„Führung ist Tagesgeschäft“

Teil1: Zeit für Führung!?

Führungskräfte führen, auch wenn sie nicht führen. Für die Teilaspekte Motivation, Kommunikation und Vertrauen gilt dasselbe. Im ersten Teil der Serie „Zeit für Führung!?“ stehen zunächst führungsalltägliche Herausforderungen, Hintergründe, Konsequenzen und Blicke über den Tellerrand im Vordergrund, während sich Teil 2 und 3 mit den Themen Motivation bzw. interne Kommunikation auseinandersetzen wird. Die (provokante?) These: „Zufriedene Kunden gibt es mehr und einfacher als zufriedenes Personal, weil inzwischen aktuelle Erwartungen an individuelles Führen innerhalb eines Betriebes oft zu wenig erfüllt werden. Dies führt zur bekannten und vermehrten Fluktuation innerhalb der Branche.“

Der Mangel an qualifiziertem Branchenpersonal beschäftigt Unternehmen seit Jahrzehnten. Nachwuchsinitiativen von Seiten der Hersteller und Verbände mühen sich medial abhängig von Investitionsbereitschaft und daraus resultierenden Möglichkeiten mit sehr überschaubarem Erfolg eine für den Endkunden erkennbare Trendwende herbeizuführen. Durch den zuletzt gestiegenen Bedarf an Installationskapazitäten auf Seiten der Fachbetriebe einerseits, als auch Service- und Beratungskompetenz bei den Herstellern andererseits, befindet sich das Thema noch dringender und kontroverser im Brennglas – inzwischen sogar in der breiten Öffentlichkeit. Das ist zum einen gut so, zum anderen macht es auch bewusst: Es wird immer noch diskutiert, obwohl die Lage stellenweise eskaliert. Betriebsaufgaben, Verkäufe, oder der bewusste Verzicht, weiterhin auszubilden, können zunehmend wahrgenommen werden. Diejenigen, die diese drei genannten Optionen für indiskutabel halten, beklagen andererseits die bekannten Herausforderungen bei der Besetzung offener Stellen, Ausbildungsplätze, als auch Übernahme des Nachwuchses. Die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber nimmt ab, die Ansprüche zu, und es gibt nur wenige Ausnahmen.

Keine Zeit, obwohl die Zeit drängt?

Bis Ansätze wie Ausbildungszeitverkürzung, Steigerung der Branchenbekanntheit und Attraktivität, als auch ein neues Einwanderungsgesetz greifen, werden weitere Jahre vergehen. Technische System-Komplexität und Qualitätsanspruch an die meist sehr individuellen Installationen machen die Lage auch nicht einfacher. So liegt es doch nahe, sich mit denjenigen Menschen verstärkt auseinanderzusetzen, die bereits im Unternehmen tätig sind, um dem Risiko der Fluktuation oder Abwanderung in andere Branchen zu begegnen. Vor allem in einer Zeit des Arbeitnehmermarktes gilt es, dem Risiko einer gefühlten Austauschbarkeit der Arbeitsplatzqualität mit verstärktem Bemühen für emotionale Bindung an den Betrieb entgegenzutreten.

Emotional gebundene Mitarbeitende hegen sehr selten den Wunsch eines Arbeitsplatzwechsels. Mitarbeiterbindung bedeutet das Empfinden und Erleben von Zugehörigkeit und Identifikation mit dem Unternehmen. Laut dem Gallup-Institut in ihrem Bericht von 2022 zum Engagement Index in Deutschland, hat die jeweilige Führungskraft hier eine Schlüsselposition inne. Lediglich 20% der Teilnehmenden der Studie hält ihre Führungskraft für gut, fühlt sich durch sie verstanden und motiviert. Glaubt man den Zahlen aus oben genannter Studie geht es im Kern darum, den Mitarbeitenden als Menschen wahrzunehmen. Und zwar unter anderem durch ehrliche, ernstgemeinte Wertschätzung, klare und transparente Kommunikation, ehrlich gemeinte Kritik oder Angebote zum Lernen.

Gemeint ist: Führung – individuell, regelmäßig und hochfrequent, verbindlich und transparent. Geschäfte werden geführt, Kunden werden geführt, ein Privatleben wird geführt, aber werden auch Mitarbeitende geführt? Und wenn ja, wie und wie oft? Und falls nein, warum nicht? Häufig gehen Geschäft und Kunden vor, obwohl daran kein Mangel besteht.

