Rechenzentrum beheizt Kinderkrippe

AWO Stadtbergen setzt auf Wärmerückgewinnung

In der Gebäudetechnik werden zunehmend Synergieeffekte genutzt. Das spart Energie und Kosten. Im Klimabereich kann z.B. die Wärme aus Serverräumen verschoben werden, um andere Räume zu beheizen. Üblicherweise wird in der Übergangszeit und in den kalten Wintermonaten über eine klassische Heizungsanlage geheizt. Dies ergibt vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen und steigender Energiepreise wenig Sinn. Das „Haus der Familie“ der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Stadtbergen zeigt, dass es auch wesentlich wirtschaftlicher und umweltschonender geht – ganz im Sinne der Zukunft unserer Kinder.

Die AWO gehört zu den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Mit ihren haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern verfolgt sie das Ziel, soziale Lösungen zu bieten. Dafür stellt sie eine umfassende Infrastruktur, beispielsweise mit Kindertagesstätten, Seniorenzentren oder anderen Einrichtungen, zur Verfügung. So auch im schwäbischen Ort Stadtbergen nahe Augsburg. Dort hat der AWO-Bezirksverband Schwaben e. V. ein zentrales Rechenzentrum des AWO-Landesverbandes Bayern als Neubau innerhalb eines Wohngebietes errichtet. Gleichzeitig befinden sich in dem „Haus der Familie“ die Verwaltungsräume im Ober- sowie eine angeschlossene Kinderkrippe im Erdgeschoss des Gebäudes.

Da die technischen Anlagen des Rechenzentrums hohe Wärmelasten produzieren, müssen sie ganzjährig gekühlt werden. Die Verwaltungsbüros und die Kinderkrippe werden natürlich beheizt bzw. im Sommer auch teilklimatisiert. Die Aufgabenstellung umfasste also neben der Kühlung der Zentralrechnerräume mit Redundanzfunktion auch die Klimatisierung der von Personen genutzten Räumlichkeiten sowie die zentrale Be- und Entlüftung des Gebäudes. „Eigentlich sollte hier eine Standardkühlung für die Klimatisierung des Rechenzentrums sowie eine klassische Wärmeerzeugung für die Fußbodenheizung der Kinderkrippe installiert werden“, erläutert Dipl.-Ing. Peter Donik vom gleichnamigen Ingenieur-Büro Donik GbR aus dem benachbarten Gersthofen, das den Planungspart für die anspruchsvolle Anlagentechnik übernommen hat.

Anspruchsvolle Lösung zur Wärmerückgewinnung

Während das anfänglich geplante Konzept vorsah, die thermischen Lasten des EDV-Zentrums über Dach abzuführen, sollte die Fußbodenheizung für den Kindergarten und die Verwaltungsräume über eine klassische Heizungsanlage mit einem Gas- oder Fernwärmeanschluss versorgt werden. Bei eingehender Betrachtung wurde den Beteiligten jedoch deutlich, dass bei dieser Art der Wärme-/Kälteerzeugung viel Energie ungenutzt verloren geht. Das hätte bedeutet, dass die Abwärme aus den Serverräumen vollkommen ungenutzt an die Umwelt abgegeben würde. Gleichzeitig würde man im Winter auf der Basis fossiler Brennstoffe zuheizen.

„Heute gibt es jedoch wesentlich energieeffizientere Systeme am Markt, mit denen eine Wärmerückgewinnung und -nutzung im gleichen Gebäude realisiert werden kann“, erklärt Manfred Klee, Planerberater bei Mitsubishi Electric (www.mitsubishi-les.com). In intensiven Vorgesprächen konnte er Planer und Bauherren davon überzeugen, die Wärmeenergie aus dem Rechenzentrum – immerhin rund 30 kW – für die Heizung einzusetzen und den verbleibenden Heizenergiebedarf dadurch auf ein Minimum zu reduzieren. Wärmerückgewinnung heißt dabei das Zauberwort, mit dem Energie- und Betriebskosten ebenso gesenkt werden können wie die Belastung für die Umwelt. „Der Grundgedanke hierbei ist, dass im Gebäude vorhandene Wärme dorthin verschoben wird, wo sie gebraucht wird“, so Klee. Ein Teil des Ressourcen schonenden Energiekonzeptes beruht deshalb auf der intelligenten Temperaturverschiebung innerhalb des Gebäudes. Konkret wird dies mit der „R2“-Technologie umgesetzt, die mit lediglich zwei Rohrleitungen für einen parallelen Heiz- und Kühlbetrieb auskommt. Die „R2“-Technologie zeichnet sich darüber hinaus dadurch aus, dass sie mit nur zwei Rohrleitungen zwischen Verteiler und Innengeräten auskommt. Auf diese Weise lassen sie sich sehr einfach installieren und tragen so im Vergleich zu konventionellen 3-Leiter-Systemen zur Vereinfachung der Montage sowie zu einer Kostensenkung bei.

