Kompetenzen bündeln

Interview mit Holger Thiesen, Mitsubishi Electric

Am 1. Juli 2009 wurde Holger Thiesen neuer General Manager Europe für den Bereich Air Conditioning bei Mitsubishi Electric. Grund genug für die KKA-Redaktion nachzufragen, welche Ziele Thiesen in den kommenden Jahren erreichen will, welche Strategien er verfolgt und wie er den deutschen Klima- und Kältemarkt beurteilt.

? Herr Thiesen, welche Ziele wollen Sie in den kommenden Jahren mit Mitsubishi Electric erreichen?


Thiesen: Wir haben in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum erlebt. Das gilt gerade auch für den Markt Deutschland. Viele Prozesse sind noch auf eine deutlich geringere Organisationsgröße ausgelegt. Jetzt gilt es, sich auf die Anforderungen der nächs­ten Jahre, in denen wir weiterhin von einem spürbaren Wachstum ausgehen, vorzubereiten. Unseren großen Vorteil am Markt – die Nähe zum Kunden – wollen wir nutzen, um hieraus ein noch individuelleres Dienstleis­tungs-Portfolio zu generieren.

? Sie haben bereits Ihre Aktivitäten geschildert, die Ihren weiteren Markterfolg sichern sollen. Wird die Wirtschaftskrise denn aus Ihrer Sicht noch vehement auf die Kälte- und Klimabranche durchschlagen?


Thiesen: Das Klimageschäft hat einen langen Vorlauf, weil es hier oft um große Einzelinvestitionen geht. Insofern bietet die Branche Vorteile, die uns derzeit gegen die Wirtschaftskrise abschotten. Massive Auswirkungen der Wirtschaftskrise werden wir aus der heutigen Perspektive heraus nicht zu erwarten haben, wohl aber rechnen wir mit einer Abkühlung des Marktes im Herbst und Winter dieses Jahres.


? Auch wenn Sie für die Branche gesamt keine drastischen Einbrüche wie im Maschinenbau erwarten – wo sehen Sie in den kommenden Jahren gerade für Mitsubishi Electric Wachstums-, Stagnations- und Rezessionsmärkte?


Thiesen: Für die Zukunft sehe ich ausschließlich Wachstumsmärkte in allen unseren Geschäftsbereichen. Nehmen Sie zum einen den Wärmepumpenmarkt. Diese Technologie fasst gerade wieder Fuß, nachdem sie rund 20 Jahre lang keine Rolle gespielt hat. Derzeit dominieren Sole- und Wasser-Wasser-Systeme den Markt. Für den Bereich Luft-Wasser hat der Markt bisher noch keine adäquate Technologie bereitgehalten. Genau in dieses Segment stoßen wir mit unserer neuen „Zubadan“-Technologie vor. Bei bis zu -15 °C leisten unsere Wärmepumpen immer noch 100 % – und zwar ohne elektrischen Heizstab oder Spitzenlastkessel.

Oder betrachten Sie den Bereich der Klimageräte und -anlagen. Hier ist Mitsubishi Electric eines der führenden Unternehmen am Markt. Auch bei Klimaanlagen gilt, dass wir noch lange nicht alle Lösungsmöglichkeiten und Anwendungen unserer Technik etabliert haben und dementsprechend noch deutliche Wachstumspotentiale sehen.


? In vielen Branchen wird derzeit über kritische Unternehmensgrößen ge­sprochen, die künftig notwendig sein werden, um noch erfolgreich am Markt bestehen zu können. Sehen Sie diese Ent­wicklung auch für die Klimabranche?

Thiesen: Wenn Sie die Klimabranche analysieren, werden Sie im Gegensatz zu anderen Industriezweigen kaum hoch spezialisierte Nischenanbieter finden. Der globale Markt wird von wenigen, internationalen Großunternehmen dominiert. Der Hauptabsatzmarkt der Klimabranche liegt nicht in Europa, sondern in Asien. Europa stellt aber einen Wachstumsmarkt dar, der für die Unternehmen der Klimabranche immer interessanter wird. Eine Konsolidierung oder ein Rückzug wird für keine der hier tätigen Firmen insofern ein Thema sein. Genauso sieht es auch bei der Frage zur kritischen Größe aus. Alle Konzerne, die in Europa tätig sind, haben weltweit genug Potential, um auch längere, schwere Zeiten unbeschadet zu überstehen.


