Sind Gewerbekälteanlagen mit R744 kompliziert?

Reiss-Infoveranstaltungen in Deutschland und Österreich

Durch die F-Gas-Verordnung gewinnen natürliche Kältemittel immer stärker an Bedeutung. Hiervon ist das Kältemittel CO2 (R744) natürlich nicht ausgenommen. Doch trotz seiner langen Tradition haben viele Kälteanlagenbauer noch Berührungsängste mit diesem Kältemittel. Diese wollte der Großhändler Reiss Kälte-Klima mit Info-Veranstaltungen in seinen Niederlassungen, die von Januar bis März stattfanden, abbauen.

Nicht für Sie! So lautet die Antwort von Reiss auf die in der Überschrift gestellte Frage. In zwei Fachvorträgen über CO2-Verflüssigungssätze der Firma Sanden und CO2-Verdampfer von Roller sowie in einer Praxisvorführung an einer Demoanlage wurde den Teilnehmern veranschaulicht, wie CO2-Anlagen geplant und installiert werden und worauf Hersteller und Anlagenbauer in diesem Zusammenhang zu achten haben.

 

Eigenschaften von CO2

Die KKA-Redaktion war bei der Veranstaltung in Dortmund vor Ort dabei. Dort informierte Thomas Müller, Reiss-Niederlassung Dortmund, zuerst über die Historie und die Grundlagen des Kältemittels. Die erste Kompressionskälteanlage mit CO2 wurde schon 1881 von Carl Linde erbaut. Anfang der 30er Jahre wurde CO2 in Industrieanlagen immer mehr durch Ammoniak als Kältemittel abgelöst. Erst in den 90er Jahren rückte CO2 wieder stärker in den Fokus der Hersteller und kommt als Kältemittel heute vor allem im Bereich der Supermarktkälte zum Einsatz. CO2 ist ein natürlich vorkommendes, ungiftiges, farb- und geruchloses, nicht brennbares und günstiges Gas ohne Ozonzerstörungspotential und mit einem sehr geringen GWP von 1 (GWP = Global Warming Potential). Es ist chemisch stabil und besitzt sehr gute thermodynamische Eigenschaften. Die Kehrseite der Medaille ist die bei höheren Konzentrationen auftretende Erstickungsgefahr (Risiko bei Leckagen an Kälteanlagen) sowie seine im Vergleich zu den gängigen F-Gas-Kältemitteln deutlich höheren Drucklagen.

 

CO2-Lösung für kleinere Gewerbekälte-Anwendungen

Diese Risiken seien aber beherrschbar, beruhigte Thomas Müller. „R744-Anlagen müssen nicht kompliziert sein. Das zeigen die luftgekühlten Verflüssigungssätze mit drehzahlgeregelten Scroll-Kompressoren für die Außenaufstellung der Firma Sanden, die Sie bei Reiss und Teko erhalten können.“

Der Hersteller Sanden ist ein weltweit tätiger Anbieter von Heiz- und Kühltechnologien in den Bereichen Fahrzeuge, Verkaufsautomaten, kommerzielle Kühlsysteme sowie Wärmepumpen. Seit 2009 hat Sanden CO2-Technologie im Programm – das Angebot umfasst firmeneigene Kompressoren, flexible Kühlmodule und eine breite Palette von Systemen für Einzelhandel und die gewerbliche sowie industrielle Kühlung.

Mit den Geräten von Sanden steht eine einfache Lösung für die Gewerbeanwendung im kleinen Leistungsbereich zur Verfügung. Dabei handelt es sich um handhabungssichere Verflüssigungssätze, die aufgrund ihrer Eigendrucksicherheit auch bei einem Stillstand der Anlage keine Probleme bereiten. Sie sind kompakt, leise und punkten zudem durch ihre niedrige Kältemittelfüllmenge (kein Sammler) sowie ihre modulare, einfache und flexible Installation. Sie sind in drei Größen – mit einem bis drei Verdichter – verfügbar und sind sowohl für NK- als auch für TK-Anwendungen einsetzbar. Die Anlagen regeln sich einfach und autark; bei der Inbetriebnahme müssen nur wenige Parameter eingestellt werden. Zu beachten ist in jedem Fall, ob die sonstigen Bauteile der Kälteanlage für die hohen Drücke im System zugelassen sind. Die Leistungsregelung erfolgt über die Verdichterdrehzahl und passt sich dem im Regler eingestellten Saugdruck an. Wen nur eine Kühlstelle im Kältekreis angeschlossen ist, wird diese durch das interne Hochdruckventil geregelt, bei mehreren Kühlstellen muss vor jede ein Elektronisches Expansionsventil (EEV) gesetzt werden, damit eine separate Regelung erfolgt. Die beiden größeren Kaskadenmodule verfügen über ein separates Hochdruckventil, das den optimalen Hochdruck der Kaskade in Abhängigkeit der Lufteintrittstemperatur in den Gaskühler regelt.