Zur Kühlung des Rechenzentrums wurden zwei VRF-Außengeräte aus der „City Multi“-Serie vom Typ „PUHY-EP 550“ bzw. „PUHY-EP 500“ auf dem Flachdach des Gebäudes installiert. Zusätzlich sorgen Außeneinheiten der „Mr. Slim“-Serie mit Power-Inverter-Technologie als Redundanzanlagen für die Sicherstellung der geforderten Betriebssicherheit. Im Kellergeschoss, in dem sich die Server des Rechenzentrums befinden, wird die Wärme ganzjährig über drei Kanaleinbaugeräte abgeführt. Drei baugleiche Inneneinheiten stehen aus Sicherheitsgründen zur Verfügung, falls die Hauptgeräte einmal ausfallen sollten. Zur späteren Erweiterung wurden bereits Kältemittelleitungen vom Rechzentrum im Untergeschoss bis zum Dach verlegt, um gegebenenfalls weitere Innen- und Außengeräte zu installieren, die dann eine zusätzliche Wärmelast von 20 kW abführen können.

Bedarfsgerechte Temperaturverschiebung

Zwischen die verschiedenen Außen- und die Inneneinheiten wurden zwei Kältemittelverteiler (sogenannte BC-Controller) geschaltet, die das Herzstück des „R2“-Systems bilden. Sie verschieben die überschüssige Wärmeenergie zu den Wasserwärmetauschern, den sogenannten „HEX-Units“, die sie dann wiederum über einen Pufferspeicher der Wärmeverteilung zuführen. Die nicht benötigte Energie wird dabei zunächst in den Pufferspeicher verschoben. Dieser wird auch dann aufgeladen, wenn keine Wärmeabnahme vorliegt, um die Wärme zu speichern. Der Pufferspeicher für die Heizung sowie ein Kaltwasserspeicher versorgen beide auch das Zentrallüftungsgerät.

Im Innenbereich übernehmen Deckenlüftungsgeräte dabei einen Teil der Konditionierung der Räumlichkeiten im Erd- und Obergeschoss. Im Intensivraum kommt sogar ein Deckenklimagerät zum Einsatz, um im Umluftverfahren nach Bedarf gezielt zu heizen oder zu kühlen. Von zentraler Bedeutung für das reibungslose Funktionieren dieses Systems ist neben der fachgerechten Ausführung insbesondere die Abstimmung der Komponenten untereinander. „Neben der energiesparenden Versorgung der einzelnen Räume mit Kälte oder Wärme besteht ein Vorteil der Wärmerückgewinnung darin, dass die Temperaturverschiebung über zahlreiche Sensoren bedarfsgeregelt gesteuert wird“, erklärt Andreas Wagner vom Fachunternehmen Klimatechnik Wagner GmbH aus Neusäß, welches die Installationsaufgaben durchgeführt hat.

„Zubadan“ zur Spitzenlastabdeckung

Von ebenso großer Bedeutung sind natürlich der ermittelte Wärme- und Kältebedarf sowie die zu erwartenden Wärmelasten aus den Serverräumen. Dank der Temperaturverschiebung bzw. Wärmerückgewinnung im Simultanbetrieb kann die AWO Stadtbergen deshalb jetzt einen Großteil der Abwärme der Serverräume zur Beheizung der Räume und zur Heizungswassererwärmung nutzen. Lediglich zur Abdeckung der Spitzenheizlast bei sehr niedrigen Außentemperaturen kommt eine Luft-/Wasser-Wärmepumpe mit 23 kW und „Zubadan“-Technologie zum Einsatz. „Grundsätzlich hätte auch die Spitzenlastabdeckung über die Klimaanlage erfolgen können“, so Donik.

