Heizen und Kühlen mit Eis

Effiziente Energieversorgung im Bürogebäude

Um Gebäude fit für die Anforderungen der Zukunft zu machen, sind Lösungen jenseits von Standards zu finden. Dies hat das Ingenieurbüro Seidl & Partner Gesamtplanung GmbH anhand eines innovativen Energieversorgungskonzepts für die „TechBase“, ein Bürogebäude mit Laborflächen, in Regensburg umgesetzt.

Das Gebäude

Mit dem Ziel, das in Regensburg vorhandene Technologiepotential zu unterstützen, wird der „TechCampus Regensburg“ auf einem ehemaligen Kasernenareal von 35 ha zen­trumsnah und in direkter Anbindung an den Regensburger Hochschul- und Universitätscampus entwickelt. Um engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft durch die Nähe zur Hochschule und durch wissenschaftliche Aktivitäten auf dem TechCampus zu fördern, entsteht die „TechBase“ in zwei Bauabschnitten, die gleichzeitig realisiert werden.

Die „TechBase“ umfasst das im ersten Bauabschnitt entstehende Gründer- und Technologiezentrum für innovative Gründer und technologisch orientierte Firmen. Im zweiten Bauabschnitt wird das zweite, als Tiefgarage genutzte Untergeschoss mit einer Versuchshalle eingeschossig und im östlichen Teilbereich mit dem dreigeschossigen Baukörper des Forschungs- und Entwicklungsverfügungsgebäudes überbaut. Während sich in den Obergeschossen in der Regel Büroflächen und entsprechende Nebenräume befinden, sind im Erdgeschoss Sondernutzungen mit Seminarbereichen, Foyerflächen und einem Küchenbereich untergebracht. Das erste Untergeschoss des zweiten Bauabschnitts wird in den als Versuchsbereichen bezeichneten Flä­chen für Forschungszwecke genutzt.

Das Energiekonzept

Für die Wärmeerzeugung sind eine Sole-/Wasser-Wärmepumpe mit einem 1.500 m³ großen Eisspeicher als Wärmequelle, ein erdgasbetriebenes BHKW und ein Gas-Brennwertkessel installiert worden. Die Kälteversorgung erfolgt entweder über den Eisspeicher und/oder über eine Absorptionskältemaschine, welche über die Abwärme des Blockheizkraftwerks angetrieben wird. In Hinblick auf die Ansiedlung von jungen und innovativen Gründern als zukünftige Mieter sollte auch das Gebäude den Anforderungen der Zukunft hinsichtlich Innovation und Energieeffizienz gerecht werden. In enger Abstimmung zwischen Bauherr und Planungsbüro konnte ein in dieser Zusammensetzung deutschlandweit einmaliges Projekt realisiert werden.

Eisspeicher als Herzstück

Direkt neben dem „TechBase“ wurde ein 1.500 m³ großer, unterirdischer Eisspeicher realisiert. Dieser ist das zentrale Element der thermischen Energieversorgung des Gebäudes. Im Winter dient der Eisspeicher als Wärmesenke für die Wärmepumpe. Mit zunehmendem Energieentzug beginnt das Wasser zu gefrieren. Am Ende der Heizperiode ist der Eisspeicher nahezu durchgefroren und kann nicht mehr zur Wärmebereitstellung des Gebäudes genutzt werden. Nun übernimmt der Eisspeicher allerdings seine zweite – im Zeichen des voranschreitenden Klimawandels zunehmend wichtigere – Funktion als riesiges Kältereservoir. Der sommerliche Kühlbetrieb erfolgt in erster Linie über den Eisspeicher. Hier kann der Eisspeicher seine ökonomischen sowie ökologischen Vorteile ausspielen und verhilft dem Objekt zu einer sehr guten Ökobilanz.

Thermisch-energetische Gebäudesimulation

Im Zuge des Planungsprozesses wurde für das Objekt auch eine thermisch-energetische Gebäudesimulation durchgeführt, mit den Zielen, realistische Bedarfsanforderungen abschätzen zu können, einen Funktionsnachweis der im Konzept vorliegenden Energietechnik zu erbringen und das Verhalten bestimmter Parameter in einem dynamischen Modell zu untersuchen. So konnten beispielsweise Stellwerte für die Globalstrahlung zur Steuerung des Sonnenschutzes gefunden werden, genauso wie optimale Betriebsszenarien für die freie Kühlung des Gebäudes über die RLT-Anlagen in den Nachtstunden. Diese Szenarien können in eine Gebäudesimulation implementiert werden, ermöglichen so eine Verkürzung der Inbetriebnahmephase und reduzieren eine teure Testphase im realen Betrieb. Im Zuge der Gebäudesimulation konnte auch das Betriebsverhalten der Wärme- und Kälteerzeugungssysteme abgebildet und energetische Optimierungspotentiale gefunden werden.

