Warum nachhaltige Kühlung von Rechenzentren so wichtig ist

Kältekonzepte und Möglichkeiten der Abwärmenutzung

Immer mehr Streaming-Dienste, wachsende digitale Vernetzung und rasante Entwicklungen im KI-Bereich: Moderne Rechenzentren müssen immer größere Mengen an Daten speichern und verarbeiten. Mit rund 18 Milliarden Kilowattstunden (kWh) pro Jahr[1] macht der jährliche Stromverbrauch von Rechenzentren inzwischen etwa drei Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland aus – Tendenz stark steigend. Vor dem Hintergrund hoher Energiepreise und zunehmender Regulatorik in Sachen Klimaschutz wird eine energieeffiziente und nachhaltige Bewirtschaftung von Rechenzentren umso wichtiger. Einen entscheidenden Hebel stellt dabei die Kühlung von Rechenzentren dar.

Sie brauchen viel Strom und sorgen dabei für beträchtliche CO2-Emissionen – das sind die allgemeinen Vorbehalte gegenüber Rechenzentren. Doch betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre im Data Center Segment etwas genauer, stellt man viele positive Veränderungen fest. So geht aus einer im Mai 2023 veröffentlichten Bitkom-Studie[1] hervor, dass neben dem gestiegenen Stromverbrauch auch die Effizienz der Rechenzentren sich in den vergangenen Jahren versechsfacht hat. Verantwortlich dafür ist vor allem die dank weiterentwickelter Hard- und Software gestiegene Rechenleistung. Zudem nutzt mindestens die Hälfte der deutschen Rechenzentren regenerativen Strom. Daher lässt sich auch in Sachen CO2-Emissionen ein positiver Rückwärtstrend beobachten.

Nichtsdestotrotz machen die Stromkosten weiterhin einen Löwenanteil der Betriebskosten eines Data Centers aus. Insbesondere Deutschland schneidet mit höheren Steuern, Abgaben und Netzentgelten im europäischen Vergleich deutlich schlechter ab. Einen der größten Stromverbraucher im Rechenzentrum stellt dabei die Kälteversorgung beziehungsweise die Kühlung dar. Gleichzeitig steckt genau dort auch das größte Potenzial für weitere Effizienzgewinne und damit auch Kosteneinsparungen.

Effizienz von Rechenzentren – ­worauf es ankommt

Eine wichtige Kennzahl zur Messung der Energieeffizienz von Rechenzentren ist die sogenannte Power Usage Effectiveness (PUE). Sie setzt den Gesamtenergieverbrauch eines Rechenzentrums ins Verhältnis zur benötigten Energie für den eigentlichen IT-Betrieb. Eine niedrigere PUE bedeutet demnach eine höhere Energieeffizienz, da weniger Energie für Kühlung, Stromversorgung und andere Infrastrukturen verschwendet wird. Ein idealer PUE-Wert liegt bei 1,0. Das bedeutet, dass die gesamte verfügbare Energie ausschließlich für IT-Zwecke verwendet wird. In der Praxis werden Werte bis 1,2 als sehr effizient beurteilt. Das heißt: 20 Prozent der eingesetzten Energie werden für die Kühlung und Stromversorgung genutzt. Konventionelle Rechenzentren weisen in der Regel einen PUE-Wert von bis zu 1,9 auf und verwenden somit fast die Hälfte der Gesamtenergieaufnahme nicht für den eigentlichen Zweck – also die Rechenleistung. Für nachhaltigere und effizientere Rechenzentren ist also entscheidend, den PUE-Wert kontinuierlich zu überwachen und zu verbessern.

Auch das am 18. November 2023 in Kraft getretene Energieeffizienzgesetz[2] (EnEfG) macht klare Vorgaben zu PUE-Werten und damit zur Energieeffizienz von Rechenzentren. So müssen Rechenzentren, die vor Juli 2026 in Betrieb gingen oder gehen, ab Juli 2027 einen PUE-Faktor von 1,5 erreichen. Ab Juli 2030 müssen diese dann einen PUE-Faktor von 1,3 im laufenden Betrieb nachweisen. Für alle Rechenzentren, die ab Juli 2026 in Betrieb genommen werden, gilt sogar ein PUE-Faktor ≤ 1,2, der spätestens nach zwei Jahren im laufenden Betrieb nachgewiesen werden muss.