Der Wirtschaftspsychologe Florian Becker führt in seinem Buch „Mitarbeiter wirksam motivieren“ unter anderem aus, dass gerade ein moderner Führungsstil, den er als Mischung aus transformationalen und transaktionalen Elementen definiert, zur verstärkten Mitarbeiterbindung beitragen kann. Die Führungskraft, wie erwähnt, ist in diesem Bereich der Dreh- und Angelpunkt.

Jeder hat dieselbe Zeit

Es ist offensichtlich, dass transformationaler Führungsstil einen anderen Umgang mit den zeitlichen, der Führungskraft zur Verfügung stehenden Ressourcen bedingt. Da jedem Menschen dieselbe Zeit zur Verfügung steht (24 Stunden am Tag), macht die eigene Einteilung und damit die gleiche Zeit den Unterschied, und damit die Gleichzeitigkeit. Oder anders ausgedrückt: Prioritäten überdenken ist ein erster Schritt, sich mehr Zeit für den Mitarbeitenden nehmen zu können. Die Bedeutung regelmäßiger und strukturiert geführter Beurteilungs- und Entwicklungsgespräche nimmt mit dem Anspruch einer neuen Generation an Arbeitnehmern zu. Während ein markt- und leistungsgerechtes Gehalt bzw. Lohn nebst geldwerten Annehmlichkeiten bereits nach kurzer Zeit nach deren Einführung inflationär an Bedeutung verlieren, stecken in dem zwar aufwändigen und umfangreichen Tätigkeitsfeld der individuellen Personalführung Potenziale, die sich nachhaltig auch in einer Gewinn- und Verlustrechnung darstellen lassen.

Während auf der Gewinnseite die gewünschten Effekte wie Stärkung der Motivation und Engagement der Mitarbeitenden sowie höhere Bindung an Arbeitgeber zur Umsatz- und Leistungssteigerung beitragen, sind auf der Verlustseite weniger Produktivität durch höheren Krankenstand, vermehrte Kündigungen und auch die sogenannte „innere Kündigung“ zu beklagen.

Der amerikanische Arbeits- und Organisationspsychologe Dr. Travis Bradberry formulierte es bekannt provokant: „Menschen verlassen nicht ihren Arbeitsplatz, sondern ihre Führungskraft.“ In einem Interview mit der Social Media Plattform LinkedIn begründete Bradberry Ende 2022 sein Zitat mit fehlender Anerkennung gegenüber und zu wenig Zeit für Mitarbeitende sowie fehlende Förderung der Kreativität.

Neben einer höheren Bindung an die Arbeitgebermarke beeinflusst die Führungskraft direkt die Zufrieden- oder Nichtzufriedenheit ihres Personals. Die Wichtigkeit von Mitarbeiterzufriedenheit unterstreicht eine Umfrage aus dem Jahre 2021 unter 4.000 Arbeitnehmern, die durch den amerikanischen Software-Entwickler für Arbeitsmanagement Wrike beauftragt wurde. Diese Studie zeigt unter anderem, dass zufriedene Mitarbeitende 79 % weniger an Burn-out leiden und 61 % eher dem Unternehmen erhalten bleiben als der unzufriedene Teil der Belegschaft!

Zudem macht der Umgang mit der Ressource Mensch eine Marke im positiven Sinne einzigartiger. Zahlreiche Unternehmen unterscheiden sich zwar regional und vom Leistungs- und Produktportfolio, jedoch nicht qualitativ in der Kategorie attraktiver Arbeitgeber. Die Zielgruppe hat die Qual der Wahl und diktiert den Preis. Egal, ob jung oder alt: die Loyalität zum und die Identifikation mit dem Arbeitgeber nehmen ab, die Austauschbarkeit nimmt zu. Bekannte Konsequenzen: steigende Kosten durch Lohn- und Gehaltsentwicklung, mehr Aufwände für Motivations-Maßnahmen – und kein Ende der Spirale in Sicht. Dabei bilden Textinhalte und Bekenntnisse wie „Mensch im Mittelpunkt“, „Sicherer Arbeitgeber mit Tradition“, „Abwechslungsreiche Tätigkeit“ inzwischen keine besonderen Unterscheidungsmerkmale mehr. Sich Zeit für Führung (und damit Entwicklung) von Mitarbeitenden regelmäßig und hochfrequent (wöchentlich!) nehmen und damit in den Geschäftsalltag – das Tagesgeschäft – integrieren, macht erfolgreiche Unternehmen noch erfolgreicher, weil sie sich damit früher, nachhaltiger und vor allem begehrenswerter vom Wettbewerb (innerhalb, als auch außerhalb der Branche!) realistisch unterscheiden.