Für die Ergänzung durch eine Wärmepumpe sprachen vor allem wirtschaftliche Gründe, denn sie wird in der Regel nur an wenigen Tagen im Jahr benötigt. Dadurch konnte eine Überdimensionierung der Klimaanlage vermieden werden. Zudem gewährleistet das patentierte Einspritzverfahren der „Zubadan“-Technologie, dass die Wärmepumpe auch bei sehr niedrigen Außentemperaturen von bis zu -15 °C noch 100 % ihrer Heizleistung erbringt. Gleichzeitig gewährleistet der erweiterte Arbeitsbereich auf bis zu -25 °C, dass die Wärmepumpe auch hierfür eine für den Heizbetrieb nutzbare Temperatur zur Verfügung stellt. Damit ist es möglich, das Gebäude mit Wärme zu versorgen, ohne bei tiefen Außentemperaturen auf die Unterstützung eines elektrischen Heizstabes oder gar eines zusätzlichen Wärmeerzeugers angewiesen zu sein.

Die Wärmeverteilung erfolgt neben den Klima-Deckenkassetten ganz klassisch über eine Fußbodenheizung. Die Flächentemperierung eignet sich in Kombination mit einer Luft-/Wasser-Wärmepumpe hervorragend zur Wärmeverteilung, da im Heizbetrieb mit einer sehr niedrigen Vorlauftemperatur gefahren werden kann. Dies hat zur Folge, dass die Wärmepumpen ebenfalls nur ein geringes Temperaturniveau zur Verfügung stellen müssen und dadurch einen höheren Wirkungsgrad erreichen. Das relativ große Wasservolumen des Wärmeverteilungssystems und des Pufferspeichers für die Heizung trägt zudem zu einer Verlängerung der Wärmepumpenlaufzeiten bei. Dies wiederum hat den positiven Effekt, dass häufiges Takten der Kompressoren vermieden wird und eine gleichmäßige und kontinuierliche Wärmeabgabe stattfindet.

Fazit

Die AWO Stadtbergen setzte beim Neubau des neuen Rechenzentrums für den Bezirksverband Bayern und einer angeschlossenen Kinderkrippe und eines Verwaltungstraktes auf eine energiesparende Lösung zum Kühlen und Heizen. Bei dieser Systemarchitektur wird die aus dem Kühlprozess der Rechner abgeleitete Wärmeenergie über verschiedene anlagentechnische Stationen (BC-Controller, Pufferspeicher) an die entsprechenden Teilkomponenten (Klima-Innengeräte, Zentrallüftungsgerät, Fußbodenheizung) weitergeleitet.

Die Herausforderung, die reine Wärmelastabfuhr in die Umgebung zu reduzieren und dadurch hohe Effizienzgewinne zu realisieren sowie Betriebskosten einzusparen, konnte durch den Einsatz des „R2“-Systems gelöst werden. Neben der Kühlung der Zentralrechnerräume mit Redundanzfunktion übernimmt das VRF-Klimasystem auch die Klimatisierung der von Personen genutzten Räumlichkeiten sowie des zentralen Lüftungssystems des Gebäudes. Um keine Überkapazitäten bei der Leistung der Klimaanlage zu installieren, wurde zusätzlich eine „Zubadan“-Wärmepumpe integriert, die die Spitzenlast bei sehr niedrigen Außentemperaturen im Winter abdeckt.

Projektdaten auf einen Blick

Projekt: Verwaltungsgebäude mit Zentral-Rechenzentrum der AWO Schwaben, Kinderkrippe in Stadtbergen
Bauherr: Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Schwaben e.V.
Kühl- und Heiztechnik: Mitsubishi Electric
Ansprechpartner: Manfred Klee, T: 0911-366 82 24, M: 01 72-24 44 12 2
Planer:  Ingenieur-Büro Donik GbR, Gersthofen
Ausführende Firma: Klimatechnik Wagner GmbH, Neusäß

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