Lehre in Corona-Zeiten

Bundesfachschule Maintal mit flexiblen Konzepten

Die Pandemie nahm im Jahr 2020 aufgrund der wochenlangen Schulschließungen massiven Einfluss auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Besonders anspruchsvoll gestaltete sich die Situation für die Fachschulen, denn zur Theorie gehört immer auch die Vermittlung der Praxis. Wie umsichtig und flexibel die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik an ihren drei Standorten bis heute damit umgeht, beschreibt dieser Erfahrungsbericht.

Im Februar 2020 testete die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik (BFS) für ihre Standorte Maintal, Harztor und Leonberg das Videokonferenzsystem Zoom. Die Idee war seinerzeit, Konferenzen des Kollegiums oder Werkstattbesprechungen von Fachlehrern auch online durchführen zu können. Damit sollte sich vor allem der Reiseaufwand für Kurzabsprachen merklich reduzieren. Angedacht war außerdem der gelegentliche Onlineunterricht von Dozenten an mehreren Standorten gleichzeitig oder im schnellen Vertretungsfall von zuhause aus. Wie weitsichtig diese Maßnahme der Geschäfts- und Schulleitung war, sollte sich schnell erweisen – allerdings in einem völlig anderen Zusammenhang.

 

Corona erreicht Deutschland

Parallel zum Aufbau der neuen IT-Infrastruktur an den BFS-Standorten erreichte ein unbekanntes Virus mit der späteren Bezeichnung Covid 19 Deutschland – mit den uns allseits bekannten Folgen. Im März 2020 trat das Infektionsschutzgesetz mit harten Maßnahmen in Kraft. Der erste Lockdown und die Schließung aller Standorte fielen für die Bundesfachschule ausgerechnet auf einen Freitag, den 13. Verhängt wurde die Anordnung aufgrund der neuen Gesetzeslage direkt vom Land Hessen für Kitas und Schulen. Gleiches galt für Thüringen und Baden-Württemberg. „Es ging damals alles sehr schnell“, erinnert sich Schulleiter Dr. Ralf Catanescu. „Nach der Schulschließung mussten wir unsere Studenten, Techniker, Meister und ÜLU-Teilnehmer umgehend nach Hause schicken. Das Kollegium bereitete dann in Windeseile den Fernunterricht vor. Die Klassenräume wurden umgebaut, so dass die Kamerabilder der Schüler an die Leinwand projiziert wurden und eine Schulkamera die Dozent*innen für die Klassen sichtbar machte. Arbeitsaufträge waren bereits vorbereitet, da man ahnte, was kommen wird.“

Eine Woche nach Schulschließung fand wieder Unterricht gemäß Stundenplan für Meister, Techniker, Studenten, teils auch für Berufsschüler online statt. An der BFS konnte dank Zoom und der vorhandenen IT-Infrastruktur der Theorieunterricht fast nahtlos fortgeführt werden. Gleichzeitig nahm auch die Europäische Studienakademie ESaK ihre Vorlesungen auf, natürlich ebenfalls online. Genutzt wurden die Frühjahrswochen des ersten Lockdowns an der Bundesfachschule neben Fernunterricht zur Erstellung und Umsetzung von Hygienekonzepten für Theorieunterricht, Werkstätten, Internat und Schulgelände. Daneben produzierte man eigene Lehrvideos, die über den eigenen YouTube-Kanal „Kälteblick“ zur Prüfungsvorbereitung für die Auszubildenden verbreitet werden. Die Zeit nutzte man auch für Renovierungsarbeiten des Internats.

Roswitha Böhrer ist eine der Fachlehrer*innen der Bundesfachschule, die digitales Arbeiten vom Unterricht her gewohnt ist. „Wir arbeiten schon seit langem mit Beamer und interaktiven Tablets statt Tafel. Mit der Videokonferenzsoftware waren Schüler und Lehrer schnell vertraut. Die Schüler können sich über ihr Mikrofon zu Wort melden, Interaktion im Unterricht ist dadurch gut möglich. Sogar in den Pausen und nach dem Unterricht lief die Videokonferenz oft weiter, damit sich die Schüler austauschen können.“ Der Start der virtuellen Klassenzimmer verlief in den Techniker- und Meisterklassen sowie bei der ESaK reibungslos, da alle Schüler und Studenten über die notwendige EDV-Ausstattung verfügten. Bei den Berufsschülern in Harztor sah es dagegen anders aus. Die verfügen heute zwar über ein Smartphone, einige über ein Tablet, aber die wenigsten besitzen einen Laptop, einen Bildschirm oder Drucker bzw. einen richtigen Arbeitsplatz. Dies erschwerte natürlich den Online-Unterricht.

