Perfektes Zusammenspiel von globalen und regionalen Konzepten

100 Jahre Mitsubishi Electric: von der Reederei zum globalen Technologieunternehmen

Einhundertjähriges Jubiläum, Ende des Geschäftsjahres 2020/2021, die zu erwartende Entwicklung im neuen Geschäftsjahr 2021/2022 – das waren die Themen in einem Gespräch mit Holger Thiesen, General Manager Mitsubishi Electric, Living Environment Systems und Vice President der deutschen Niederlassung von Mitsubishi Electric Europe B.V..

KKA: Herr Thiesen – was bedeuten 100 Jahre Mitsubishi Electric für Sie?

Thiesen: 100 Jahre Mitsubishi Electric sind für mich ein leuchtendes Zeichen, was für ein unfassbar großer Erfahrungsschatz sich in dieser Zeit angesammelt hat und genutzt wird. Sicher haben sich diese Erfahrungen immer wieder verändert, greifen aber doch stets auf die wenigen zentralen Aspekte zurück, die den Erfolg tragen. Wenn man sich einmal die Geschichte von Mitsubishi Electric anschaut, das sich aus dem Werftbetrieb der heutigen Mitsubishi Heavy Industry über verschiedenste Kernprodukte hinweg zu einem derartigen Unternehmen entwickelt hat, dann ist das außergewöhnlich. Und es ist umso bemerkenswerter, dass sich dieses Unternehmen immer weiter aufgespalten hat in spezialisierte Geschäftsbereiche, die diese Grundgedanken in sich tragen. Wir sind vom kleinsten IT-Semiconductor bis in das Weltall mit unseren Produkten vertreten. Das zeigt die ungeheure Innovationskraft, die sich über 100 Jahre in diesem Unternehmen gehalten hat.

Global denken – regional Managements aufbauen

KKA: Was ist in der Geschichte von Mitsu­bishi Electric für Sie denn besonders eindrucksvoll?

Thiesen: Anhand der Tatsache, wie sich die Marke Mitsubishi Electric in Europa entwickelt hat, kann man das sehr gut sehen. Auch hier sind wir den für uns typischen Weg gegangen, zwar global zu denken, aber regional ein Management aufzubauen. Wir gehen nicht in Märkte, um Präsenz zu zeigen, sondern um langfristig ein erfolgreicher Teil dieser Märkte zu sein. Dementsprechend wird sehr genau geprüft, welche Geschäftsbereiche in welchen Regionen Erfolg versprechen. Wir sind in Japan beispielsweise mit mehreren, äußerst erfolgreichen Geschäftsbereichen aktiv, die in Europa überhaupt nicht zur Debatte stehen. Dafür sind wir der Lage, regional neue Produkttechnologien aufzubauen, wie z. B. unseren Bereich Wärmepumpen. Luft-Luft-Geräte sind für uns eine altbekannte und jahrzehntelang gewachsene Technologie. In Europa benötigten wir aber Luft/Wasser-Wärmepumpen mit ganz neuen Komponenten, Regularien und Regelungen, die uns letztendlich die japanischen Kollegen genau nach unseren Vorgaben zur Verfügung stellen konnten. Hier wurde der Innovationssprung von der europäischen Seite her angestoßen und in Japan gelöst.

KKA: Gibt es in der 100-jährigen Geschichte wichtige Meilensteine, die einen Entwicklungssprung ausgelöst haben?

Thiesen: Dafür empfehle ich Ihnen, sich einmal unsere digitale „Wall of fame“ in der Hauptverwaltung in Ratingen anzuschauen. Hier sind aus allen Geschäftsbereichen genau diese Highlights zu sehen. Wir schaffen es regelmäßig genauso die schnellsten Aufzüge der Welt zu bauen, wie die erste in sich gedrehte Rolltreppe oder in der Robotik die Erkenntnisse aus mehreren Geschäftsbereichen zu nutzen, um beeindruckend präzise Lösungen herzustellen. Dabei gelingt es uns immer wieder, bekannte Themen neu zu besetzen. Nehmen Sie als Beispiel unser Hybrid VRF-System. VRF-Anlagen waren prinzipiell eine als etabliert angesehene Technologie, bis wir sie unter dem Aspekt Kältemittel völlig neu angefasst und eine Lösung entwickelt haben, die heute einzigartig auf der Welt ist. (Gemeint ist das Hybrid VRF-System – die Redaktion). Die Kompetenz dafür ziehen wir aus der breiten Aufstellung und dem ex­trem hohen Innovations-Know-how, das wir haben. Wer in der Lage ist, Satelliten in das Weltall zu schicken, der ist auch in der Lage, die beste Klimaanlage der Welt zu bauen. Das ist genau der Anspruch, den wir haben.

KKA: Die Entwicklung und Geschäftsbasis in Europa und Deutschland ist dabei aber völlig anders gelagert als in Asien. Was würden Sie gerade im europäischen Markt als wesentliche Basis für den Erfolg herausstellen?

