Kältemittel-Schwarzmarkt bedroht das Klima

Illegaler Handel mit Kältemittel umgeht EU-Quotensystem

Neue Daten bekräftigen, dass die EU ihre Klimaziele aufgrund eines florierenden Schwarzmarktes für teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKWs) möglicherweise nicht erreicht. Schmuggler haben 2019 HFKWs mit einem CO2-Äquivalent von bis zu 31 Mio. t illegal in die EU importiert. Die potenziellen Emissionen dieser geschmuggelten Kältemittel haben große Auswirkungen auf unser Klima und finanzieren die organisierte Kriminalität.

Neue Daten, veröffentlicht im Februar 2021, zeigen, dass ein umfangreicher illegaler Markt das Quotensystem der EU weiterhin umgeht. Das Quotensystem wurde 2015 initiiert, um HFKW mit einem hohen Treibhausgaspotenzial (GWP) in der EU schrittweise zu reduzieren. HFKW werden zumeist als Kältemittel in gewerblichen Kühlsystem oder Kfz-Klimaanlagen verwendet. Die uneinheitliche Durchsetzung der Verordnung durch die Mitgliedsstaaten hat es Kriminellen ermöglicht, das Quotensystem zu umgehen und HFKWs illegal in die EU zu importieren. Neue Zahlen, die die Oxera Consulting LLP zu diesem Pro­blem gesammelt hat, wurden nun vom EFCTC (European Fluorocarbons Technical Committee), einer Sektorgruppe des Cefic (European Chemical Industry Council), ausgewertet.

Demnach könnten bis zu 31 Mio. t CO2-Äquivalent (MtCO2e) im Jahr 2019 illegal über die EU-Grenzen gelangt sein. Das bedeutet, dass in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt bis zu 73 MtCO2e illegal in die EU gelangt sein könnten. Das entspricht den jährlichen Emissionen von rund 40 deutschen Kohlekraftwerken oder von mehr als 55 Mio. Autos – ein Fünftel aller Autos auf den Straßen der EU. Dieser Schwarzmarkt untergräbt die Klimaziele der EU, finanziert die organisierte Kriminalität und bedroht kleine und mittelständische Unternehmen in Europa, die investiert haben, um sich an die Gesetze zu halten und legale Kältemittel zu vertreiben.

Erst Anfang 2021 wurde die HFKW-Quote erneut angepasst und von 63 auf 45 % des Volumens von 2015 reduziert. Folglich wird dieses Jahr eine große Menge HFKWs aus dem legalen Markt genommen. Für Schmugg­ler bietet das erneut die Möglichkeit, diese Lücke durch illegale Ware zu füllen. Im schlimmsten Fall bleibt die Nachfrage nach HFKWs trotz reduzierter Quote gleich. Wenn sich die Durchsetzung dann nicht verbessert, könnte sich die Größe des Schwarzmarkts verdoppeln.

Offiziell erreicht die F-Gase-Verordnung der EU ihre Ziel, das legen etwa Zahlen aus Deutschland nahe. So veröffentlichte das Statistische Bundesamt Destatis im Januar 2021 Zahlen für das Jahr 2019, denen zufolge der potenzielle Treibhauseffekt verwendeter fluorierter Treibhausgase um 14 % gegenüber dem Vorjahr 2018 gesunken ist. Auch hat die deutsche Bundesregierung am 10. Februar eine Änderung des Chemikaliengesetzes auf den Weg gebracht, die die Verfolgung des illegalen Handels mit HFKW verbessern soll. Ungeachtet dessen scheint der Schwarzmarkt aber weiter zu florieren, wie die Untersuchung durch Oxera nahelegt.

Felix Flohr, Sprecher des EFCTC erklärt: „Wir haben eine große Diskrepanz zwischen den von China gemeldeten Exportmengen und den von der EU registrierten Importmengen festgestellt. Diese Diskrepanz hat sich von 2018 auf 2019 zwar leicht verringert, jedoch sind die Exporte aus China in die EU-Nachbarländer von 2018 auf 2019 um 17 % gestiegen. Selbst unter Berücksichtigung des Marktwachstums könnten potenziell 23 MtCO2e an überschüssigen HFKW-Importen für den illegalen Handel mit dem EU-Markt bestimmt gewesen sein. Das könnte bedeuten, dass die verbesserten Kontrollen in den europäischen Häfen zwar eine gewisse Wirkung zeigen, aber auch die Schmuggler dazu bringen, neue Importrouten über Nachbarländer zu finden. So war die bisher größte Beschlagnahmung von illegal gehandelten HFKW im August 2020 beispielsweise eine Lieferung aus der Türkei, die in Rumänien gestoppt wurde.“

Ville Itälä, Generaldirektor des Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) berichtet: „Wir freuen uns, dass die verstärkten Durchsetzungsbemühungen der EU im Jahr 2019 in den Daten deutlich erkennbar sind. Aus unserer Erfahrung ist der Schwarzmarkt jedoch immer noch eine große Herausforderung. 2020 gab es die bisher größten Beschlagnahmungen von illegalen HFKWs. In Spitzenzeiten haben wir die Mitgliedsstaaten täglich vor illegalen Lieferungen gewarnt. Wenn irgendwo eine Lieferung gestoppt wird, beobachten wir oft einen Rückgang der illegalen Aktivitäten in diesem Mitgliedsstaat, während die Schmugg­ler andere Routen nutzen, um in die EU zu gelangen. OLAF wird auch 2021 den illegalen Handel weiter aufdecken und bekämpfen.“