 

Neustart und erste Prüfungen

Ende April 2020 durften die Techniker des 4. Semesters unter strengen Hygieneauflagen in den Präsenzunterricht zurückkehren. Nach einer kurzen Unterrichtsphase legte diese Gruppe ihre Abschlussprüfung ab. Später folgten die Technikerklasse T2 und die Meisterschüler an allen Standorten. So kehrte nach und nach wieder Leben ein. „Als wir wieder öffneten, konnten wir wegen der 1,5 m Abstandsregel nur in unserem größten Raum 5 die volle Klassenstärke unterrichten. Wir suchten und fanden aber organisatorische Wege und neue Räume, um letztendlich alle Gruppen vor Ort zu unterrichten und alle Klausuren und Prüfungen durchzuführen.“ Innungs- und BFS-Geschäftsführer Jörg Peters erinnert sich weiter, dass die Meister-Vollzeitklasse zeitweise im Hybrid-Modell unterrichtet werden musste. Eine Hälfte saß im Klassenraum, die andere Hälfte zuhause vor dem Bildschirm, und das im wöchentlichen Wechsel. „Was wir allerdings bald merkten: Der Online-Unterricht ist auf Dauer nicht gleichwertig mit dem Präsenzunterricht. Allein schon deshalb, weil die Bildung von Lerngruppen nach dem Unterricht nicht möglich ist. Unsere Lehre daraus war, dass Unterricht tatsächlich am besten von Angesicht zu Angesicht erfolgt und online pur einfach nicht die besten Ergebnisse liefern kann. Wir sind eben soziale Wesen – zum Glück!“

Mit dem Neustart kehrten auch die Auszubildenden für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung ÜLU wieder nach Maintal, Leonberg und Harztor zurück – allerdings nur in reduzierter Gruppengröße. Dafür durften aufgrund der besonderen Situation die normalerweise fünftägigen Kurse auf drei Tage reduziert werden. So besuchten die Azubis von Montag bis Samstag in zwei Gruppen den gleichen ÜLU-Kurs hintereinander bei halber Schülerzahl. Dazu mussten natürlich Inhalte gekürzt und gestrafft werden. Ein Kompromiss, der in Zeiten von Corona das Bestmögliche zuließ, aber nicht von Dauer sein kann.

„Definitiv nicht von Dauer waren die zahlreichen Änderungen und Beschränkungen der in kurzer Folge veröffentlichten Verordnungen und Allgemeinverfügungen“ resümierte der stellvertretende Geschäftsführer Michael Gölz, der in ständigem Kontakt mit den entsprechenden Institutionen der Handwerkskammern und Handwerkskammertagen im Innungsgebiet stand. Hintergrund war die exakte Umsetzung der Vorgaben und Bestimmungen, um den Bildungs- bzw. den Geschäftsbetrieb bestmöglich fortführen zu können. Eine weitere Herausforderung bestand zu Beginn der Pandemie darin, entsprechende persönliche Schutzausrüstungen für die Dozenten und Lehrkräfte auf einem leergefegten Markt zu erhalten. „Der Gesundheitsschutz der Schüler und Mitarbeiter war der Geschäftsführung von Anfang an ein großes Anliegen“, so Michael Gölz.

 

So ging es ab Sommer weiter

Alles in allem spielte sich ein Rhythmus aus Präsenz- und Onlineunterricht ein, der bis zu den Sommerferien andauerte. Vor deren Beginn entschied man, dass zusätzliche Räume für große Gruppen geschaffen werden müssen, um unter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen so viel Präsenzunterricht wie möglich zu erlauben. Ein Raum wurde umgebaut, kleinere Tische wurden geholt und alles dafür vorbereitet, dass sich wieder bis zu 30 Erwachsene in einem Raum aufhalten dürfen. Auch das Internat wurde umorganisiert, da die für die ÜLU übliche Nutzung von Mehrbettzimmern nicht mehr möglich war.