? Insofern zählt auch Mitsubishi zu den Global Playern der Branche. Wie bewerten Sie unter diesem Gesichtspunkt die strategische Aufstellung der Air Conditioning Division von Mitsubishi Electric? Wo sehen Sie Stärken, wo Schwächen?


Thiesen: Wir haben zwei große Stärken. Zum einen verfügen wir über die Flexibilität eines Mittelständlers, zum anderen können wir aber auf die Ressourcen eines weltweiten Großkonzerns zurückgreifen.

Mitsubishi Electric ist ein komplett eigenständiges Unternehmen ohne irgendwelche Beziehungen zu anderen Mitsubishi-Unternehmen auf der Welt. Das ist eine Schwäche, denn wir werden zu oft mit anderen Mitsubishi-Unternehmen aus den gleichen oder völlig unterschiedlichen Produktbereichen verwechselt oder in einen Topf geworfen. Unser Markenbild muss deswegen nachhaltiger positioniert werden.

Unsere zweite Stärke sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn Sie neutrale Marktanalysen anschauen, liegen wir in punkto Qualität durchweg auf Platz 1. Und das können Sie sowohl als Stärke als auch als Schwäche auslegen: Derzeit benötigen wir für den deutschen Markt gerade mal drei Servicekräfte – und das in erster Linie für Inbetriebnahmen. Unsere Gewährleistungsquote liegt quasi bei null.


? Der Wärmepumpenmarkt in Deutschland wird durch eine Vielzahl von Unternehmen bedient. Haben Sie hier eine Chance gegen teils etablierte Vertriebswege und Vertriebsstrukturen von Firmen, die einen langjährigen Marktzugang besitzen?


Thiesen: Ist der Markt in Deutschland tatsächlich derartig erschlossen und etabliert? In letzter Konsequenz sehe ich nur viele Wettbewerber, die sich um einen noch nicht entwickelten Markt bemühen. Aufgrund der Energiepreisdiskussion ist der Markt deutlich gewachsen. Daraufhin haben sich immer mehr Anbieter eingefunden. Nur sehr wenige Unternehmen haben aber von Anfang an an die Wärmepumpentechnik geglaubt und hier Forschung betrieben. Alle anderen Unternehmen sind lediglich auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. In diesem eng begrenzten Markt ist die Frage, ob es zu einer Konsolidierung hinsichtlich der Marktteilnehmer kommen wird, tatsächlich berechtigt.

Wir sind mit unseren Zielen im Wärmepumpenmarkt sehr bescheiden. Wir können und wollen nicht den gesamten Markt erobern. Unser Ziel sind hoch effiziente Luft-/Wasser-Wärmepumpen, mit denen wir ein sehr seriöses und profitables Geschäft für alle unsere Marktpartner aufbauen wollen.

Bislang lief dieser Markt fast ausschließlich über Wärmepumpen, die ihre Energie aus dem Boden oder dem Grundwasser ziehen. Aber hier macht sich mittlerweile Ernüchterung breit. Bislang sind Luft-/Wasser-Wärmepumpen immer an ihrem vergleichsweise schlechteren Wirkungsgrad gemessen worden. Künftig wird bei vergleichbaren COP und Jahresarbeitszahlen die deutlich günstigere Investitionssumme entscheiden.


? Um aber Zugang zu diesem Markt zu bekommen, benötigen Sie das SHK-Fachhandwerk. Derzeit steht bei Ihnen aber das Klima- und Kälteanlagenbauer-Handwerk im Fokus. Wird sich das künftig ändern?


Thiesen: Nein, das Klima- und Kälteanlagenbauer-Handwerk stand und steht bei uns im Fokus. Aber wir sehen uns in diesem Markt als Mittler zwischen SHK-Fachhandwerk sowie Klima- und Kälteanlagenbauer. Zusammen mit selektierten Klima- und Kälteanlagenbauern werden wir für das SHK-Fachhandwerk Leistungspakete schaffen, die es erlauben unsere Wärmepumpen einfach zu verkaufen und zu installieren. Dabei wird es sich um Module handeln, die selber flexibel zusammengestellt werden können. Das schließt ausdrücklich auch den Verkauf ein, der sowohl direkt über unsere „City Multi-Club-Partner“ als auch über den Kälte-Klima-Großhandel erfolgen wird. Dadurch bieten wir dem ambitionierten SHK-Fachhandwerk eine abgestimmte und abgesicherte Systemqualität an. Darüber hinaus werden wir zum Zeitpunkt des Markteintritts über eine entsprechende, bundesweit aufgestellte Serviceorganisation verfügen, die das SHK-Fachhandwerk auch in Punkten wie Inbetriebnahmen professionell unterstützen wird.

