Regressansprüche bei fremdverschuldeten Unfällen

So sparen Sie als Handwerksbetrieb Geld

Einsparmöglichkeiten sind für Handwerksbetriebe nicht nur in Krisenzeiten willkommen. Eine Möglichkeit, relativ einfach Geld einzusparen, haben jedoch nur wenige im Blick: Fällt ein Mitarbeiter aufgrund eines Unfalls aus und trägt der Unfallgeber die Schuld, muss dieser die Kosten der Lohnfortzahlung tragen. Selbst wenn dies nur einmal im Jahr einem Mitarbeiter widerfährt, kommt eine beachtliche Summe zustande. Wie betroffene Handwerker dabei vorgehen können, wird hier beschrieben.

Die Tätigkeit im installierenden Handwerk verlangt trotz aller Erleichterungen immer noch körperliche Leistungsfähigkeit. Entsprechend dominieren Männer jungen und mittleren Alters die ausführenden Tätigkeiten beim Kunden. Diese Mitarbeiter haben eine weitere Ähnlichkeit: Sie sind, nicht nur im Privatleben, aktiver, ja risikobereiter als der Bevölkerungsdurchschnitt. Dann geschehen eher Unfälle als auf dem heimischen Sofa. Die Folge: eine Krankmeldung, wobei die Pflichten des Arbeitgebers eindeutig vorgegeben sind. Fällt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit aus, ist der Arbeitgeber nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet, dem Betroffenen den Lohn für bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verursacht hat (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG) und dass das Arbeitsverhältnis bereits mindestens vier Wochen ununterbrochen bestand (§ 3 Abs. 3 EFZG). Erst nach diesen sechs Wochen übernimmt die Krankenkasse die weiteren Kosten.

Dass damit für den Inhaber eines  Handwerksbetriebs beachtliche Kosten verbunden sind, ist offensichtlich, aber nicht vermeidbar. Bei aktuellen Lohnnebenkosten von ca. 28 % wären bei einem Mitarbeiter, der monatlich 2.500 € verdient, für einen Zeitraum von sechs Wochen somit über 4.431 € Lohnfortzahlung fällig, wobei Urlaubsansprüche und zusätzliche Leistungen, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, unberücksichtigt sind.

Bei Unfällen des Mitarbeiters besteht für den Chef die Möglichkeit, dass diese Kosten durch den Dritten, der die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters verursacht hat, getragen werden – unabhängig davon, ob der Unfall im beruflichen Einsatz oder privaten Umfeld erfolgt. Die beispielhafte Berechnung verdeutlicht, dass es sich bei diesem Thema nicht um „Peanuts“ handelt und nicht nur in Krisenzeiten beachtliche Summen eingespart werden, selbst wenn ein solcher Vorfall nur einmal jährlich vorkommt.

Schuldhaftes Verhalten des
Arbeitnehmers

Unfälle geschehen kaum zufällig, in den meisten Fällen beging einer der Beteiligten einen Fehler. Ein schuldhaftes Verhalten liegt nach Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 18.03.2015, AZ. 10 AZR 99/14, Rn. 13) vor, wenn „[…] der Arbeitnehmer in einem erheblichen Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem Interesse zu erwartende Verhalten verstößt […]“.

Bei der Ausübung gefährlicher Sportarten ist ein Verschulden des Arbeitnehmers nicht immer auf den ersten Blick feststellbar. Ein Verschulden des Arbeitnehmers liegt nach BAG (Urt. v. 07.10.1981, AZ. 5 AZR 338/79; BAG AP Nr. 45 zu § 1 LohnFG) vor, wenn sich „[…] der Arbeitnehmer in einer seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigenden Weise sportlich betätigt […]“ oder wenn gegen die Regeln der jeweiligen Sportart in besonders grober Weise und leichtsinnig verstoßen wird (BAG, Urt. v. 07.10.1981, AZ. 5 AZR 338/79; BAG AP Nr. 45 zu § 1 LohnFG). Zu solchen Sportarten gehören u.a. Kickboxen und Bungeespringen, wogegen Fallschirmspringen, Motorradrennen, Karate und Fußballspielen nicht als gefährlich eingestuft werden (BAG, Urt. v. 21.01.1976, Az. 5 AZR 593/74). Ist dem Arbeitnehmer ein schuldhaftes Verhalten nachweisbar, kann ggf. auf die Lohnfortzahlung anteilig oder gänzlich verzichtet werden.

