Wassermonitoring in Verdunstungskühlanlagen

Onlinebasiertes Wassermanagement für nachhaltige Kühlwasserbehandlung

In den Jahren 2010 und 2013 haben Fälle von Legionellose, einer durch Bakterien verursachten schweren Lungenentzündung, in Ulm und Warstein zu schweren Erkrankungen und sogar Todesfällen im unmittelbaren Umfeld von Verdunstungskühlungsanlagen geführt. Der Erreger war durch unzureichend desinfizierte Anlagen als Aerosol in die Atmosphäre gelangt, worüber sich in der Nähe lebende Personen im Umkreis von bis zu fünf Kilometer infizieren konnten. Diese dramatischen Ereignisse sorgten damals für Aufsehen in Bevölkerung, Fachwelt und Politik. Der Gesetzgeber hat daraufhin konsequent mit technischen wie auch gesetzlichen Regelungen reagiert.

Der Betrieb von Verdunstungskühlanlagen, Kühltürmen und Nassabscheidern ist in der 42. BImSchV zum Schutz der Gesundheit geregelt. Für die sachgerechte Planung, Errichtung, Inbetriebnahme und Instandhaltung hatte zunächst der VDI ein verpflichtendes Regelwerk erarbeitet (VDI 2047) – dieses Regelwerk ist in die 42. Bundesimmissionsschutzverordnung (42. BImSchV) eingeflossen. Seit 2018 regelt das Gesetz, dass Anlagen so geplant, gebaut und betrieben werden müssen, dass Verunreinigungen des Kühlwassers durch Mikroorganismen vermieden werden oder ihre Konzentration so niedrig gehalten wird, wie es der Stand der Technik ermöglicht.

Die 42. BImSchV legt Pflichten für den Betrieb von Verdunstungskühlanlagen fest

Eine Anzeigepflicht für alle bestehenden und neuen Anlagen über das Meldekataster (KAVKA)

Die Führung eines Betriebstagebuchs zur Dokumentation von Informationen und Maßnahmen

Die betriebsinterne Überprüfung des Nutzwassers im Zwei-Wochen-Rhythmus

Akkreditierte Labore prüfen alle drei Monate Koloniezahl und Legionellen, bei Auffälligkeiten häufiger

Eine verpflichtende Prüfung der Anlage alle fünf Jahre durch Sachverständige oder Inspektionsstellen

Sicherer Betrieb

Beim Betrieb von Kühlwasserkreisläufen ist ein effizienter Einsatz von Bioziden und Inhibitoren zur Sicherstellung der Gesundheit und den Schutz der Anlagen von entscheidender Bedeutung. Viele Betreiber gehen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus und setzen auf professionelle und kontinuierliche Systemüberwachung.

Achim Weissert, Produktmanager für das Water Care Systems W|C|S von Dr. Hartmann Chemietechnik erläutert: „Hauptgrund für ein professionelles Wassermonitoring ist primär der hygienische Betrieb von Rückkühlern, keine Frage. Neben dem hygienischen Betrieb sind zum Beispiel die Prozesssicherheit und Prozessoptimierung, die Einsparung von Ressourcen und Personal vor Ort – Stichwort Fachkräftemangel – und das Streben nach einem nachhaltigen Handeln Gründe für ein Wassermonitoring.“

Betreiber, die ein Wassermonitoring nutzen, gewährleisten die lückenlose Überprüfung und Probenahme relevanter chemischer und physikalischer Parameter in Verdunstungskühlanlagen. Durch teils automatisierte Dokumentation und regelmäßige Tests wird nicht nur der Schutz von Mensch und Umwelt sichergestellt, sondern auch der präventive Schutz der Anlagen unterstützt. Die richtige Auswahl und Dosierung von Inhibitoren und Bioziden, abhängig von der Wasserqualität, den verbauten Materialien sowie den Fließ- und Temperaturbedingungen im Kühlsystem spricht ebenfalls für die Verwendung einer dauerhaften Überwachung.

Dazu Achim Weissert: „Mit dem Wassermonitoring mittels W|C|S nehmen wir neben den wichtigsten chemisch-physikalischen Parameter auf, wie pH-Wert, Leitwert, Redoxpotenzial sowie Betriebs- und Störmeldungen von Dosierpumpen, Dosiermengen, Abwasser- und Zusatzwassermengen. Zusätzlich messen wir in unserem Labor die Werte Gesamthärte, Karbonathärte, Korrosionsparameter (Metalle), Chlorid, Sulfat, CSB, Ammonium, Nitrat und Ni­trit. Dies alles zusammen gibt uns Rückschluss auf den Zustand des gesamten Wassersystems.“

Rundum Serviceleistung

Planer, Kälteanlagenbauer und Betreiber von Verdunstungskühlanlagen werden beim geplanten Einsatz des W|C|S schon im Vorfeld umfassend beraten und bei Bau, Inbetriebnahme und Betrieb dauerhaft begleitet. Bei Bedarf wird nach VDI 2047 Blatt 2 geschult: immer in Hinblick auf den gesamten wassertechnischen Blick auf Wasserhygiene. Neben Wasserqualität, Dosierung von Chemikalien, Absalzung und energieeffizienten Betrieb spielt auch die Identifizierung beispielsweise von Totstrecken in einem System eine Rolle, ebenso wie die Techniker-Betreuung bei Instandhaltung, Reparatur und Wartung vor Ort.