„Culture eats strategy for breakfast.” (Peter F. Drucker)

Die Qualität der Führung hat entscheidenden Einfluss auf die individuelle Unternehmenskultur, deren Historie, Erhalt, als auch dynamische Anpassung. Als ein weiteres Unterscheidungsmerkmal trägt die (Führungs-)Kultur dazu bei, die Marke für Kunden und natürlich auch für Mitarbeitende, nachhaltig attraktiv wahrnehmbarer zu gestalten. Es lohnt sich – insbesondere in schnelllebigen und damit unübersichtlichen Zeiten mit immer weniger voraussehbaren Entwicklungen: Die Beschäftigung mit der eigenen Unternehmenskultur stiftet Sicherheit, gibt Identität, bietet Orientierung und steigert die Motivation, insbesondere in schwierigen Phasen. Sie zeigt sich bei Mitarbeitenden, wenn alle wahrnehmbar auf ein Ziel hinarbeiten und jeder an seinem Platz das Notwendige tut, um seine Kolleginnen und Kollegen nach Kräften zu unterstützen. Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler Edgar H. Schein brachte es auf den Punkt: „Kultur ist die Summe aller gemeinsamen und selbstverständlichen Annahmen, die eine Gruppe im Laufe ihrer Geschichte erlernt hat. Sie ist der Niederschlag des Erfolgs.“

Führung macht Spaß – und viel Arbeit

Alles ist gewachsen und wächst: Nachfrage, Umsatz, Anzahl der Kunden und Mitarbeitenden sowie Komplexität der technischen Anforderungen und Lösungen. Die Organisation eines Betriebes muss hierfür entsprechende Anpassungen erfahren, ein oder zwei Geschäftsführende können sich nicht um alles kümmern. Da alles gewachsen ist, nur nicht die jedem Menschen zur Verfügung stehende Zeit, bedarf es Anpassungen in der Führungsstruktur und dem Zeit­management.

Jede Stunde, die für Führung und damit für Mitarbeitende investiert wird, kann nicht gleichzeitig für eine andere Aufgabe investiert werden. Eine ähnliche Ressourcen-Endlichkeit zeigt sich beim Personal: Der Wechsel von Mitarbeitenden mit Erfahrung vollzieht sich meist innerhalb der ­Branche, die Anzahl der Auszubildenden ist zu niedrig und begrenzt. Daher muss Arbeit – und damit Führung – anders aufgeteilt werden. Diese Veränderungen bedürfen einer neuen Bereitschaft des Loslassens, einem angepassten Umgang mit Fehlern (und eventuell sogar des Scheiterns). Die notwendige Basis hierfür: Schaffung einer Vertrauenskultur innerhalb einer Organisation. Vertrauen reduziert nicht nur Komplexität, Vertrauen steigert auch nachweislich die Motivation von Mitarbeitenden eines Unternehmens.

Kurzinterview

KKA: Was sind die typischen Herausforderungen im Führungsalltag?
Schöner&Schöner: Meist kümmert sich die Geschäftsführung traditionell um Kunden, Vertrieb, Kosten und notwendige Unterschriften, die Personalführung um Lohn- und Gehaltsabrechnung. Kundenanfragen haben Priorität, für die Notwendigkeit des Führens von Mitarbeitenden, u.a. durch regelmäßige Beurteilungs- und Entwicklungsgespräche, fehlt stellenweise das Bewusstsein und damit die Bereitschaft, die zur Verfügung stehende Zeit mit entsprechend angepassten Priorisierungen zu planen.

KKA: Was sind nach Ihrer Einschätzung und Erfahrung die Konsequenzen?
Schöner&Schöner: Zufriedene Kunden gibt es mehr und einfacher als zufriedenes Personal, weil inzwischen aktuelle Erwartungen an individuelles Führen der unterschiedlichen Generationen innerhalb eines Betriebes oft zu wenig erfüllt werden. Dies führt zur bekannten und vermehrten Fluktuation innerhalb der Branche, weil Mitarbeitende ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt kennen und sich legitim zunutze machen.

KKA: Worin sehen Sie Chancen und Potenziale?
Schöner&Schöner: Führung und damit Entwicklung von Mitarbeitenden sollte bewusst in den Alltag, das Tagesgeschäft, integriert werden. Ein erster Schritt hierzu könnte sein, sich wöchentlich bis täglich Zeit im Kalender nur hierfür zu blocken, diese einzuhalten und damit priorisieren. Es wird sich lohnen: Die Branche ist nicht mehr un-bekannt. Dank geopolitischer Ereignisse und Veränderungen, der Energiewende und der steigenden Anzahl an Betroffenen und deren Bedarfe, insbesondere im Privatmarkt, ist eine verstärkte Fokussierung auf Personalentwicklung unabdingbar.

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