Weiterarbeiten trotz (Früh)Rente?

Aktuelle Gesetzesänderung eröffnet neue Möglichkeiten

Beschäftigte in der Kältetechnik stecken mit zunehmender Nähe zum mög­lichen Ruhestandseintritt oft in einer Zwickmühle. Viele würden gerne in den Ruhestand gehen, erfüllen sogar die Vorrausetzungen für eine abschlagsfreie Frührente, aufgrund ihrer langjährigen Berufstätigkeit, allerdings lassen die Informationen der Deutschen Rentenversicherung eine niedrige, vielleicht zu niedrige Rente erwarten. Oft wird genau gerechnet und dann dennoch diese Alternative gewählt, trotz aller zukünftigen, finanziellen Einschränkungen. Dabei gibt es eine attraktive Möglichkeit für Betroffenen: weiterarbeiten und gleichzeitig Rente beziehen.

Diese Möglichkeit beruht auf einer wichtigen Gesetzesänderung: 2023 wurden die Zuverdienstgrenzen bei Rentenbezug vollständig aufgehoben. Damit eröffnen sich insbesondere für langjährig Rentenversicherte vielfältige Alternativen. Ist der Bezug einer abschlagsfreien Frührente möglich, können Beschäftigte diese beziehen, unabhängig davon, ob sie weiter berufstätig sind.

Da die Kältebranche ohnehin unter Arbeitskräftemangel leidet, sollten Arbeitgeber den betroffenen Mitarbeitern die bestehenden Möglichkeiten aufzeigen. So können erfahrene Mitarbeiter ihr Einkommen für den Zeitraum zwischen Frührente und endgültiger Berufsaufgabe steigern und länger an den Betrieb gebunden werden. Dabei kann auf Basis einer überschlägigen Berechnung das Arbeitsverhältnis angepasst und die Stunden häufig reduziert werden. Bei einer Änderungskündigung kann man beispielsweise Arbeitszeit und -lohn verändern. So kann ein Betroffener Frührente beziehen und gleichzeitig seine Arbeitszeit reduzieren, ohne dass es zu Einkommenseinbußen kommt. Der Rentner kann auf diese Weise z.B. junge Kollegen an Aufgaben heranführen oder die bisherige Tätigkeit auf körperlich weniger herausfordernde Aspekte reduzieren. Auch die zeitweise Vertretung eines Mitarbeiters (Krankheit, Elternzeit, …) ist denkbar. Passgenaue Möglichkeiten lassen sich flexibel gestalten.

Die weiteren Ausführungen betrachten einen „durchschnittlichen“ Rentner. Genaue Daten für den Einzelnen sind stehts individuell zu ermitteln. Dazu gibt es vielfältige Beratungsangebote der Deutschen Rentenversicherung.

Abschlagsfreie Frührente

45 Versicherungsjahre sind eine lange Zeit. Dennoch erreichen viele in der Kältebranche Tätige diese Anzahl an Versicherungsjahren. Viele haben z.B. bereits als Jugendliche eine Berufsausbildung begonnen und sind seither ununterbrochen berufstätig. Manche Mitarbeiter hatten zwar gewisse Ausfallzeiten, insbesondere für die Kindererziehung, die jedoch teilweise auf die Versicherungszeit angerechnet werden.

Der Jahrgang 1957 kann grundsätzlich mit 65 Jahren und 11 Monaten in Rente gehen, wobei die Altersgrenze bis zum Jahrgang 1964 stufenweise auf 67 Jahre hochgesetzt wird. Die abschlagsfreie Frührente beginnt stehts zwei Jahre vor der Regelaltersrente, nach Erreichen der Altersgrenze mit 65 Jahren, womit sich der potenzielle Bezugskreis erweitert. Die im vorliegenden Text vorgestellte Möglichkeit ist 2023 für Menschen interessant, die 1960 oder eher geboren wurden und 45 Versicherungsjahre nachweisen. Wurde die Anzahl der Versicherungsjahre nur knapp unterschritten, ist ein spätere Bezug möglich. Wer damit zum aktuellen Zeitpunkt berufstätig und mehr als 43 Jahre rentenversichert ist, kann die Frührente später wahrnehmen, wobei der Zeitraum von Rentenbezug und gleichzeitiger Berufstätigkeit kontinuierlich kleiner wird.