Bei der Effizienzsteigerung dürfen aber ein paar Punkte keinesfalls außer Acht gelassen werden: die Resilienz, also die Ausfallsicherheit, die Verfügbarkeit im Fehlerfall und die schnelle Wiederherstellbarkeit. Denn bei einem Ausfall der Kühlung drohen nicht nur irreversible Schäden an der kostspieligen IT-Hardware sowie ein erhöhtes Brandrisiko, sondern auch ein Ausfall der gesamten IT-Infrastruktur. Das gefährdet die Erreichung von Businessplänen oder schlimmstenfalls die gesamte unternehmerische Existenz. Daher ist bei der Planung eines nachhaltigen Kühlkonzeptes dessen Resilienz nicht zu vernachlässigen. Die Resilienz eines Rechenzentrums im Ganzen oder des Kühlsystems im Einzelnen kann anhand mehrerer KPIs (Key Performance Indicators) bewertet und beispielsweise nach dem standardisierten Verfahren der Norm ISO/IEC CD 22237-31[3] ermittelt werden. Nachhaltige Kühlkonzepte machen Rechenzentren also in vielerlei Hinsicht zukunftsfähig.

Nachhaltige Kühlung: Richtiges Konzept ist entscheidend

Um hohe Leistungsdichten und Effizienzen zu ermöglichen, sind in der modernen IT-Infrastruktur innovative Kühlungssysteme entscheidend. Dabei gibt es eine Vielzahl möglicher Ansätze. Eine davon stellt die Kalt- bzw. Warmgangeinhausung dar. Unter Kaltgangeinhausung, auch Cold Aisle Containment (CAC) genannt, wird eine Maßnahme im Rechenzentrum zur Optimierung der Luftkühlung verstanden, die durch eine strikte Trennung der Warmluft- von den Kaltluftbereichen erreicht wird. Diese Abtrennung des Kaltgangs vom Warmgang wird über eine komplette Einhausung des Kaltgangs realisiert. Eine alternative Lösung ist dagegen die Warmgangeinhausung, auch Hot Aisle Containment (HAC) genannt, bei der das Einhausungssystem zur physischen Trennung der gekühlten Luft von der warmen Abluft genutzt wird. Dabei wird ein Warmluft-Sammelraum gebildet und die Vermischung von Warm- und Kaltluft unterbunden, sodass keine Hotspots entstehen können.

In das Kältekonzept von Rechenzentren können auch Geothermie und Eisspeicher eingebunden werden. Eisspeicher nutzen die Latentwärme beim Gefrieren und Schmelzen von Wasser. Beim Gefrieren wird Wasser zu Eis, wodurch Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Obwohl die Technologie zum Beispiel im Vergleich zu Wasserspeichern platzsparend ist, wird diese insbesondere bei den hohen Leistungen großer Rechenzentren nur für die Spitzenlastabdeckung genutzt.

Ein weiterer Ansatz ist die sogenannte freie Kühlung. Hier wird die Temperatur der Umgebungsluft zur Kühlung genutzt, ohne zusätzliche Energie für mechanische Kälteerzeuger aufzuwenden. Daher stellt sie die energetisch günstige Form der Kühlung dar. Der Einsatz von Warmwasser- oder Immersionskühlung begünstigt die Nutzung der Freikühlung.

Der Einsatz natürlicher Kältemittel, wie beispielsweise Propan, Ammoniak, CO2 oder Wasser in Kühlsystemen reduziert den ökologischen Fußabdruck und trägt zur Nachhaltigkeit bei. Das liegt vor allem daran, dass sie ein sehr geringes global warming potential (GWP), also Erderwärmungspotenzial, haben. Zudem kann dadurch auf sogenannte „Ewigkeitschemikalien“ in Kältemitteln wie PFAS (per- and polyfluoroalkyl substances) verzichtet werden, die in den nächsten Jahren in der EU verboten
werden.

Luft, Wasser oder Wärmeüber­trager: Vorteile verschiedener Kühlarten

Neben verschiedenen Kühlsystemen gibt es auch unterschiedliche Methoden, um Server vor dem Heißlaufen zu schützen. Grundsätzlich stehen hierbei drei Möglichkeiten zur Verfügung: Luftkühlung, Warmwasserkühlung und Immersionskühlung. Den größten Energiebedarf mit bis zu 50 Prozent weisen klassische, luftgekühlte Rechenzentren auf, weil die Kälte dort mechanisch erzeugt wird. Es gibt jedoch bereits innovative Konzepte für die Luftkühlung von Rechenzentren wie KyotoCooling. Dieses basiert auf patentierter Technologie und nutzt die Luft-zu-Luft-Wärmeübertragungstechnologie. Das patentierte KyotoWheel bietet dabei eine 90-prozentige Effektivität bei der Wärmeableitung. Das KyotoWheel benötigt aufgrund seiner Größe jedoch ein anderes Rechenzentrumsdesign.

