Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Handwerk fordern Reform der Sozialversicherungssysteme
04.12.2025Angesichts dramatisch steigender Kosten für Rente, Gesundheit und Pflege fordert der NRW-Handwerksrat in einem aktuellen Beschluss grundlegende Reformen, um die Vorsorgesysteme zukunftsfest aufzustellen. „Sozialpolitik darf nicht zum Kettenbrief zulasten künftiger Generationen werden. Verlässliche Vorsorgelösungen für Alter, Gesundheit und Pflege sind unerlässlich für das Vertrauen in unsere Wirtschafts- und Sozialordnung“, erklärte Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW (www.handwerk.nrw)
Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Handwerk fordern Reform der Sozialversicherungssysteme.
Bild: Handwerk.NRW
Ohne strukturelle Reformen werden die Sozialabgaben in den kommenden Jahren weiter auf bis zu 50 % des Bruttolohns steigen. „Das macht den Faktor Arbeit immer teurer und belastet besonders das Handwerk, wo Personalkosten einen Großteil der Gesamtkosten ausmachen. Handwerksleistungen drohen zum Luxusgut zu werden, Schwarzarbeit wird attraktiver“, warnte Ehlert. Normale Beschäftigte seien die „Packesel der Sozialpolitik“, weil ihnen immer weniger Nettoverdienst bleibe. „Wer ehrlich arbeitet und für sich selbst Verantwortung übernimmt, wird mit immer höheren Beiträgen belastet, während der Gegenwert dieser Beiträge immer unsicherer wird. Bei den Sozialsystemen stehen wir an einem Kipppunkt“, so der Handwerkspräsident.
Mit Blick auf die aktuelle Debatte zum Rentenpaket der Bundesregierung ergänzte er: „Es ist richtig, dass die junge Gruppe in der Unionsfraktion um Johannes Winkel eine Rentenpolitik einfordert, die die Lasten zwischen den Generationen fair verteilt. Es wäre falsch, jetzt schon über Jahre hinweg Fakten zu schaffen, bevor die Reformkommission überhaupt ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Bundesregierung ist jetzt gefragt, einen tragfähigen Kompromiss zu finden.“
Um die Sozialsysteme zukunftsfest zu machen, braucht es nach Ansicht des Handwerks konsequente Weichenstellungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. „Wir müssen alles daransetzen, möglichst vielen Menschen eine produktive Beschäftigung zu ermöglichen und das Arbeitsvolumen zu erhöhen – durch gute Bildung, mehr Flexibilität bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik“, betonte Ehlert. Auch das Handwerk stehe in der Verantwortung: Betriebe sollten verstärkt in die Gesundheit und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren, damit die Beschäftigungsfähigkeit auch im Alter oder bei Krankheit so weit wie möglich erhalten bleibt. In der gesetzlichen Rentenversicherung mahnt das Handwerk an, versicherungsfremde Leistungen über allgemeine Haushaltsmittel, anstatt über Sozialbeiträge zu finanzieren.
Bild: Clipdealer
Die oft diskutierte „Rente mit 70“ hält das Handwerk in vielen Berufen für unrealistisch. „Viel gewonnen wäre aber schon, wenn der Renteneintritt – abgesehen von Härtefällen – erst nach 45 Arbeitsjahren erfolgt“, sagte Ehlert. „Wer später ins Berufsleben startet, muss dann länger arbeiten als jemand, der schon früh über die berufliche Bildung ins Arbeitsleben eingestiegen ist.“ Effektiv müsse das durchschnittliche Rentenalter mit steigender Lebenserwartung weiter erhöht werden. Fehlanreize zur Frühverrentung gelte es zu vermeiden.
Reformbedarf sieht das nordrhein-westfälische Handwerk auch bei Gesundheit und Pflege, wo kein Weg an kostensenkenden Maßnahmen und Effizienzsteigerungen vorbeiführe. „Die Zeit drängt. Wir brauchen jetzt keine Trippelschritte, sondern einen großen Wurf. Nur dann schaffen wir es, die Tragfähigkeit unserer Systeme langfristig zu sichern und die Generationengerechtigkeit wiederherzustellen“, so Ehlert. Um den Reformdruck zu erhöhen, fordert das Handwerk deshalb einen verfassungsrechtlichen Deckel für Sozialversicherungsbeiträge von 40 % im Grundgesetz. „Eine solche Haltelinie würde die Politik verpflichten, sich ehrlich zu machen und die lange überfällige Neuausrichtung der Vorsorgepolitik endlich konsequent anzugehen.“