Die Verdichter der Kühlkreise laufen an, sobald ein entsprechender Kühlbefehl anliegt. Fällt dieser ab, wird die Verdichterdrehzahl kontinuierlich reduziert, so dass die Verdichter innerhalb von drei Minuten stoppen. Dabei bleibt immer mindestens ein EEV geöffnet, um eine Hochdrucküberschreitung zu vermeiden. Dies alles wird von der Steuerung automatisch übernommen. Aufgrund der hohen Drücke dürfen im System nur Rohrleitungen nach DIN EN 12735-1 verwendet werden. Die maximale (einfache) Rohrlänge beträgt bei NK-Anwendungen 30 m und bei TK-Anwendungen 20 m je Kreislauf. Es sind Höhenunterschiede zwischen Verdampfer und Verflüssigungssatz von 5 m oberhalb und 10 m unterhalb möglich – bei Überschreitungen wäre der Leistungsverlust zu groß und die Ölversorgung nicht mehr gesichert. Die Bestimmung der Kältemittelfüllmenge erfolgt bei Kenntnis der Rohrleitungslänge, der Verdampfungstemperatur und des Verdampfervolumens in einer simplen Rechnung. In jedem Fall muss aufgrund der erstickenden Wirkung von CO2 die mögliche CO2-Konzentration im Raum bei einer Leckage beachtet werden. Übersteigt diese den Wert von 0,1 kg/m³ Raumvolumen, muss ein Gaswarngerät eingebaut werden – und zwar in jedem Raum, durch den eine Kältemittelleitung führt.

 

Luftkühler für hohe Drücke

Der Verflüssigungssatz ist ja nur ein Teil einer CO2-Anlage – man benötigt natürlich noch den passenden Verdampfer, der mit den hohen Drücken einer CO2-Anlage klar kommt. Rainer Ehrhardt, Firma Walter Roller, stellte hier die passenden Geräte aus dem Roller-Produktprogramm vor. Die Luftkühler für CO2 („CO2OLER“) gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen, mit denen die allermeisten Anwendungen abgedeckt werden können – von gängigen gewerblichen Anwendungen bis hin zu Luftkühlern für Fleischreiferäume oder Verdampfer für Theken und Tresen. Von außen betrachtet ähneln sie den bekannten Roller-Luftkühlern und sie besitzen auch die gleichen Produktmerkmale und verfügbaren Optionen. Dazu gehören z.B.: abklappbare Tropfschale, EC-Ventilatoren, aufwändiger Korrosionsschutz, Defrost-Damper, Abtauhaube, schwenkbare Ventilatoren, Soleabtauung, Wandkonsolen, Zargenheizung und Textilanschluss. Die Modelle, das Zubehör und alle Optionen sind im Roller-Auswahlprogramm hinterlegt.

Das Besondere an den CO2-Luftkühlern steckt also nicht im Korpus und dem Zubehör, sondern erst das Innenleben – der Wärmetauscher und die Rohre – ermöglichen die Nutzung mit Kohlendioxid als Kältemittel. Und dieses Innenleben muss für die Besonderheiten von CO2 gerüstet sein. Dazu zählt die hohe Drucklage (zum Vergleich: Druck von CO2 bei -10 °C = 27 bar, Druck von R404A bei -10 °C = 3,3 bar) und die große volumetrische Kälteleistung (CO2 bei -35 °C: 9,7 kJ/m³, R404A bei -35 °C: 1,6 kJ/m³). Der größte Unterschied zum Standard-Luftkühler besteht beim CO2-Luftkühler in der Ausführung des Rohrsystems. Durch die Eigenschaften von CO2 können Verdampfer bis ca. 5 kW noch ohne Mehrfacheinspritzung betrieben werden, wo hingegen vergleichbare Verdampfer für herkömmliche Kältemittel schon eine Mehrfacheinspritzung benötigen. Roller verwendet üblicherweise Kernrohre mit einem Durchmesser von 12 und 15 mm; bei den bisher verfügbaren CO2-Verdampfern mit max. zulässigem Betriebsdruck von 60 bar zusätzlich mit größeren Wandungsstärken. Um die Handhabung zu vereinfachen und die Anwendungsbereiche zu erweitern, hat Roller zudem einen Luftkühler für Anwendungen bis PS 80 bar entwickelt, bei dem innenberippte Rohre mit dem Durchmesser 9,52 mm und einer Wandstärke von 0,7 mm eingebaut werden. Wer bei der Drucklage von 80 bar Sicherheitsbedenken hat, den konnte Rainer Ehrhardt beruhigen. Die PS 80-Verdampfer werden bei Roller im Werk mit 115 bar geprüft. Damit ist aber noch lange nicht Schluss, denn der bei Roller getestete Berstdruck liegt bei stolzen 290 bar (siehe Foto). Die Roller-Luftkühler bilden daher zusammen mit den Sanden-Aggregaten ein ideales Doppel, um die Anwendungsbereiche für CO2-Anlagen zu erweitern.

Nach den beiden Vorträgen ging es dann für die Teilnehmer des Reiss-Seminars über zum praktischen Teil, bei dem der technische Leiter von Reiss, Peter Völlinger, die Inbetriebnahme und Funktionsweise des Sanden-Verflüssigungssatzes am realen Objekt demonstrierte. Das Antwort der Teilnehmer auf die Frage, ob Gewerbekälteanlagen mit R744 kompliziert seien, lautete dann am Ende des Nachmittags folgerichtig: „Für uns nicht!“

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