Kongeniale Kühlung für ein Rechengenie

Turbokältemaschine für Rechenzentrum der TU Darmstadt

Die TU Darmstadt ist seit kurzem Standort eines der 100 schnellsten Hochleistungsrechner in Europa. Das Rechengenie steht den Wissenschaftlern aller hessischen Universitäten für ihre Forschungsarbeit zur Verfügung. Auf dem Campusgelände an der Lichtwiese bekam der Rechner ein eigenes Gebäude, ausgestattet mit einem hoch effizienten, Glykol-freien Klimasystem, einer Kombination aus Freier Kühlung und „gleitender Ergänzung“ durch eine Turbokältemaschine.

Der von IBM gelieferte Lichtenberg-Hochleistungsrechner schafft die unglaubliche Zahl von 4,2 Billionen Rechenoperationen in einer Sekunde und ist so flexibel aufgebaut, dass er für unterschiedlichste Programme, Simulationen und Berechnungen die passende Architektur bereit hält. „Da die typische Lebensdauer – insbesondere von komplexen Ingenieursanwendungen – mehrere Rechnergenerationen umfasst, ist diese Nachhaltigkeit heute wichtig“, heißt es in einer Pressemeldung der TU Darmstadt.

 

Intelligentes Klimakonzept

Die Generalplanung für das Rechnergebäude und die TGA wurden im Auftrag der TU Darmstadt von der heutigen IPF Engineering GmbH/SWJ-Gruppe in enger Zusammenarbeit mit IBM als Hersteller des Rechners entwickelt. Vorgabe war, keine wasserschädigenden Stoffe im Kühlsystem zu verwenden und so lange wie möglich mit Freier Kühlung zu arbeiten. Entstanden ist ein raffiniertes Zusammenspiel von Freier Kühlung, dem „iDataplex“-Kühlsystem von IBM und einer Carrier-Turbokältemaschine vom Typ „19XRV“ mit 1,7 MW Kälteleistung und Drehzahlregelung über Frequenzumrichter mit aktiven Gleichrichtern, die sich bei Bedarf „gleitend“ in den Prozess einfügt.

 

Priorität Freie Kühlung

Die Rechnermodule sind mit dem „iDataplex“-Gehäuse ausgestattet, das wassergekühlte Rücktüren beinhaltet. Das Kaltwasser für dieses System kommt primär vom geschlossenen Freikühler. Die Kaltwassertemperatur von 17 °C/ 23 °C stellt sicher,

dass die kalte Luft über die Serverracks einen genügend großen Abstand zum Taupunkt hat und damit ein trockener Wärmeaustausch sichergestellt ist,

dass möglichst lange mit freier Kühlung gearbeitet werden kann (mindestens 8000 Betriebsstunden pro Jahr), und

dass bei Zuschalten der Turbokältemaschine eine sehr hohe Effizienz der mechanischen Kälteerzeugung erreicht wird.

Das IBM-Kühlsystem ist über Monitoring mit der Gebäudeleittechnik verbunden, so dass auf etwaige Störungen sehr schnell reagiert werden kann. Die vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach gemessene Jahresmittel-Außentemperatur für Hessen liegt bei 9,9 °C. Die Kälteanlage schaltet bei einer Außentemperatur von ≤18 °C zu 100 % in Freikühlbetrieb.

 

Kältemaschine mit Frequenzumrichter

Wenn die Freie Kühlung für die Kälteversorgung nicht mehr ausreicht, wird sie durch die nachgeschaltete Turbokältemaschine unterstützt. Da diese auch Teillasten bis 10 % sicher und effizient fahren kann, geschieht dies nahezu übergangslos. Der Freikühler übernimmt dann auch in Doppelfunktion die Rückkühlung der Kältemaschine.

Die „19XRV“-Turbokältemaschine von Carrier (www.carrier.de) zeichnet sich durch einen hohen Wirkungsgrad aus – im Teillastbetrieb erreicht sie einen EER von über 13. Die Rückwirkungen des  Frequenzumformers, der eingangsseitig mit IGBTs ausgerüstet ist,aufs Netz liegen bei der gewählten Technologie bei unter 5 %. Zum Vergleich: Übliche Gleichrichter weisen eine „Netz-Verschmutzung“ durch harmonische Oberwellen von ca. 40 % auf. Außerdem erlaubt der Frequenzumformer eine Reduzierung des Anlaufstroms weit unter den Betriebsstrom. Auch dies vermindert die Belastung des Stromnetzes und seiner Komponenten. Durch den Einsatz dieser innovativen IT und der Kühlsystemkomponenten wird nachweislich ein PUE von 1,2 erreicht.

Der halbhermetische Kompressor und der an der Maschine aufgebaute und bereits fertig verdrahtete Frequenzumrichter sind kältemittelgekühlt. Ihre Abwärme wird direkt über den Kühlkreislauf wieder abgeführt.

 

Sicherheit vor Frost und Störungen

Der berieselte Freikühler ist leicht schräg aufgestellt. Bei Frostgefahr oder Stromausfall kann das Wasser innerhalb von weniger als 40 Sekunden in den im Gebäude frostfrei aufgestellten Funktionsbehälter entleert werden. Eine Ausgleichsleitung zwischen Funktionsbehälter und Freikühler sorgt dafür, dass in einem solchen Fall die durch das nach unten strömende Wasser verdrängte Luft in den Freikühler „ausbläst“. Eine motorgetriebene Jalousie am Rückkühler wird bei tiefen Umgebungstemperaturen zur Temperaturregelung eingesetzt, damit selbst bei extrem niedrigen Außentemperaturen die Kaltwassertemperatur für das Rechenzentrum sichergestellt ist.

Der 18 m³ fassende Pufferspeicher erlaubt den Betrieb der Anlage über ca. eine halbe Stunde ohne Kälteerzeugung, so dass im Notfall alle Systeme problemlos heruntergefahren werden können, ohne einen Verlust von Daten zu riskieren.

 

Auf die Zukunft ausgerichtet

Das Gesamtkonzept für den Hochleistungsrechner, das der TU Darmstadt den Sieg in der Ausschreibung des Bundes eintrug, war nicht nur gründlich und bis ins kleinste Detail geplant, sondern auch langfristig angelegt. Immer mehr lösen Simulationen die experimentelle Forschung ab, was ständig steigende Rechnerleistungen erfordert. Darum wurden IBM-Rechner mit kleinem foot print – viel Rechenleistung auf wenig Platz – ausgewählt, das Gebäude erlaubt eine Erweiterung der Rechnerarchitektur und auch das Energiekonzept ist auf zukünftige Anforderungen ausgerichtet.

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