Die Warmwasserkühlung, die in der Regel direkt am Chip (direct-to-chip) erfolgt, wurde in den letzten Jahren vermehrt für Hochleistungsrechner im Forschungs- und Hochschulbereich eingesetzt. Mit Vorlauftemperaturen von über 40 °C und Rücklauftemperaturen von über 45 °C eignet sich diese Methode für die indirekte freie Kühlung in klimatisch gemäßigten Regionen, in denen die Außentemperatur nicht über 39 °C steigt.

Deutlich effizienter und platzsparender als andere Kühlmethoden ist die Immersionskühlung. Bei diesem Kühlverfahren werden IT-Komponenten und andere elektronische Geräte einschließlich kompletter Server und Speichergeräte in eine wärmeleitende dielektrische Flüssigkeit getaucht. Die Wärme wird aus dem System abgeleitet, indem eine Flüssigkeit in direktem Kontakt mit den wärmeerzeugenden Komponenten gebracht wird. Somit ermöglicht die Immersionskühlung eine gleichmäßige Temperatur, die mehr Leistung der Chips erlaubt. Zudem kann der Energieverbrauch des Rechenzentrums um über 60 Prozent sinken und Rechenzentren können mit höherer Leistungsdichte betrieben werden, was den Bedarf an zusätzlicher Infrastruktur und Fläche verringert. Die Implementierung von Immersionskühlung stellt Betreiber von Rechenzentren jedoch auch vor Herausforderungen, da die Randbedingungen vorab genau analysiert werden müssen.

Schlussendlich stellt sich die Frage, welche Kühlungstechnik für das Rechenzentrum die richtige ist. Grundsätzlich ist die richtige Wahl der Kühlungstechnik abhängig von der IT-Last je Rack und der eingesetzten Hardware. Je nach Anwendungsfall können auch Hybridlösungen im Rechenzentrum zum Einsatz kommen.

Abwärme sinnvoll nutzen

Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es allerdings ebenso wichtig, die durch die intensive Kühlung erzeugte Abwärme sinnvoll zu nutzen. Die Abwärme steht rund um die Uhr, also 24 Stunden am Tag an 365 Tagen zur Verfügung. Im Winter ist sie sehr gut nutzbar, im Sommer sieht das anders aus. Attraktiv ist die Nutzung unabhängig von den Jahreszeiten für Industrieunternehmen, Algenproduktionen, Schwimmbäder oder auch Metropolitan Farming.

Mit dem richtigen Konzept kann die Abwärme auch intelligent zum Heizen genutzt und an die Nah- und Fernwärmenetze angeschlossen werden. Das ist auch ein Argument für Rechenzentren in innenstädtischen Lagen statt auf der grünen Wiese. Durch die Einbindung in ein Quartier kann die Abwärme aufgefangen, weitergeleitet und für das Heizen von Immobilien genutzt werden. So verbessert sich die Klimabilanz des Quartiers ganz ohne den Aufwand einer Geothermie-Bohrung.

Bis September letzten Jahres war die Nutzung der Abwärme allerdings oft kein Thema für die Betreiber von Rechenzentren. Das lag zum einen an den fehlenden Wärmenetzabnehmern und zum anderen an der rechtlichen Notwendigkeit. Mit der Einführung des Energieeffizienzgesetzes hat sich das grundsätzlich geändert: Rechenzentren, die ab Juli 2026 in Betrieb gehen, müssen 10 Prozent ihrer Abwärme nutzbar machen, ab Juli 2027 sind es bereits 15 Prozent und ab Juli 2028 sogar bis 20 Prozent.

