hohen Temperaturniveau bereitgestellt wird. Durch die modifizierte Heißgasenthitzung wurden die Erwartungen an die WRG noch übertroffen. Der Hochtemperaturspeicher ist häufig mit 90 °C durchgeladen. Die Wärmeerzeugung wird mit Wärmemengenzählern für Enthitzungswärme und Verflüssigungswärme getrennt gemessen. Der Wärmeertrag des Unterkühlers wird nicht erfasst.

Für das Jahr 2014 konnte ein Wärmeertrag von 127 MWh gemessen werden, wobei 70 MWh auf den Verflüssiger entfallen und 57 MWh auf den Enthitzer. Die Enthitzung findet  auch bei Betrieb über den Außenverflüssiger bei niedrigen Verflüssigungstemperaturen statt. Der hohe Anteil der Enthitzungswärme am Gesamtwärmeertrag zeigt, dass dies häufig der Fall ist.

Umweltrelevante Beurteilung

Mit der Revision der F-Gase-Verordnung verfolgt die EU ambitionierte Ziele, um die Auswirkungen von Kälte- und Klimaanlagen auf die Umwelt möglichst gering zu halten. Die festgelegten Verknappungen und Verbote für Kältemittel (F-Gasen) werden gravierende Auswirkungen auf die Branche haben. Die umweltrelevante Auswirkung einer Kälteanlage wird gemeinhin mit dem TEWI-Wert bewertet. TEWI steht für: Total Equivalent Warming Impact. Der TEWI-Wert setzt sich zusammen aus dem direkten Treibhauseffekt, hervorgerufen durch Leckagen und Recyclingverluste, und dem indirekten Treibhauseffekt, hervorgerufen durch den Energiebedarf der Kälteanlage.

Die Anlage Krammer hat eine Gesamtfüllmenge von 150 kg R404A. Mit dem hohen GWP-Wert von 3922 ist R404A als kritisch anzusehen. Während der Sanierung wurde die Anlage sehr gründlich auf mögliche Undichtigkeiten abgesucht. In die Jahre gekommene Bauteile wurden ersetzt, neue Anlagenteile wurden möglichst hermetisch erstellt. Aus diesem Grund kann eine niedrige Leckagerate von 2 % angenommen werden.

Es ergibt sich also ein TEWI-Wert von gerundet 1000 t CO2-Äquivalent – auf 15 Jahre gerechnet. Trotz R404A beträgt der direkte Anteil am TEWI nur 20 %. D.h., es können auch nur max. 20 % mit der Wahl des Kältemittels vermieden werden. In diesem Beispiel wird deutlich, dass der EER-Wert das entscheidende Kriterium für einen niedrigen TEWI-Wert ist.

Das durch die WRG nicht emittierte CO2 bleibt bei der TEWI-Berechnung leider völlig unberücksichtigt. Erweitert man den TEWI-Wert um das nicht emittierte CO2 und setzt voraus, dass die Wärme mit einer im Bestand häufig verwendeten Ölheizung erzeugt worden wäre, ergibt sich untenstehende Rechnung. Man sieht deutlich, bezieht man die WRG in die Berechnung des TEWI-Wertes mit ein, verbessert sich die Umweltbilanz der Kälteanlage entscheidend. Selbst ein Kältemittel mit einem GWP = 0 könnte den TEWI-Wert nur um 205 t CO2-Äquivalent verbessern.

Zusammenfassung

Mit handwerklichen und einfachen ingenieurtechnischen Mitteln wurde eine gewerbliche Kälteanlage energetisch saniert. Die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen. Der spezifische Stromverbrauch (Pel/m²) konnte erheblich reduziert werden. Die Energiemenge und das Temperaturniveau der WRG übertrafen ebenfalls die Erwartungen. Mit dem erweiterten TEWI-Wert wird deutlich, dass auch unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes die Anlage als Erfolg gelten kann.

[1] http://www.ag-energiebilanzen.de/ [2] http://www5.umweltbundesamt.at/emas/co2mon/co2mon.htm [3] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/38897/umfrage/co2-emissionsfaktor-fuer-den-strommix-in-deutschland-seit-1990/
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