Systemübergreifende Wärme-, Kälte- und Abwärmenutzung

Multifunktionale Gegenstrom-Schicht-Wärmeaustauschertechnik

Architekten, Bauherren und kommunale Behörden bestehen immer häufiger darauf, keine Lüftungs- und Klimaanlagen, Rückkühler und Wärmerückgewinnungsanlagen auf den Dächern von Büro-, Verwaltungsgebäuden oder Krankenhäusern zu platzieren. Oft spielen dafür ästhetische Gründe eine Rolle, aber auch schallschutztechnische Vorgaben der Behörden oder der Wunsch des Bauherrn nach mehr Nutzfläche.  Eine multifunktionale Lösung kam im Fall eines Technologiezentrums in Vilsbiburg zum Einsatz, die zu einer Einsparung an Technikfläche von über 200 m2 führte.

Im Industriebau ist höchste Flexibilität beim Bauen und bei der Nutzung oberstes Gebot. Oft kommt es noch im Planungsprozess zu gravierenden Änderungen. So wurde bei einem Bauvorhaben des Automobilzulieferers Dräxlmaier, Vilsbiburg, während der fortgeschrittenen Planungsphase entschieden, in den Erweiterungsbau des Dräxl­maier-Technologie-Zentrums (DTZ) ein zusätzliches Rechenzentrum einzubauen und anstatt der geplanten Dachzentrale auf dem 5. Obergeschoss eine Penthouse-Vorstandsetage zu errichten. Dies führte zu einer kompletten Neuausrichtung des bisherigen Klimatisierungskonzeptes, insbesondere wegen des zusätzlichen Kältebedarfs für das Rechenzentrum und den damit verbundenen Kälteaggregaten und Rückkühleinrichtungen. Das mit der Planung der TGA-Anlagen beauftragte Ingenieurbüro brachte daraufhin das Gegenstrom-Schicht-Wärmeaustauschersystem („GSWT“-System) von SEW (www.sew-kempen.de) ins Spiel, zumal die vorgesehene Anordnung der klima- und kältetechnischen Primäranlagen inklusive einer Rückkühleinrichtung für 760 kW Kälteleistung im 2. Untergeschoss mit konventioneller Technik kaum zu realisieren schien. Dieses Kreislaufverbund-Wärmerückgewinnungssystem bietet die Option, die Abwärme aus der Kälteerzeugung in das Verbundsystem einzukoppeln. Dadurch kann die Abwärme für Heizzwecke genutzt beziehungsweise in der heizfreien Zeit effizient über die bestehenden Wärmeübertrager des Kreislauf-Verbundsystems an die Fortluft abgegeben werden. Separate Rückkühleinrichtungen entfallen dadurch.

Mehrwert durch Verbundsystem

Der Planer machte aus der Not eine Tugend und entschied sich für ein Wärme-Kälte-Verbundsystem, bestehend aus einer reversibel arbeitenden Wärmepumpe (Heizen und Kühlen), einer Kältemaschine, einer Freikühlfunktion über die ohnehin vorhandenen Wärmeübertrager des „GSWT“-Systems sowie einer adiabatischen Verdunstungskühlung zur Vorkühlung der Zuluft. Durch die Integration der Abwärme aus dem Rechenzentrum in das Verbundsystem, den hohen Systemaustauschgrad des Wärmerückgewinnungssystems von bis zu 80 % und die Wärmepumpenfunktion bei einer der Kältemaschinen kann der Gebäudewärmebedarf vollständig durch Abwärme gedeckt werden. Die auf dem Gelände zur Verfügung stehende Fernwärme war deshalb nur bis zur Inbetriebnahme des Gebäudes erforderlich.

Doch die rein energetische Bewertung des Wärmerückgewinnungssystems greift beim „GSWT“-System zu kurz. Bezogen auf das neue Gebäude im Dräxlmaier-Technolo­gie-Zentrum ergeben sich über die Energieeinsparungen hinaus folgende Entlastungen bzw. Gewinne:

Nutzung des ursprünglich geplanten Technik-Dachgeschosses als Büroetage

Verzicht auf Kältemaschinen-Rückkühlwerke, ca. 1300 kW (ohne indirekte adiabatische Vorkühlung) im Untergeschoss oder in einem unterirdischen bzw. separaten Bauwerk. Für eine separate Kälteanlage wären Nassrückkühler mit ca. 220 000 m3/h bzw. ein Trockenkühler mit rund 400 000 m3/h Luftleistung erforderlich gewesen

Wegfall von Zu-/Abluftkanälen mit einem geschätzten Kanalquerschnitt von 12 bzw. 22 m2, wenn im 2. UG ein separater Rückkühler eingebaut worden wäre