Mitte August startete das neue Schuljahr und der Unterricht für alle Gruppen wurde wieder in Präsenzform angeboten. Trotzdem wurden Schulstunden häufig auf Zoom übertragen. Den Hintergrund erläuterte Schulleiter Dr. Catanescu damals folgendermaßen: „Wir nutzen die Videoplattform inzwischen flexibel. Hat ein Schüler vielleicht einen Arzttermin oder andere Verpflichtungen, die Reisezeit notwendig machen, erlauben wir in Ausnahmen die Online-Teilnahme. Präsenz ist aber der Normalfall.“ Außerdem war die Pandemie ja nicht verschwunden. „Wenn es Corona-Verdachtsfälle im Umfeld eines Schülers gibt, kann der Schüler ebenfalls zuhause bleiben und von dort am Unterricht teilnehmen, bis ein negativer Test vorliegt. Sollte sich im Winter die Situation verändern, sind wir auf alles vorbereitet.“ Wie Recht Ralf Catanescu mit seinen Befürchtungen im Spätsommer 2020 haben würde, bewahrheitete sich nur wenige Wochen später.

Erkenntnisse einer Befragung

Die Bundesfachschule wollte von ihren Schülern im Sommer 2020 wissen, wie es ihnen in den zurückliegenden Monaten erging. Eine Befragung zeigte, dass die meisten Schüler sehr froh waren, nach dem Lockdown schnell wieder einen strukturierten Tagesablauf zu haben. „Am Anfang waren viele mit dem Videounterricht glücklich, wahrscheinlich auch, weil es etwas Neues war. Auf Dauer merkten aber viele, dass dieses Format allein mitunter zäh sein kann. Ein Tag in der Schule ist schon anstrengend. Aber gleiches dann zuhause, noch dazu vielleicht vor einem kleinen Laptopbildschirm, am Küchentisch, oder mit suboptimaler Hardware bzw. Arbeitsplatzausstattung sowie Netzwerkschwankungen und Internetabbrüchen, das ist auf Dauer doch nochmal etwas anderes.“ Außerdem erfuhr Ralf Catanescu durch die Befragung, wie sehr die Schüler ihre sozialen Kontakte in den Pausen oder in den Lerngruppen vermissen, die sich an den Schulen etabliert hatten. „Es fehlte vielen die Gruppeninteraktion. Unsere Techniker kannten sich vor dem Lockdown schon lange. Plötzlich sah man sich nur auf einem Bildschirm. Richtig schwer war es für die neuen Meister, die zur Schulschließung damals gerade zwei Wochen zusammen waren, sich vereinzelt kannten, aber nicht als Gruppe.“ Auch für einige Lehrer wurden der Lockdown und die Zeit danach zur Belastungsprobe. „Aber alle zogen mit. Wir hoffen, dass sich im neuen Jahr einiges wieder normalisiert, weil dann auch die neuen Meisterklassen beginnen und Platzprobleme drohen“, wünschte sich Jörg Peters noch letzten Herbst. „Alle haben viel geleistet, in der Schule, dem Internat und in der Werkstatt, überhaupt an allen Standorten, wofür ich sehr dankbar bin.“ 

 