? Das sind interessante Perspektiven. Interessant sind auch Analysen, die behaupten, dass der deutsche Heiztechnikmarkt in zehn Jahren völlig anders aussehen und von Luft-/Wasser-Wärmepumpen dominiert wird. Würden Sie dem zustimmen?


Thiesen: Das würde mich natürlich sehr freuen, aber letztendlich ist Deutschland ein Markt, der vom Etagenbau bestimmt wird. Hier beherrschen Gas-Wandheizgeräte das Bild. Dieses Austauschsegment wird aus einer Vielzahl an Gründen lange nicht umfassend auf die zentrale Wärmetechnik der Luft-/Wasser-Wärmepumpe gedreht werden können. Anders sieht es im privaten Wohneigentum aus. Dieser Markt wird extrem durch die stark schwankenden Energiepreise beeinflusst. Mittel- und langfristig wird der Endkunde aber die Vorzüge der Wärmequelle Luft schätzen lernen.

Wenn Sie hier den Systemgedanken integrieren und unsere Wärmepumpentechnik mit unserer Photovoltaik sowie der Möglichkeit zur Kühlung im Sommer verbinden, ergibt sich daraus ein Komplettpaket für den Endkunden, das ihm überzeugende Vorteile bietet.


? Sie beschreiben hier die Bündelung von Kernkompetenzen mehrerer Mitsubishi-Produktbereiche. Werden Sie dies in der Zukunft als Wettbewerbsvorteil aktiv am Markt einsetzen?

Thiesen: Sie haben es ja bereits treffend gesagt. Wir verfügen über Wettbewerbsvorteile, die wir nutzen werden. Das wird teilweise durch die Kombination eigener Systeme geschehen, teilweise aber auch durch die Integration von Technologien, die in anderen Märkten bereits durch Mitsubishi-Geschäftsbereiche eingesetzt werden. In Japan ist man uns rund zwei Produktgenerationen voraus. Die kurzen Produktlebenszyklen in Asien könnte der europäische Markt nicht verkraften. Über diese innovativen Produkte bekommen wir aber eine Fülle an Möglichkeiten, aus denen wir geeignete Systemlösungen auswählen können.


? Wir schätzen Sie das Zukunfts­po­ten­tial des Klima- und Kälteanlagenbaus in Deutschland ein?


Thiesen: Insgesamt existieren in Deutschland zwar – im Vergleich zu anderen Gewerken – relativ wenige Klima- und Kälteanlagenbauer. Dafür sind diese jedoch sehr professionell aufgestellt. Jedes dieser Unternehmen hat sich über sein individuelles Service- und Dienstleistungspaket am Markt sehr gut positioniert. Diese Ausgangslage bedingt auch, dass die Möglichkeit besteht, in neue Geschäftsfelder zu investieren. Mit unseren „City Multi-Club“-Partnern haben wir aus diesem Segment kompetente Unternehmen als Partner gewinnen können, mit denen wir direkt zusammenarbeiten.


? Glauben Sie, dass andere Gewerke in die Kompetenzen des Klima- und Käl­te­anlagenbaus künftig hineingreifen könnten?


Thiesen: Ja, in jedem Fall wird das passieren. Die Zeiten, in denen man seine Reviere sicher abstecken konnte, sind definitiv vorbei. Klassisches Beispiel dafür sind die Schornsteinfeger. Sowohl als Hersteller als auch als Verarbeiter müssen wir akzeptieren, dass es in der Wirtschaft keine dauerhaften Reservate mehr gibt. Wenn ich mich vom Wettbewerb differenzieren will, dann geschieht das durch meine eigene Kompetenz. Wir als Mitsubishi Electric werden unsere Kunden dahingehend unterstützen, dass wir auch weiterhin Systemlösungen entwickeln und anbieten, die auf dem fachmännischen Know-how der Klimabranche aufbauen. Insofern denken wir nicht an Protektionismus, sondern an positive Differenzierungsmöglichkeiten, die wir unseren Vertriebspartnern anbieten.

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