Wassermonitoring und Controlling

„Onlinebasiertes Wassermonitoring ermöglicht zwar vielfältige Kosteneinsparungen“, erklärt Achim Weissert weiter, „jedoch sind diese nicht notwendigerweise die primären Anreize. Vielmehr kann das System als präventive Maßnahme betrachtet werden. Durch kontinuierlich gelieferte Daten, die frühzeitig Abweichungen erkennen lassen und definierte Alarmroutinen beinhalten, kann im Ernstfall eine schnelle Analyse erfolgen. Dies ermöglicht es, bereits zu einem frühen Zeitpunkt konkrete Maßnahmen zu ergreifen und Zeit-, Energie- sowie Kosten­einsparungen zu realisieren. Besonders wichtig sind jedoch die frühzeitige Erkennung und Vermeidung zukünftiger haftungsrechtlicher und kostspieliger Risiken.“

Einige Beispiele:

Vermeidung von Über- oder Unterdosierung von Bioziden und Inhibitoren (Kostenspareffekte)

Risiko eines Legionellenbefalls des Kühlers wird minimiert – Legionellenbefall mit Prüf- und Maßnahmenwertüberschreitung bedeutet zusätzliche Maßnahmen wie Reinigung, Desinfektion, zusätzliche Beprobungen und Auswertungen im Labor

Wassereinsparungen, da die Eindickung kontrolliert an ein Maximum gefahren werden kann

Teile der Dokumentationsaufwendungen werden durch das W|C|S® automatisiert ausgeführt (Personaleinsparungen)

Lebensdauer der Verdunstungskühlanlage wird verlängert (weniger Korrosion und Ablagerungen)

Agieren statt reagieren. Präventiv kann im Falle eines Falles bei Abweichungen sofort eingegriffen werden

Aufbau und Funktionsweise des W|C|S

Das W|C|S erfasst Sensor- und Messdaten und leitet sie an einen Server in Deutschland weiter. Erfahrene Wasserexperten überwachen die Daten auf Grenzwerte, Trends und Plausibilität. Kunden erhalten neben der Hard- und Software auch die Expertise der Wasserspezialisten von Dr. Hartmann, was eine kontinuierliche Unterstützung mit Datenerfassung, -auswertung sowie Berichterstattung ermöglicht.

Die Basis bildet das W|C|S-Board, das im Bypass der Verdunstungskühlanlage oder des Systemwasserkreislaufs integriert wird. Es sammelt alle relevanten Messdaten und steuert die Absalzung sowie die Dosierung von Konditionierungsmitteln und Bioziden. Durch Sicherheitsnormen ISO/IEC 27001 und ISO/IEC 27017, Verschlüsselungs- und Übertragungsstandards wie TLS und IPSec sowie End-to-End-Verschlüsselung und den ausschließlichen Einsatz von Rechenzentren innerhalb Deutschlands wird eine sichere Fernüberwachung gewährleistet. Dies umfasst physische Verbindungen, Netzwerk­sicherheit und Cloudsicherheit.

Dashboard, Handlungsempfeh­lungen und Monatsberichte

Auf einem neu entwickelten Dashboard, das jederzeit am Desktop oder Mobilen Endgeräte genutzt werden kann, bietet das W|C|S ein aktuelles Monitoring. Kunden erhalten monatliche Statusberichte mit Handlungsempfehlungen und einer Ampelfunktion zur sofortigen Reaktion im Alarmfall. Wasserfachleute analysieren die Daten und sorgen für einen reibungslosen und hygienisch einwandfreien Betrieb, die Vermeidung von Funktionsstörungen und die Verbesserung des Anlagenwirkungsgrades. Das System bietet beratende Unterstützung an und steht den Betreibern proaktiv zur Seite. Die Betreiberverantwortung bleibt jedoch beim Kunden. Es kann jedoch nicht nur für das Monitoring von Verdunstungskühlanlagen eingesetzt werden. Auch andere Systemwasserkreisläufe z.B. geschlossene Kühlkreisläufe oder Prozesswasser können überwacht und im Dashboard dargestellt werden.