Mit einem gelungenen Beispiel für die Abwärmenutzung geht der im Dezember 2023 von der AUDI AG gemeinsam mit der Stadt Ingolstadt fertiggestellte incampus voran. Mit dem Ziel, mittelfristig zu einem Nullenergiecampus zu werden, nutzt der incampus neben Photovoltaikanlagen, reversiblen Wärmepumpen und umfangreichen Begrünungen unter anderem auch die Abwärme des campuseigenen Rechenzentrums mit 8.000 Servern sowie Speicher- und Netzwerkkomponenten. Ein wesentlicher Baustein dafür ist das sogenannte LowEx Netz: Dieses wasserbasierte Rohrleitungsnetz dient allen Gebäuden auf dem incampus als Wärmequelle und Wärmesenke. Gebäude mit einer hohen Kühllast – wie das Rechenzentrum – geben anfallende Abwärme in das Netz, Gebäude mit einer hohen Heizlast entnehmen die nötige Energie dem LowEx-Netz. Ein thermischer Energiespeicher mit einem Fassungsvolumen von rund 3.000 m3 steigert die Energieeffizienz noch weiter.

Mit der Zukunft rechnen

Klug konzipiert, können Rechenzentren also maßgeblich dazu beitragen, die Wärmeversorgung zu dekarbonisieren und die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Anforderungen des Energieeffizienzgesetzes zu erfüllen und die Klimaneutralitätsziele bis 2030 zu erreichen, ist eine nachhaltige und effiziente Kühltechnik in Rechenzentren. Dadurch sparen die Betreiber von Rechenzentren zudem Kosten, die wiederum in eine bessere Performance oder Ausfallsicherheit investiert werden können. Hinzu kommt, dass die Stromerzeugung in Deutschland von Jahr zu Jahr klimafreundlicher wird. Sobald der deutsche Strommix komplett auf erneuerbare Energien umgestellt ist, erzeugen auch Rechenzentren keine Emissionen mehr. Die Zukunft der Rechenzentren liegt somit in einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Gestaltung – für eine effiziente IT und eine bessere und sichere Welt.

Quellen

[1]  https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Deutsche-Rechenzentren-Wachstum-Effizienz

[2] https://www.gesetze-im-internet.de/enefg/BJNR1350B0023.html

[3] ISO/IEC CD 22237-31. Information technology. Data centre facilities and infrastructures. Part 31: Key performance indicators for resilience: https://www.iso.org/standard/83496.html

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe Rechenzentren/2024

DKV-Seminar Kühlung von Rechenzentren

Potentiale, Kühlungsbedarf, Normen, Wärmepumpen, Abwärmenutzung und marktwirtschaftliche Gesichtspunkte

Der DKV veranstaltet seit 2015 jährlich im Wechsel zwischen der DKV Jahrestagung und dem „Chillventa Congress“ ein Kolloquium zur Kühlung von Rechenzentren. Hieraus ist dann auch der Bedarf für...

mehr
Ausgabe Rechenzentren/2024

Potenziale und Hürden der Nutzung von Rechenzentrumsabwärme

Abwärmecheck und Konzepte zur Abwärmenutzung

Rechenzentren sind ein wesentlicher Bestandteil der heutigen digitalen Welt. Sie erzeugen Abwärme, die bislang kaum genutzt wird. Doch nun müssen die Betreiber aktiv werden. Möglichkeiten zur...

mehr
Ausgabe Rechenzentren/2024

Kühlung von Rechenzentren – Last oder Chance?

Möglichkeiten der Wärmeabfuhr – das Leid mit dem Temperaturniveau und den Abnehmern

Im Energieeffizienzgesetz (EnEfG) werden die Betreiber von Rechenzentren auch aufgefordert, ihre Daten für ein Energieeffizienzregister (BMWK-Energieeffizienzregister für Rechenzentren (RZReg):...

mehr
Ausgabe 05/2021

Höchstleistungsrechner kühlt sich selbst

Adsorptionskältemaschine mit 600 kW im Leibniz-Rechenzentrum
Eine Adsorptionsk?ltemaschine von Fahrenheit wandelt die von den Prozessoren des H?chstleistungsrechners SuperMUC-NG produzierte W?rme in K?lte um, mit der sich der Rechner selbst k?hlt.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet eine Adsorptionskältemaschine. Sie wandelt die von den Prozessoren produzierte Wärme in Kälte für die Kühlung um. Durch diese Wärmerückgewinnung optimiert...

mehr
Ausgabe 02/2019

Abwärme ist kein Abfall

Abwärmenutzung eines Rechenzentrums und Geothermiekühlung
Einbringung des Freik?hlers

Die Firma BM Green Cooling setzt seit ca. zehn Jahren eine Kombination von Reihenkühlgeräten mit geothermischer Kälteerzeugung ein, um Rechenzentren möglichst energieeffizient zu kühlen. Hierbei...

mehr