Thiesen: Es klingt abgedroschen, beschreibt aber sehr genau unsere Strategie: think global, act local. Als globaler Konzern schaffen wir regionale Vertriebsgesellschaften, die marktspezifisch den Bedarf und die Erfordernisse abdecken sollen. Dafür beobachten wir die Märkte sehr genau und entscheiden uns entweder für eine eigene Gesellschaft oder für Kompetenz-Center, die gemeinsame Anforderungen an Technologien haben und so auch perfekt abgedeckt werden können. Deswegen lässt sich schlecht ein einziger Faktor für den Erfolg nennen. Es ist letztendlich das Zusammenspiel zwischen regionaler Präsenz mit einer Offenheit für regionale Marktbedürfnisse, die in einem regionalen Vertriebskonzept umgesetzt werden und unter einem globalen Schirm stehen, der strategisch die Möglichkeiten an die Hand gibt, sowohl erstklassige Produkte, anerkannte Qualität als auch eine abgestimmte Serviceorganisation aufzubauen.

 

Exaktes Steuern als gemeinsame Basis vieler Technologiekonzepte

KKA: Andere Großunternehmen konzentrieren sich immer weiter auf ihr Kerngeschäft, während Mitsubishi Electric sich immer weiter diversifiziert – das reicht von einem Toaster bis hin zu Industrierobotern. Gibt es hierbei eine gemeinsame „Klammer“ für alle Aktivitäten?

Thiesen: Wenn man in einem einzigen Satz die Kernkompetenz von Mitsubishi Electric zusammenfassen müsste, die alles verbindet, dann ist es das exakte und präzise Steuern egal welcher Anwendung. Natürlich werden bei jedem Produkt darüber hinaus auch hunderte anderer technischer Anforderungen gelöst. Aber Präzision ist eine wichtige Klammer über nahezu alle Produkte hinweg. Nehmen Sie den genannten, vergleichsweise kostspieligen Toaster. Bei ihm kann man so exakt wie bei keinem anderen Toaster den gewünschten Bräunegrad einstellen. Deswegen ist er in Asien ein echter Verkaufsschlager, über den auch deutsche Medien bereits berichtet haben. Das exakte Steuern betrifft aber genauso den Satelliten, der strikt geosynchron über einer Position bleiben muss oder „High Precision Positioning“-Systeme für Kraftfahrzeuge, die autonomes Fahren ermöglichen, bei dem es auf Zentimeter ankommt. In der Kälte-, Klima- und Heizungstechnik ist unsere Invertertechnologie die entsprechende Erfolgsbasis, die hocheffizient arbeitet und sich so perfekt einstellen lässt, dass genau das benötigte Wunschklima erreicht wird. Das verbindet unsere Produkte miteinander – vom Toaster über den Satelliten bis hin zum Hybrid VRF-System.

KKA: Wie hat sich denn das Geschäftsjahr 2020 für den Geschäftsbereich Klima, Kälte und Heizung entwickelt?

Thiesen: Es hat uns überrascht, wie gut sich das Jahr trotz der Pandemie-Bedingungen entwickelt hat. Das ging nicht nur uns so, sondern quasi der gesamten Baubranche. Der positive Trend der vergangenen Jahre hat sich fortgesetzt. Extrem positiv war die Nachfrage seitens der Endkunden – sowohl nach unseren Klimageräten als auch nach unseren Wärmepumpen. Es war außerdem eine positive Erfahrung, wie schnell und flexibel wir es geschafft haben, auf Homeoffice-Betrieb umzustellen und wie flexibel unsere Mitarbeiter – im Zweifelsfall auch vom Küchen- oder Wohnzimmertisch aus – mit hoher Motivation gearbeitet haben.

Leider standen uns nicht immer die benötigten Teile in einer ohnehin durch zum Teil unterbrochene oder verminderte Logistikketten beeinflussten Produktion zur Verfügung. Deswegen waren wir nicht bei allen Produkten durchgängig lieferfähig. Auch das erging der gesamten Industrie so – je nachdem, woher benötigte Komponenten kamen und wie sich dort gerade die Pandemie entwickelt hatte.

 

Weitere Produktionsstätten für Wärmepumpen

KKA: Sie haben Produktionen sowohl in Italien als auch in Schottland – zwei Regionen, die es im vergangenen Jahr durch die Pandemie besonders hart getroffen hat. Wie war die Verfügbarkeit von Produkten speziell aus diesen Werken?

Thiesen: Bei Venedig in Italien stellen wir in erster Linie unsere Kaltwassersätze her. Das ist eine reine Auftragsfertigung und man kann deswegen sehr genau planen. Hier kam es nur zu geringen Verzögerungen. Anders hat sich die Lage in unserem Werk in Schottland dargestellt, in dem es aufgrund sehr harter Lockdowns der britischen Regierung zu spürbaren Lieferverzögerungen gekommen ist – und zwar für ganz Europa, nicht nur in Deutschland. Pa­rallel stieg die Nachfrage nach den dort produzierten Wärmepumpen. Wir haben uns deswegen wieder auf unsere internationale Stärke besonnen und Teile der Fertigung aus Schottland nach Asien verlagert. Gleichzeitig prüfen wir aktuell, welche Möglichkeiten wir in Europa darüber hinausgehend für die Wärmepumpen-Herstellung nutzen können. Das werden wir mittelfristig umsetzen, um so die benötigten Kapazitäten zur Verfügung zu haben – auch in besonderen Situationen wie im vergangenen Jahr.

