Gebäudekühlsystem mit NH3/H2O-Absorptionskältemaschine und Eisspeicher

Erkenntnisse aus Entwicklung und Betrieb

Seit einigen Jahren wird am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart eine solar betriebene 10 kW-Absorptionskältemaschine entwickelt und erprobt. Arbeitsstoffpaar ist eine Ammoniak/Wasser-Lösung. Durch Kombination mit einem Eisspeicher kann die Effizienz dieser Kältemaschine bei der Gebäudekühlung wesentlich verbessert werden. Daher wurde am ITW parallel zur Absorptionskältemaschine auch ein Eisspeicher mit einem Füllvolumen von 0,5 m³ und einer speicherbaren Kälteenergie von etwa 35 kWh entwickelt.

Im Gebäude des Instituts für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart wurde ein solar betriebenes
Kühlsystem installiert, umfangreich erprobt und vermessen. Dieses Kühlsystem, siehe Bild 1, besteht im Wesentlichen aus einer NH3/H2O-Absorptionskältemaschine, die mit
Solarkollektoren beheizt und mit Trockenkühlern gekühlt wird, einem Eisspeicher, einem Kaltwasserspeicher und Kühldecken.

Die erste Messperiode im Sommer 2008 lieferte bereits viel versprechende Daten des Gesamtanlagen- und Eisspeicherverhaltens. Im Sommer 2009 sollten nun die Daten im Langzeitbetrieb bestätigt und über eine Optimierung der Anlagenregelung verbessert werden.

In Zusammenarbeit mit Schüco International KG wurden seit Herbst 2008 zwei weitere Demonstrationsanlagen aufgebaut. Das erste System mit Standort Bielefeld dient der Kühlung eines Büros und eines angrenzenden Labors. In Groß Rohrheim wurde das zweite System aufgebaut. Gekühlt werden dabei ein Foyer und ein Konferenzraum. Die Kälteleistung der Absorptionskältemaschine wird direkt in das Kühlregister einer Klimaanlage eingekoppelt. Dieses System wurde Anfang September 2009 in Betrieb genommen. Die im Folgenden diskutierten Messdaten wurden am Kühlsystem des ITW gewonnen.


Systemkomponenten | Zur Untersuchung des Betriebsverhaltens der Absorptionskältemaschine wurde am ITW ein Gebäudekühlungssystem aufgebaut, welches aus der Absorptionskältemaschine, Solarkollektoren, Trockenkühlern und zwei Eisspeichern aufgebaut ist. Es werden fünf Räume mit einer Gesamtfläche von 110 m² mit Hilfe von Kühldecken gekühlt.

 

Absorptionskältemaschine (AKM)

Die Absorptionskältemaschine (siehe Bild 2) hat eine Kälteleistung von 10 kW bei Standardbedingungen. Diese sind mit 15 °C Kühlwasseraustritt, 100 °C Heiztemperatur und 27 °C Rückkühltemperatur definiert. Unter diesen Bedingungen ergibt sich bei der am ITW entwickelten Absorptionskältemaschine ein COP von 0,7. Der COP wird dabei wie folgt berechnet:


COP =


Als Arbeitsstoffpaar wird ein Kältemittelgemisch mit Ammoniak als Kältemittel und Wasser als Lösungsmittel verwendet. Die Konzentration des Ammoniaks beträgt 50 % bezogen auf die Masse. Die äußeren Abmaße der AKM betragen 1800 x 800 x 800 mm.

 

Flachkollektoren

Nach Süden ausgerichtete, doppelt verglaste Flachkollektoren („SchücoSol DG“) (Bild 3) erzeugen die Wärme zur Beheizung der AKM. Am Institut wurden zwei parallel durchströmte Kollektorfelder mit je sechs Kollektoren aufgebaut. Die gesamte Kollektorfläche beträgt 32 m². Die Heiztemperatur liegt zwischen 85 und 120 °C, je nach Tageszeit und Einstrahlungsbedingungen. Ab einer Solarstrahlung von etwa 600 W/m² kann die AKM zur Kälteerzeugung genutzt werden.

 

Rückkühlung

Mit einem trockenen Rückkühlgerät (Bild 4) werden Kondensator und Absorber der Absorptionskältemaschine über einen geschlossenen Wasserkreislauf gekühlt. Die Rückkühltemperatur liegt etwa 5 bis 6 K über der Umgebungstemperatur. Je nach Wetter und Tageszeit kann eine Rückkühltemperatur zwischen 25 und 40 °C gefahren werden.

 

Kühldecken und Raumkühlung

Im Institutsgebäude werden vier Büros und ein Besprechungsraum über Kühldecken gekühlt (Bild 5). Die gesamt gekühlte Raumfläche beträgt 110 m². Jedes Büro ist an Werktagen von ungefähr 8:00 bis 18:00 Uhr mit etwa drei Personen belegt. Es ist von hohen internen Lasten auszugehen, da pro Raum mehrere Computer genutzt werden. Die Vorlauftemperatur der Kühldecken beträgt zwischen 13,5 und 16 °C, um die nötigen Kühlleistungen übertragen zu können. Bildung von Tauwasser wurde bisher nicht beobachtet. Die Belegung des Besprechungsraums variiert. Sämtliche Räume sind nach Osten hin ausgerichtet.