Wegfall von Stellfläche für Rückkühler im 2. UG durch Doppelnutzung der vorhandenen Wärmeübertrager des „GSWT“-Systems. Nach gängiger Planung wären dafür zusätzlich rund 200 m2 Technikfläche sowie die entsprechende Infrastruktur notwendig gewesen

Doppelnutzung der Wärmeübertrager für die Freikühlung, als Rückkühler für die Kältemaschinen und als Wärmequelle für die Wärmepumpe

Einsparung von Kälteleistung durch die adiabatische Abluftkühlung; der Wärmeübertrager dafür ist durch das „GSWT“-System bereits vorhanden

Reserveleistung durch adiabatische Abluftkühlung bei Ausfall der Kältemaschinen, z.  B. zur Notkühlung des Rechenzentrums

kürzeres Außenluftgerät (ca. 2 Meter) durch die Nutzung bzw. Einspeisung von Wärme oder Kälte in das Kreislaufverbund-Wärmerückge-winnungs­system. Die bei konventionellen Vollklimaanlagen notwendigen Vorerhitzer, Kühler und Nacherhitzer entfallen.

Durch die höhere Kaltwassertemperatur konnte außerdem die Kältemaschine kleiner dimensioniert werden, sodass weniger treibhausrelevantes Kältemittel im Umlauf ist. Dadurch reduzieren sich auch die Wartungskosten für die Kältemaschinen. Da kein Rückkühlwerk vorhanden ist, entfallen auch hierfür Wartungskosten. Nach dem jetzigen Stand lassen sich im Dräxlmaier-Technologie-Zentrum durch das „GSWT“-System und die realisierten Ein- und Auskopplungen von Abwärme und rund 90 % der Wärme zurückgewinnen und etwa 50 bis 60 % der Gesamtkühlarbeit über Freikühlung und adiabatische Kühlung generieren.     

Fazit

In Gebäuden mit ganzjährigem Klimatisierungsbedarf kann durch den Einbau eines Kreislaufverbundsystems in Gegenstrom-Schicht-Wärmeaustauscher-Bauweise auf die getrennte Wärme- und Kälteerzeugung verzichtet werden. Bei dem hier beschriebenen Bauvorhaben übernahm das Kreislaufverbundsystem außerdem die Funktionen Vorwärmer, Nachwärmer, Freikühler und Rückkühler. Zusätzliches Kältepotenzial wird durch die funktionale Einkopplung von adiabatischer Verdunstungskühlung generiert. Auch hierfür werden die bereits vorhandenen Wärmetauscher eingesetzt. Die Mehrfachnutzung von Gegenstrom-Schicht-Wärmeaus­tauschern führt auch zu schlankeren Anlagen und zum vollständigen Verzicht auf konventionelle Rückkühleinrichtungen. Durch die Einbindung der Rückkühlfunktion in das System konnten im vorliegenden Objekt mehr als 200 m2 an Technikfläche eingespart werden. Die Gesamtrentabilität des Gebäudes ist durch den Gewinn einer zusätzlichen Büroetage im 5. Obergeschoss deutlich höher.

Dräxlmaier Technologie Zentrum Vilsbiburg

Bauherr: Lisa Dräxlmaier Immobilienverwaltung
Planung, Realisierung, Betrieb: Delta Gruppe, Geisenhausen
TGA Fachplanung: Ingenieurbüro GFI, München
„GSWT“-Kreislaufverbundsystem: SEW GmbH, Kempen


Leistungen / Funktionen des „GSWT“-Systems:
Das „GSWT“-Kreislaufverbund­system


Zuluftgerät zur Primärluftversorgung für Re­­chenzentrum und Büros (1. bis 4. OG) mit den Funktionen Heizen, Kühlen, Entfeuchten und Nacherwärmen; Nennluftleistung V= 60 000 m3/h


1 Zuluftgerät zu Primärluftversorgung der Büros im 5. OG mit den Funktionen wie vor; Nennluftleistung V= 10 000 m3/h (in Kreislaufverbundsystem eingebunden)


Abluftgerät, längs geteilt, Vges = 2 x 40 000 m3/h mit den Zusatzfunktionen:

Wärme-/Kälterückgewinnung

indirekte adiabatische Verdunstungskühlung zur Kälterückgewinnung über das Kreislaufverbundsystem, dadurch Reduzierung der bereitzustellenden Kältemaschinenleistung

dementsprechend reduzierte, redundante Kältemaschinen-Rückkühlung (ca. 1020 kW statt 1300 kW)


Plattenwärmetauscher zur Niedertemperatur-Nacherwärmung der Zuluft über das Kreislaufverbundsystem, damit optimierter COP der Kältemaschine im Wärmepumpenbetriebsfall.

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