Ein Anwendungsbeispiel: Das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart

Das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart (HLRS) beherbergt einen der schnellsten Rechner Europas und zahlreiche weitere mittelgroße High-Performance-Computing (HPC) Systeme, die als wichtige Werkzeuge für akademische und industrielle Spitzenforschung dienen. Forschungsschwerpunkte liegen vor allem in den Ingenieurwissenschaften sowie in globalen Herausforderungen wie Energie, Mobilität, Klima und Gesundheit.

Rechenzentren sind besonders energieintensiv. Das Flaggschiff-System des HLRS, der Höchstleistungsrechner Hawk, zählt zu den leistungsfähigsten Supercomputern Europas. Mit einer Spitzenleistung von rund 26 Petaflops (das sind 26 Billiarden Gleitkommaoperationen pro Sekunde) und einem durchschnittlichen Leistungsbedarf von 3,5 Megawatt entspricht sein Energieverbrauch etwa dem einer deutschen Kleinstadt.

Das HLRS legt besonderen Wert darauf, seinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren und verfügt über Zertifizierungen nach Umweltstandards wie EMAS, ISO 14001 und ISO 50001. Dabei setzt es auf optimierte Nutzung und dynamische Maximierung energieeffizienter freier Kühlung.

Was sind Legionellen?

Legionellen sind Bakterien, die in natürlichen Gewässern und Böden vorkommen. Dort ­stellen sie keine Gesundheitsgefahr dar. Werden jedoch Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme oder Nassabscheider nicht ordnungsgemäß betrieben, kann sich der Erreger in den Anlagen übermäßig vermehren und in die Umwelt freigesetzt werden. Werden die Legionellen über kleinste Wassertropfen (Aerosole) inhaliert und gelangen dadurch in die Lunge, kann dies zu schweren Lungen­infektionen bis hin zum Tod führen.

Für welche Anlagetypen
gilt die 42. BImSchV?

Betroffene Anlagen:
Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider, also Anlagen, in denen Wasser verrieselt oder versprüht wird oder anderweitig in Kontakt mit der Atmosphäre gelangen kann.


Nicht betroffene Anlagen:

Rückkühlwerke im Trockenbetrieb und andere Systeme, von denen keine Gefahr erwartet wird, nimmt die Verordnung aus – darunter unter anderem Anlagen in Hallen; Anlagen, die definierte Maximal- und Minimalwerte beim pH-Wert, bei der Temperatur oder Salzkonzentrationen aufweisen oder ausschließlich mit Frischwasser im Durchlaufbetrieb betrieben werden.

Interview

Wir haben mit Andreas Koniarski, verantwortlich für die Infrastruktur des Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart (HLRS), über die Gründe und Erfahrungen für die Verwendung des W|C|S von Dr. Hartmann Chemietechnik gesprochen.

KKA: Sehr geehrter Herr Koniarski, Sie sind am HLRS für die Infrastruktur verantwortlich und damit auch für das Kühlsystem. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Dr. Hartmann Chemietechnik?
Koniarski: Die Entscheidung für das Wassermonitoring W|C|S von Dr. Hartmann war bei uns im Hause historisch bedingt. Wir hatten bereits das Vorgängersystem installiert und bei der Modernisierung und Erweiterung lag es nahe, hier technologisch auf das neueste cloudbasierte Monitoring-System umzusteigen.

KKA: Wie ist das Kühlsystem bei HLRS aufgebaut und mit welcher Leistung läuft das System?
Koniarski: Wir betreiben vier Nasskühler mit einer Gesamtleistung von knapp 5 MW. Unser Anspruch ist es, möglichst über die freie Kühlung den gesamten Kühlbedarf abzudecken, ohne auf externe Kältemaschinen oder „ungesunde“ Fernkälte zurückgreifen zu müssen. In 2023 konnten wir den Bedarf zu 94,5 % über freie Kühlung abdecken.

KKA: Welche Entscheidungsgrundlagen haben dazu geführt, dass sich das HLRS für das Wassermonitoring von Dr. Hartmann entschieden hat?
Koniarski: Das Wassermonitoring von Dr. Hartmann erlaubt uns zuallererst die geltenden gesetzlichen Richtlinien einzuhalten. Darüber hinaus wären die geforderten regelmäßigen Mess- und Dokumentationspflichten für uns personell schwer stemmbar, hier nimmt uns das System die notwendige Arbeit ab – und im Falle eines Falles meldet sich Dr. Hartmann automatisch bei uns, sollte es Abweichungen geben. Das entlastet unser Personal, alles läuft schnell und sauber.

KKA: Welche sonstigen Faktoren waren ausschlaggebend für die Entscheidung?
Koniarski: Wir benötigen etwa alle fünf Jahre neue Rechner und unser System wird erweitert und modernisiert. Dr. Hartmann hat sich von Anfang an als äußerst kundenorientiert gezeigt und ist im Detail auf unsere notwendigen und gewünschten Anpassungen eingegangen. Wir haben dadurch ein outgesourctes, besseres Monitoring.

KKA: Herr Koniarski, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

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