 

Eisspeicher

Die eingebauten Eisspeicher (siehe Bild 6) wurden ebenfalls am ITW entwickelt. Bei einer maximal speicherbaren Kälteenergiemenge von 35 kWh und einem maximalen Füllvolumen von 500 l sind diese sehr kompakt aufgebaut und wesentlich kleiner als am Markt verfügbare Eisspeicher.

Experimentell und aus dem Betrieb gewonnene Messdaten und theoretische Betrachtungen der Be- und Entladung wurden bereits veröffentlicht [1], [2]. Der Eisspeicher wird von der Absorptionskältemaschine beladen und dient vornehmlich der Speicherung überschüssiger Kälteenergie und als zusätzliche Möglichkeit zur Raumkühlung. Beladung und Entladung werden intern über einen im Speicher integrierten Wärmeübertrager realisiert.

Die Beladung des Eisspeichers findet überwiegend an Wochenenden statt. An Wochenenden gibt es kaum Kühlbedarf in den Räumen, dennoch kann dank der Speichermöglichkeit die AKM arbeiten. Die Laufzeit und Auslastung wird erhöht und es treten, z.B. an den Kollektoren, keine Stagnationsprobleme auf. Des Weiteren sinkt die Leistungszahl bzw. der COP der AKM mit abnehmenden Verdampfertemperaturen. Für einen wirtschaftlichen Betrieb der AKM ist es daher zwingend notwendig die Betriebszeiten bei niedrigen Verdampfertemperaturen möglichst gering zu halten oder nur dann zu fahren, wenn aufgrund niedriger Kühllast keine hohen Verdampfertemperaturen möglich sind, wie z.B. an Wochenenden.

Die AKM kann auch als Wärmepumpe betrieben werden. Primäres Problem hierbei stellt jedoch die Bereitstellung der Wärme bei Temperaturen zwischen 90 und 110 °C dar. Die Verdampfungswärme kann sowohl durch Abkühlung der Eisspeicher als auch über die Trockenkühler geliefert werden. Die Abfuhr von latenter und fühlbarer Wärme aus dem Eisspeicher resultiert in einem Vereisen der Speichermasse Wasser. Das Abschmelzen des Eises bzw. die Regeneration der Eisspeicher erfolgt über die Solarkollektoren.


Messdaten und Betriebsverhalten des Kühlsystems | Die Absorptionskälte­maschine arbeitet mit Heiztemperaturen zwischen 85 und 140 °C. Am Verdampfer werden Temperaturen zwischen -10 und 20 °C gefahren. Die Rückkühlungstemperatur bewegt sich zwischen 25 und 40 °C, je nach Tageszeit und Umgebungstemperatur.

Die Regelung des Systems ermöglicht einen reibungslosen Übergang von direkter Raumkühlung zur Beladung der Eisspeicher durch die Absorptionskältemaschine, aber auch die indirekte Raumkühlung durch Entladung der Eisspeicher.


Experimentelle Laborvermessung an der AKM

Während der Laborvermessungen wurden der AKM definierte Randbedingungen aufgeprägt. Thermostate sicherten an Austreiber und Verdampfer konstante Heiz- und Verdampfungstemperaturen. Die Rückkühltemperaturen wurden über eine Drehzahl-Anpassung der Ventilatoren des Trockenkühlers reguliert.

Die in der Tabelle 1 aufgeführten Messdaten geben einen Überblick über die Leistungsfähigkeit der AKM unter verschiedenen Randbedingungen. Die Heiztemperatur variiert zwischen 90 und 110 °C, die Verdampfertemperatur zwischen -10 und 15 °C. Die Rückkühltemperatur beträgt annähernd konstant 27 °C. Anhand der Messdaten wird klar, dass die Heizungstemperatur ein stark limitierender Faktor für die Kälteleistung ist. Dennoch ist schon bei einer moderaten Heizungstemperatur von 100 °C eine hohe Kälteleistung bei gutem COP möglich, abhängig natürlich von der Verdampfungstemperatur.

90 °C stellt die unterste Grenze der Heiztemperatur dar. Selbst bei etwa 15 °C Verdampfungstemperatur und guter Rückkühlung mit ca. 27 °C ist hierbei nur noch eine geringe Kälteleistung von 5,9 kW bei einem COP von 0,59 erreichbar.

Zum Vergleich sind in Tab. 2 Messergebnisse aufgeführt bei extremen Rückkühlbedingungen an Absorber und Kondensator der AKM, d.h. bei hohen Außenlufttempe-raturen. Dennoch generiert die AKM bei einer Rückkühltemperatur von etwa 40 °C eine Kälteleistung von 6,4 kW, bei einer Verdampfertemperatur von 14,5 °C.