Raumkomfort durch Bauteilaktivierung

Im Zusammenhang mit Wärme­pumpen im Wärmeerzeugungssystem ist grundsätzlich auf Niedertemperatur-Heizflächen zu achten – denn die Effizienz der Wärmepumpe hängt maßgeblich von der Temperaturspreizung und damit von der Vorlauftemperatur ab. In der „TechBase“ kommt im Großteil des Gebäudes eine Bauteilaktivierung zum Einsatz. Diese schafft durch die niedrigen Systemtemperaturen den Grundstein für einen effi­zien­ten Betrieb der Wärmepumpe. Doch nicht nur im Heizfall kann die Bauteilaktivierung genutzt werden, gleiches gilt in umgekehrter Weise auch für den Kühlfall. Hier kommt das System mit vergleichsweise hohen Systemtemperaturen aus, was sich ebenfalls wieder positiv auf die Effizienz der Kälteerzeugung auswirkt. Darüber hinaus bietet sie die Möglichkeit, durch ihre Trägheit eine große Menge an Energie zwischenzuspeichern. Diese Trägheit erfordert allerdings eine bewusste Beladungssteue­rung der Bauteile, denn hier kann auf interne und externe Lastschwankungen nicht so kurzfristig reagiert werden, wie es beispielsweise mit kombinierten Heiz- und Kühldecken möglich wäre.

BHKW liefert Eigenstrom

Obwohl das BHKW wärmegeführt betrieben wird, ist das Ziel möglichst viel vom eigenproduzierten Strom selbst zu nutzen. Dies kann durch geschickte Steuerung der komplexen Ener­gie­erzeugung erfolgen. Im Energiemanagement kann über hinterlegte Bedarfskurven der Strombedarf im Gebäude berücksichtigt werden. So ist beispielsweise durch die intensive Ausstattung mit Servertechnik eine relativ große Grundlast für dessen Betrieb bereitzustellen. Die schwankende Spitzenlast korreliert mit dem Tagesgang der Raumbelegungen. Ziel ist es, einen großen Teil der Grundlast und einen gewissen Anteil der Spitzenlast durch günstigen Eigenstrom abzudecken. Nicht zuletzt mit den eigenen E-Ladesäulen setzt das „TechBase“ den Grundstein für die Technik der Zukunft.

Betriebsbegleitendes Monitoring

Nachdem aktuell die Planungs- und Bauphase abgeschlossen ist und das Gebäude im Frühjahr 2016 von den ersten Mietern bezogen wird, startet parallel das zunächst auf zwei Jahre angesetzte Monitoring. Durch eine Vielzahl von Temperatursensoren und Energiezählern wird es möglich sein, weitere Optimierungspotentiale zu erkennen und so eine maximale Energieeffizienz aus dem Gebäude herauszuholen. Ein Maximum an Komfort und Versorgungssicherheit bei gleichzeitig niedrigen Betriebskosten – dies ist das Ziel des Monitoringprojekts, bei dem sowohl die Fa. Seidl & Partner als auch Bauherr, diverse Anlagenhersteller und ausführende Firmen mit im Boot sitzen.

Fazit

Mit seinem – in dieser Kombination – einzigartigen Energieversorgungskonzept ist die „TechBase“ gerüstet für die Aufgaben der Zukunft.

Sowohl die Anforderungen bedingt durch den Klimawandel als auch die Notwendigkeit nachhaltiger und ressourcenschonender Konzepte erfüllt das Gebäude. Mit viel Engagement wurde in Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft – der R-Tech GmbH –, des Planungsbüros Seidl & Partner in Regensburg und den anderen Planungsbeteiligten ein einzigartiges Pilotprojekt realisiert, das regional und überregional Vorbildcharakter für weitere Projekte haben soll.

Kennwerte

Bruttogrundfläche⇥22.109 m²
Nettogrundfläche⇥20.821 m²
Bruttovolumen⇥82.185 m³
Konditionierte Nettogrundfläche⇥17.821 m²
Heizlast⇥313 kW
Spezifische Heizlast⇥17,6 W/m²
Kühllast⇥50 kW
Spezifische Kühllast⇥25,3 W/m²

Eisspeicher

Wasser ist ein bewährtes Speichermedium für thermische Energie. Die spezifische Wärmespeicherkapazität ist mit rund 4,18 kJ/(kg K) für natürliche Stoffe extrem hoch. Warum also anstatt eines konventionellen Pufferspeichers einen Eisspeicher verwenden?


Der Clou liegt in der spezifischen Schmelzenthalpie von Wasser. Beim Phasenübergang von fest nach flüssig werden 334 kJ/kg an Energie frei. Somit kann einem Liter Wasser beim Gefrieren so viel Energie entzogen werden wie beim Abkühlen von Wasser von 80 auf 0 °C frei wird. Da der Eisspeicher zudem ein Latentwärmespeicher ist, bleibt die Temperatur während des Phasenübergangs konstant bei 0 °C. Diese Kenntnis kann bei der Auslegung der Komponenten (z. B. Wärmepumpe) genutzt und die Anlage dahingehend energetisch optimiert werden. Ein weiterer Vorteil eines Eisspeichers ist, dass die thermische Energie auf einem sehr niedrigen Temperaturniveau vorliegt und so die thermischen Verluste sehr gering gehalten werden können.

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