Die jüngsten EU-Berichte

In zwei aktuellen Berichten räumte die EU ein, dass es einen Schwarzmarkt für HFKWs gibt, konnte dessen Größe aber nicht beziffern. Die Europäische Umweltagentur (EEA) behauptete, dass der HFKW-Ausstieg planmäßig verläuft, wobei sie illegale Importe bei der Analyse außer Acht ließ, weil „es nicht möglich zu sein scheint, die Umgehung des Zolls zu quantifizieren“. In einer Bewertung des so genannten Phase-Downs im Dezember 2020 erklärte die Europäische Kommission, dass der Vergleich internationaler Handelsstatistiken aufgrund von Handelsumleitungen möglicherweise kein ganz genaues Bild liefert.

Felix Flohr vom EFCTC kommentiert: „Illegaler Handel findet unter dem Radar statt und wird den Behörden nicht gemeldet. Zwar verlaufen die Handelsrouten durch Europa, aber die Zusammenarbeit des EFCTC mit der Wirtschaftskanzlei Kroll zeigt, dass die fehlende Kontrolle von T1-Transitlieferungen diese zu einer bevorzugten Transitart für Schmuggler macht, um HFKW illegal auf den europäischen Markt zu bringen. Die Daten von Oxera und die Analyse des EFCTC liefern das bisher genaueste Bild über den illegalen Handel mit HFKW. Die große Menge an potenziellen illegalen Importen erfordert eine bessere Durchsetzung der Gesetzgebung, um die EU-Klimaziele zu erreichen.“

Nächste Schritte in 2021

Der EFCTC wird auch im Jahr 2021 weiter gegen dieses Problem vorgehen. Dafür sammelt der Verband Beweise für illegale Aktivitäten über die mehrsprachige und vertrauliche
EFCTC-Action Line. Zudem hat der EFCTC die Initiative Ehrenwort ins Leben gerufen, über die sich die gesamte Wertschöpfungskette dem Kampf gegen den HFKW-Schwarzmarkt anschließen kann. Mehr als 280 Personen, Organisationen und Unternehmen haben sich bereits verpflichtet, ihren Teil beizutragen. Mit dieser Initiative hofft der EFCTC, das Bewusstsein zu schärfen und Maßnahmen in der gesamten Wertschöpfungskette zu fördern, um den Schwarzmarkt zerschlagen.

Wimar Wysluch vom Deutschen Sachverständigen Rat Kälte-Klima-Wärmepumpen hat sein Ehrenwort bereits gegeben und erklärt:

„Wir haben uns der Initiative Ehrenwort angeschlossen, weil uns der Schwarzmarkt Sorgen bereitet und wir uns dafür einsetzen möchten, das Bewusstsein innerhalb der Wertschöpfungskette zu schärfen. Unregelmäßige und unzureichende Kontrollen verringern das Risiko massiv, mit illegal gehandelten Kältemitteln erwischt zu werden. Leider bleibt es damit den einzelnen Unternehmen überlassen, dem Schwarzmarkt entgegenzuwirken. Als Experte kann ich allen Beteiligten nur empfehlen, immer konsequent und gesetzeskonform zu handeln – auch wenn das bedeutet, einen Kunden zu verlieren.“

x

Thematisch passende Artikel:

eBay ergreift Maßnahmen gegen den illegalen Handel mit HFKW-Kältemitteln

Der Europäische Technische Ausschuss für Fluorkohlenwasserstoffe (EFCTC) teilt mit, dass die Online-Plattform eBay im Hinblick auf den Handel mit HFKW-Kältemitteln nochmals ihre Maßnahmen zur...

mehr
Ausgabe 01/2021

Gemeinsam gegen den illegalen Kältemittelhandel

Interview mit Felix Flohr, Sprecher des EFCTC
Felix Flohr, Sprecher des EFCTC

KKA: Herr Flohr, pünktlich zum Chillventa eSpecial hat der EFCTC im Oktober die „Initiative Ehrenwort“ ins Leben gerufen – mit welchem Ziel? Flohr: Die gesamte Wertschöpfungskette – von...

mehr
Ausgabe 06/2020 EFCTC

Initiative „Ehrenwort“ gegen illegale Kältemittel

Der Europäische Technische Ausschuss für Fluorkohlenwasserstoffe (EFCTC) startete am 14.10.2020 die „Initiative Ehrenwort“: Die gesamte Wertschöpfungskette für Kältemittel wird dazu aufgerufen,...

mehr

EFCTC-Initiative „Ehrenwort“ gegen illegale Kältemittel

Der Europäische Technische Ausschuss für Fluorkohlenwasserstoffe (EFCTC) startete am 14.10.2020 die „Initiative Ehrenwort“: Die gesamte Wertschöpfungskette für Kältemittel wird dazu aufgerufen,...

mehr
Ausgabe 04/2020

Der Kältemittel-Schwarzmarkt blüht

Illegale Menge entspricht einem Drittel des legalen Marktes

Der europäische „Green Deal“ soll Europa mit einer der ehrgeizigsten Umweltgesetzgebungen der Welt zur Klimaneutralität führen. Eine solch ehrgeizige Gesetzgebung sollte mit einer ebenso...

mehr