Regressansprüche des Arbeitgebers bei fremdverschuldeter Arbeitsunfähigkeit

Die meisten Menschen sind im Laufe ihres Lebens zumindest einmal in einen Unfall verwickelt, häufig im Straßenverkehr. Auch wenn die Sicherheit der Fahrzeuge zugenommen und die Anzahl von Todesfällen und schweren Verletzungen zurückgegangen ist, gibt es auch gegenteilige Entwicklungen, wie die vermehrten Unfälle mit E-Bikes.

Erleidet ein Arbeitnehmer aufgrund eines nicht von ihm verschuldeten Unfalls eine Arbeitsunfähigkeit, stehen dem Arbeitgeber Regressansprüche zu. Damit wird dieser nicht aus der Pflicht entlassen, dem verletzten Arbeitnehmer den Lohn weiterzuzahlen (§ 3 EFZG), ihm steht jedoch bei der Haftung eines Dritten Schadensersatz zu (§ 6 EFZG).

Nach einem Verkehrsunfall mit Personenschäden erfolgt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, wenn es sich lediglich um eine geringe Pflichtverletzung handelt und dem Täter keine Vorstrafen angelastet werden können.

Vieles kann direkt mit der Versicherung des Verursachers geklärt werden. Sollten alle notwendigen Beweise vorliegen, kann die Versicherung des Verursachers herangezogen werden. Die Versicherung wird aufgefordert, für die Lohnfortzahlung des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers aufzukommen. Sollte sich die Versicherung weigern, die Lohnfortzahlung zu übernehmen, kann eine gerichtliche Durchsetzung erfolgen. Die Kosten für den Rechtsanwalt zahlt nach gewonnenem Verfahren der Schädiger. Während der Verhandlung muss der geschädigte Mitarbeiter seine Verletzung, die Schuld des Schädigers sowie die Kausalität detailliert vortragen. Dieser kann sich der Mithilfe nicht entziehen.

Bei Verkehrsunfällen erfolgt häufig eine Schuldverteilung auf die Beteiligten. Hierzu ein Beispiel, welches die Situation verdeutlicht. Arbeitnehmer A fährt abends mit einem unbeleuchteten Fahrrad von einem Freund nach Hause. Unterwegs wird er von Schädiger S angefahren, der mit leicht überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Der Schaden wird aufgeteilt, da beide Beteiligten ein Mitverschulden zu tragen haben. A hätte sein Fahrrad mit Licht ausstatten und S sich an die Geschwindigkeit halten müssen. Dann hätte S den A eher gesehen und hätte ggf. noch ausweichen können. Das Amtsgericht verteilt den Schaden bspw. nach einer 60:40-Quote, wobei S mit dem größeren Anteil haftet, da er sich die Betriebsgefahr seines Pkws zurechnen lassen muss. Da A die Arbeitsunfähigkeit zu 40 % mit verursacht hat, gehen auch nur 60 % auf den Arbeitgeber über. Demnach kann sich der Handwerksbetrieb 60 % der Lohnfortzahlung durch S zurückerstatten lassen. Die fehlenden 40 % müsste A tragen, auch wenn die meisten Arbeitgeber auf diese Forderung wohl verzichten werden.