Bevor weitere Überlegungen angestellt werden, erfolgt die Prüfung, ob die Anzahl an Versicherungsjahren erreicht wird. Zu den Versicherungsjahren zählen die folgenden Zeiten:

Pflichtbeiträge für eine rentenversicherte Beschäftigung,

Kurzarbeitergeld,

Kranken- oder Verletztengeld,

Kindererziehung bis zum 10. Lebensjahr eines Kindes,

Kinderkrankengeld,

Übergangsgeld,

Pflege anderer (nicht erwerbsmäßig),

Wehr- und Zivildienst,

Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, wenn es sich um Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten handelt, ausgenommen sind die 24 Monate vor Beginn der Frührente),

Ersatzzeiten (z.B. politische Haft in der DDR),

Freiwillige Beiträge, wenn mindestens 18 Jahre Pflichtbeiträge vorhanden sind. Das gilt nicht in den beiden letzten Jahren vor Rentenbeginn, wenn gleichzeitig Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegen.

Nicht zu den Versicherungszeiten zählen:

Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe oder ALG II,

Schulausbildung,

Fachschulbesuch,

Hochschulbesuch,

Zeiten aus einem Rentensplitting oder einem Versorgungsausgleich bei einer Scheidung.

Entscheidend sind dabei die Zeiten, die von der Deutschen Rentenversicherung angerechnet werden. Unabhängig von der Frührente sollte mit näherkommendem ­Ruhestand eine Prüfung und ggf. Klärung der Angaben erfolgen.

Beispielhafte Berechnung

Die abschlagsfreie Rente sollte jeder Betroffenen in Anspruch nehmen. Da bei weiterer Beschäftigung unverändert in die Rentenversicherung eingezahlt wird, ändert sich die spätere Rentenhöhe mit Eintritt des gesetzlichen Ruhestandes nicht. Da die meisten Menschen mit höherem Alter ein höheres Einkommen beziehen, stiegen Einzahlungen und Rentenhöhe meistens überdurchschnittlich. 2023 ist das letzte Jahr, in dem Rentenpunkte in Ost- und ­Westdeutschland unterschiedlich ausfallen. Wer im Westen ein Durchschnittseinkommen von 43.142 EUR bzw. 3.595 EUR monatlich bezieht und darauf Rentenbeiträge abführt, erwirbt einen Rentenpunkt West, welcher ab dem 01. Juli 2023 voraussichtlich 36 EUR beträgt. Die spätere Rente erhöht sich monatliche um diesen Betrag.

Ein kleiner, zusätzlicher Vorteil des früheren Rentenbezuges liegt darin, dass die Rentenversteuerung, die über die nächsten Jahre kontinuierlich ansteigt, umso niedriger ausfällt, je eher Rente bezogen wird. Bei einem Renteneintritt 2023 werden 83 % besteuert 2025 bereits 85 %. Der einmal festgelegte Steuersatz hat über die gesamte Bezugsdauer Bestand.

Frührente mit 35 Versicherungs­jahren

Die Frührente nach 35 Versicherungsjahren ist eine weitere Möglichkeit für Betroffenen. Die Zeiten werden etwas anders berechnet als bei der abschlagsfreien Frührente. Dabei kommen zusätzliche Zeiten beispielsweise für die Ausbildung zum Ansatz, was vor allem bei zusätzlichen Ausbildungszeiten an Meisterschulen und Hochschulen relevant ist. Der Abschlag auf die Rente beträgt 0,3 Prozent je Monat eines früheren Bezuges entsprechend 3,6 Prozent je Jahr. Wer weiterarbeitet zahlt unverändert Rentenbeträge, welche ab dem regulären Eintrittsalter die Rente steigern. Würde 35 Jahre das gleiche Einkommen erzielt bzw. Rentenpunkte erworben, würde dies zu einer späteren Rentenerhöhung von 35/100 = 3,5 Prozent führen, womit praktisch ein Ausgleich der geringeren Rente erzielt wird. Die tatsächliche Entwicklung ist jedoch meist vorteilhafter, da mit zunehmendem Lebensalter das Einkommen sowohl absolut als auch relativ steigt.

Im Regelfall ist der Bezug einer Teilrente sinnvoll. Betroffene können die Höhe frei wählen, welche bis zu 99 Prozent betragen kann. Bei einer Teilrente bleibt der Anspruch auf Kranken- und Kurzarbeitergeld bestehen, welcher ansonsten entfällt.

Steuerliche Betrachtung

Ein höheres Einkommen führt zu einer höheren Steuerbelastung. Damit lässt sich eine Zunahme der Steuerhöhe beim gleichzeitigen Bezug von Rente und Einkommen nicht vermeiden. Da der Arbeitgeber nur die Steuern auf das Einkommen unterjährig an das Finanzamt abführt, führt dies zu absehbaren Nachzahlungen mit der endgültigen Festlegung der Steuerlast durch das Finanzamt, welche den Frührentner durchaus überraschen können. Deshalb sollte entweder die absehbare Summe zurückgelegt oder freiwillige unterjährige Abschläge an das Finanzamt entrichten werden.

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