KKA: Welche Entwicklung erwarten Sie im laufenden Kalenderjahr 2021?

Thiesen: Unsere Erwartungen müssen wir differenziert nach Produktgruppen betrachten. In allen Produktbereichen wie Kaltwassersätzen, VRF etc., die in erster Linie im Projektgeschäft eingesetzt werden, erwarten wir einen Bedarf, der geringer als in den vergangenen Jahren sein wird. Diese Technologien werden besonders zahlreich in Hotels und Bürogebäuden verwendet. Hier liegt es auf der Hand, dass Investitionen derzeit oftmals zurückgestellt werden. Im letzten Jahr konnten wir noch auf ein hervorragendes Ergebnis schauen. Derzeit ist absehbar, dass es in 2021 in diesem Segment zu einem Rückgang kommen wird. Nach unseren aktuellen Daten sehen wir aber auch, dass neue Anwendungsgebiete gerade für unsere VRF-Technologie diesen Rückgang teilweise kompensieren werden. Dabei kann unsere VRF-Technologie ihre besonderen Stärken in puncto Flexibilität und Vielfalt ausspielen. Die Aufgaben, die künftig anstehen, wie beispielsweise in der Umwidmung von Gebäuden, lassen sich nicht durch einen zentralen Wärmeerzeuger, sondern intelligente dezentrale Konzepte lösen. Gleichzeitig erwarten wir weiteres Wachstum in den Produktbereichen, die für Endkunden konzipiert sind. Das betrifft sowohl Split-Klimageräte als auch Wärmepumpen.

 

Serviceleistungen gezielt ergänzen

KKA: Welche Ziele haben Sie sich für das laufende Jahr gesetzt?

Thiesen: Wir verfügen bereits jetzt über eines der breitesten und tiefsten Produktangebote am Markt – egal ob mit Blick auf die Leistungsgrößen oder die Anwendungsfälle und Technologien. Dennoch werden wir eventuelle Lücken im Sortiment in 2021 schließen und gleichzeitig bestehende Produkte noch effizienter machen können. Außerdem werden wir das Thema Konnektivität und digitale Steuerung sowie die Einbindung in Systeme der Gebäudeleittechnik weiter ausbauen. Unser Hauptaugenmerk in diesem Jahr wird aber die Weiterentwicklung unserer Servicequalität sein. Hier wollen wir deutlich besser werden als im Vorjahr und haben dafür verschiedene Initiativen gestartet. Wir setzen dafür teils auch auf digitale Lösungen wie beispielsweise einen Webshop für unsere „City Multi Club“-Partner. Durch ein neues „Track and Trace“-System wird man künftig genau verfolgen können, wann die bestellte Ware eintrifft.

Wir haben unsere gesamte Organisation hinterfragt und geprüft, ob wir an allen Stellen noch richtig aufgestellt sind und wo wir weiter investieren müssen. Die Ergebnisse aus diesen strategischen Betrachtungen werden jetzt Zug um Zug umgesetzt. Denn egal wie die Welt morgen aussehen wird – wir müssen uns am Markt sowohl durch unsere Produkte als auch die Tatsache unterscheiden, wie einfach und angenehm es ist, mit uns Geschäfte zu machen. Hinsichtlich der Produkte sind wir zu 100 % perfekt aufgestellt. An unseren Serviceleistungen werden wir kurzfristig an zahlreichen Stellschrauben Veränderungen umsetzen, um künftig auch in einem schwierigen Marktumfeld bzw. unter besonderen Marktbedingungen der bestmögliche Partner zu sein.

KKA: Wenn wir uns abschließend die langfristige Entwicklung von Mitsubishi Electric ansehen – welche Schwerpunkte werden Sie in den kommenden Jahren beschäftigen?

Thiesen: Für uns als Mitsubishi Electric ist Europa weltweit einer der interessantesten Märkte. Und innerhalb dieses Marktes sind die Technologien von Living Environment Systems mit seiner Dualität zwischen Lösungen für die Klimatisierung und Wärmeversorgung besonders wichtig.

Egal ob wir von nachhaltiger Energienutzung oder Technologien reden – im Moment zeigen alle Erfolgsfaktoren für uns steil nach oben. Denn wir bieten in allen Anwendungsbereichen Lösungen für die Aufgaben der Energiewende – ausschließlich auf der Basis erneuerbarer Energieträger. Sowohl in den Bereichen Kälte und Klima als auch Heizung sind wir dafür perfekt aufgestellt – mit Produkten, die im Hinblick auf Effizienz und Komfort das bieten, was heute machbar ist.

KKA: Herr Thiesen, vielen Dank für das Gespräch.

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