Betriebsverhalten des Eisspeichers

Bild 7 zeigt die Beladung des Eisspeichers mit der solar beheizten AKM über einen vollständigen Tagesgang (30.08.2008) hinweg. Dargestellt sind die Heizleistung der AKM, die Beladungsleistung des Eisspeichers sowie die gespeicherte Kälteenergie. Die Beladung fand zwischen 9:50 und 17:00 Uhr statt. Erkennbar ist die Abhängigkeit der Kälteleistung von der Heizleistung. Mit zu- bzw. abnehmender Heizleistung nimmt auch die Kälteleistung zu oder ab. Im Eisspeicher steht eine Beladungsleistung von etwa 3 bis 5 kW zur Verfügung. Der Eisspeicher wurde an diesem Tag zu etwa 75 % beladen. Der Verlauf von Ein- und Austrittstemperatur am Wärmeübertrager des Eisspeichers ist in Bild 8 dargestellt.

 

Regelverhalten des Gesamtkühlsystems

In Bild 9 wird das Regelverhalten des Kühlsystems dargestellt [3]. Betrachtet werden dabei die Austrittstemperatur des Verdampfers der AKM, die Austrittstemperatur des Kaltwasserspeichers und die Eintrittstemperatur der Kühldecken in den Räumen.

In dem Diagramm sind zehn Phasen (römisch I-X) des Anlagenbetriebs eingezeichnet, die nachfolgend erläutert werden:

I 8:00 Uhr: Das Kühlsystem geht in Betrieb. Die Pumpe zur Durchströmung der Kühldecken wird angeschaltet. Aufgrund fehlender Solarstrahlung kann die AKM noch keine Leistung bereitstellen. Folglich wird der Eisspeicher entladen.

II 9:50 Uhr: Die AKM schaltet an. Am Austreiber ist das benötigte Temperaturniveau erreicht. Eisspeicher und Kaltwasserspeicher werden nicht durchströmt. Die Kälteleistung wird über Wärmeübertrager 1 (Siehe Bild 1) bereitgestellt.

III 10:50 Uhr: Der Temperaturabfall am Verdampfer ist ein Indiz dafür, dass die bereitgestellte Kälteleistung den Kältebedarf in den Räumen übersteigt. Deshalb wird der Kaltwasserspeicher zugeschaltet und so beladen.

IV 11:55 Uhr: Die Verdampfertemperatur sinkt. Damit der Wärmeübertrager 1 nicht einfriert, muss der Eisspeicher nun durchströmt werden. Parallel dazu wird der Kaltwasserspeicher entladen, um die Raumkühlung sicherzustellen.

V 13:00 Uhr: Die Vorlauftemperatur der Kühldecken steigt auf 16 °C an. Der Kalt­wasserspeicher ist somit komplett entladen. Um die Raumkühlung aufrecht zu erhalten, wird wieder über Wärmeübertrager 1 die Kälteleistung von der Kältemaschine bereitgestellt.

VI-IX 13:40 Uhr: Die Phasen IV und V wiederholen sich zweimal.

X 17:20 Uhr. Aufgrund der abnehmenden Solarstrahlung sinkt die Heizleistung und die AKM schaltet sich automatisch ab. Die Raumkühlung wird durch die Entladung des Kaltwasserspeichers fortgesetzt.


Zusammenfassung und Ausblick | Am Institut für Thermodynamik und Wärme­technik (ITW) wurde im Frühjahr 2008 ein System zur Raumkühlung eines Teils des Institutsgebäudes erfolgreich in Betrieb genommen, mit einer solarbetriebenen Absorptionskältemaschine als Kernstück. Nach Umbauten von Herbst 2008 bis Anfang Februar 2009 steht nun ein voll automatisiertes System zur Kühlung von einer gesamten Bürofläche von 110 m² zur Verfügung. Parallel zur Pilotanlage am ITW wurden zusammen mit dem Projektpartner Schüco International KG zwei weitere Demonstrationsanlagen in Bielefeld und Groß Rohrheim aufgebaut. Optimierungsmaßnahmen an Komponenten und Regelung, Prüfung alternativer Bauteile und der Betrieb der AKM als Wärmepumpe sind weitere wichtige Arbeitspunkte des zukünftigen Projektverlaufs.

Dieses Forschungsprojekt wird in Kooperation mit der Firma Schüco International KG durchgeführt und mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert.

Der Beitrag wurde im Rahmen der DKV-Tagung 2009 in Berlin als Vortrag gehalten.



Quellenverzeichnis
[1] Koller, T. et al.; Vermessung und Betrieb eines kleinen Eisspeichers; A.II.1.4; DKV-Tagungsband 2007
[2] Koller, T. et al.; Simulation und Betrieb eines Eisspeichers; A.II.1.11; DKV-Tagungsband 2008
[3] Zetzsche, M. et al.; Betriebserfahrungen für solares Kühlen mit einer Ammoniak/Wasser Absorptionskältemaschine; II.1.13; DKV-Tagungsband 2008
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