Ein nach § 6 Abs. 1 EFZG übergegangener Anspruch kann nur erfolgreich durchsetzt werden, wenn gem. § 286 ZPO nachgewiesen wird, dass es durch den Unfall zu einer Primärverletzung des Arbeitnehmers gekommen ist. Mit der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht die tatsächliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer infolge einer Krankheit arbeitsunfähig ist. Sodann kann der Arbeitgeber (mit dem Beweis, dass der Arbeitnehmer durch einen Dritten geschädigt wurde), den Forderungsübergang geltend machen. Zwar muss vorerst die Lohnfortzahlung dennoch geleistet werden, diese kann aber später zurückgeholt werden. Dabei kann der Chef den Bruttolohn, Arbeitgeber-Anteile zur Sozialversicherung, vermögenswirksame Leistungen, anteilige Jahreszuwendungen, mögliche Gefahrenzulagen und Beiträge zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung geltend machen.

Wie lange ein Ermittlungsverfahren und die Erstattung der Lohnfortzahlung dauern, hängt vom Einzelfall und den gegebenen Umständen ab. Ein gesetzliches Zeitfenster gibt es hierfür nicht. Liegt das Verschulden folglich bei einem Dritten, geht der Anspruch auf Ersatz seines Erwerbsschadens auf den Arbeitgeber über, sodass ein Regressanspruch gegen den Unfallverursacher/Schädiger in Höhe der Entgeltfortzahlung (Bruttolohn zzgl. Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung) auf Basis von § 4 EFZG geltend gemacht werden kann. Dem Arbeitnehmer steht kein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zu, da dieser nach § 6 EFZG übergegangen ist. Weitere Ansprüche, wie bspw. Schmerzensgeld bleiben jedoch bestehen.

Deshalb sollte ein Chef bei jeder Krankmeldung die Frage stellen, wer die Arbeitsunfähigkeit verursacht hat, um ggf. Regress­ansprüche geltend machen zu können.

Ist für den Arbeitnehmer ersichtlich, dass der Verursacher seiner Arbeitsunfähigkeit ein Dritter ist, muss dieser seinem Arbeitgeber die erforderlichen Informationen unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) bereitstellen (§ 6 Abs. 2 EFZG). Der Arbeitgeber muss die Möglichkeit erhalten, den Forderungsübergang sowie den Ersatzanspruch zu prüfen. Informationen, wie Datum und Uhrzeit des Vorfalls, Name, Anschrift und Telefonnummer des Schädigers, der Beteiligten und Zeugen, Ansprechpartner und Ermittlungsergebnisse der zuständigen Polizei, mögliches Autokennzeichen bei einem Verkehrsunfall sowie Versicherungsdaten des Schädigers muss der Arbeitnehmer bereitstellen. Sollte der Arbeitnehmer diese Informationen willentlich nicht weiterleiten, kann die Lohnfortzahlung verweigert werden (allgemeines Leistungsverweigerungsrecht; § 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG).

Der Forderungsübergang bei Dritthaftung nach § 6 EFZG gilt auch dann, wenn dem Verunfallten für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bezahlter Urlaub gewährt wird. Der Schädiger muss folglich auch den auf diesen Zeitraum anfallenden Teil des Urlaubsentgeltes ersetzen (BGH, Urt. v. 13.08.2013, AZ. VI ZR 389/12). Der Anspruchsübergang gilt nur für die angeführten sechs Wochen, also die Zeit, in der das EFZG Anwendung findet und nicht darüber hinaus, da dann die Krankenkasse die Kosten der Arbeitsunfähigkeit trägt.

Deckt der Schadensersatzanspruch die Lohnfortzahlung des Geschädigten nicht ab, weil ggf. eine Haftungsbeschränkung des Schädigers gilt oder dieser aufgrund fehlenden Versicherungsschutzes die Forderung nicht erfüllen kann, muss der Inhaber eines Handwerksbetriebs allerdings die Kosten der Lohnfortzahlung tragen (Vorrang des Schadensausgleichs des Arbeitnehmers vor Arbeitgeber).

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