Wie ein Déjà-vu

Leider wurde Jörg Peters Wunsch nicht erhört. Dem Herbst folgte der Winter und wie ein Déjà-vu der nächste Lockdown. Er entwickelte sich in Deutschland zum Flickenteppich mit seinen vorläufigen Höhepunkten zur Weihnachtszeit und über den Jahreswechsel hinaus gar mit noch härteren Maßnahmen als im Jahr zuvor. 2020 mit all seinen Erfahrungen hilft der Bundesfachschule in Maintal und ihren Standorten Harztor sowie Leonberg heute darüber hinweg, dass ständig neue und schwankende Beschlüsse politischer Entscheidungsträger mit einem kontinuierlichen Berufsschulbetrieb kaum unter einen Hut zu bringen sind. Darum haben die Entscheidungsträger frühzeitig eine langfristige Strategie festgelegt, die sich heute ausbezahlt. „Wir haben gemeinsam mit allen Kollegen*innen schon Anfang Juli letzten Jahres die Regeln bis Jahresende besprochen, um nicht jedes Mal auf Änderungen reagieren zu müssen. Seit diesem Zeitpunkt gilt an unseren Standorten bis heute: Abstand im Klassenraum, Reinigung, Maskenpflicht im Unterricht, HEPA14-Filteranlagen in den Räumen und regelmäßiges Lüften“, wirft Jörg Peters den Blick zurück und gleichzeitig nach vorne. „Dazu wurden so viele Räume wie möglich umgebaut, um den maximal möglichen Präsenzunterricht durchführen zu können – sofern erlaubt. Die Hygienemaßnahmen gingen eigentlich immer über das hinaus, was vom Land oder Kreis gefordert wurde, um Infektionen soweit es eben geht auszuschließen.“

Die Konsequenz, mit der die Hygieneregeln an der Bundesfachschule umgesetzt wurden, hat sich ausbezahlt. Trotz der großen Zahl an Schülern, die an der Bundesfachschule Maintal täglich ein- und ausgehen, gab es bis Ende 2020 keinen Infektionsfall bei Lehrkräften oder aktiven Schülern. Dank Zoom und der aufgebauten Infrastruktur ist die Bundesfachschule flexibel, um in Abhängigkeit der Firmenfestlegungen sowie bei neuerlichen Lockdowns des Bildungsbereichs im laufenden Jahr 2021 jederzeit schnell von Präsenz- auf Onlineunterricht umzustellen. Die große Herausforderung bleibt die Praxis und damit der Werkstattunterricht. Aber auch dafür gibt es inzwischen Ideen, falls Schüler nur noch in Kleinstgruppen oder wegen Quarantäne bzw. eines Lockdowns gar nicht vor Ort sein dürfen. Dann können beispielsweise Kopfkameras zum Einsatz kommen, um die manuellen Arbeiten live aufzuzeichnen. „So kann im Notfall auch jemand von zuhause aus an der ÜLU teilnehmen – allerdings wirklich nur als Ausnahme, weil wir ja immer noch ein Handwerk sind“, so der Hinweis von Dr. Ralf Catanescu auf die Grenzen des Möglichen für die zukünftige Praxis.

 

Lehren für die Lehre

Selbst wenn Corona überstanden ist, werden sicher einige Neuerungen, die im Jahr 2020 noch unter Zwang eingeführt wurden, erhalten bleiben. Das digitale Lernformat hilft, wenn die Anwesenheit eines Schülers tatsächlich aus triftigem Grund nicht möglich ist, der Quarantänefall eintritt, oder Lehrer*innen einen Tag bzw. nur eine Stunde einfacher von einem der drei Standorte, vielleicht von zuhause aus unterrichten können. Auch für Besprechungen und Konferenzen des Kollegiums und weniger Reisen sind digitale Plattformen sinnvoll. Aber den Präsenzunterricht und die Gruppeninteraktion kann digitales Lernen trotz alledem auf Dauer nicht ersetzen. Dazu kommt, dass der Organisationsaufwand eines Online- oder Hybridunterrichts im Vorfeld höher ist als im reinen Präsenzformat. Auch die Technik muss dann beidseits dauerhaft fehlerfrei funktionieren. Und ein letzter Grund verbietet Berufsschulen eigentlich das rein digitale Lernen auf Dauer. Denn ohne die Praxis kann kein Handwerk zum Werk der Hände werden. Aber die braucht es neben einem klugen Kopf ebenfalls, um Kälte- und Klimaanlagen nicht nur zu planen, sondern auch funktionstüchtig und in hoher Qualität bauen zu können. Mit den Erfahrungen des Jahres 2020 im Rücken wird aber auch die Zukunft ein den Umständen angepasster Schulbetrieb gesichert sein, ohne Schüler, Lehrer und alle übrigen Angestellten zu gefährden.

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