Wärmepumpen im Bestand

Teil 6: Mehrfamilienhäuser, Zusammenfassung und Ausblick

Das Ziel der sechsteiligen Artikel-Serie „Wärmepumpen im Bestand“ ist, Fragen rund um das Thema Wärmepumpen fundiert zu beantworten, Vorurteilen zu begegnen und eine gute Grundlage für die notwendigen Weichenstellungen für einen klimaneutralen Gebäudebestand zu schaffen. Die bisherigen Teile der Serie waren fast ausschließlich den Ein- und Zweifamilienhäusern gewidmet. Wobei einige generelle Überlegungen auch für anderen Gebäudetypen gültig sind. In diesem, dem letzten Teil dieser Artikelreihe geht es um Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern. Abschließend werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und mit einem kurzen Ausblick abgerundet: Wie schaffen wir mehr Wärmepumpen im Bestand?

Die Notwendigkeit der Wärmepumpe in Mehrfamilienhäusern

Wärmepumpen sind sehr breit einsetzbar. Der Gebäudesektor ist das prominenteste Beispiel, aber Wärmepumpen finden auch in der Industrie, in weißer Ware oder in der Elektromobilität Anwendung. Wenn sie für die Bereitstellung von Heizwärme eingesetzt werden, so gilt das bisher schwerpunktmäßig für Ein- und Zweifamilienhäuser. Diese machen 82 % der Wohngebäude in Deutschland aus. Allerdings machen sie weniger als 60 % der Wohnfläche aus. Genau 41 % der Wohnfläche entfällt auf Mehrfamilienhäuser (MFH). Dreiviertel davon sind Gebäude mit drei bis zwölf Wohneinheiten. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, dass Wärmepumpen auch in Mehrfamilienhäusern stärker zum Einsatz kommen – und zwar sowohl im Neubau als auch in Bestandsgebäuden.

Die Herausforderungen

Wärmepumpensysteme können auch in Mehrfamilienhäusern erfolgreich eingesetzt werden. Zahlreiche Beispiele aus europäischen und asiatischen Ländern in unterschiedlichen Klimazonen und mit verschiedenen städtebaulichen Gegebenheiten unterstreichen dies.

Aber die Herausforderungen für den Einsatz von Wärmepumpentechnologien und erneuerbaren Energien in Mehrfamilienhäusern sind komplexer. Die Hürden sind dabei sowohl administrativer als auch technischer Art. Beispielsweise sind die möglichen Eigentumsverhältnisse von Mehrfamilienhäusern sehr vielfältig. Sie können der lokalen Gemeinde, einer Wohnungsbaugesellschaft, verschiedenen Wohnungseigentümern oder einfach einem Investor gehören. Die unterschiedlichen Interessen dieser Eigentümer führen oft zu Entscheidungen, die für den Klimaschutz nicht optimal sind. Hinzu kommen andere Herausforderungen, wie beispielsweise logistische Schwierigkeiten durch die Vielzahl der Wohneinheiten, wenn Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen.

Auch in technologischer Hinsicht, sind Mehrfamilienhäuser für Wärmepumpen eine größere Herausforderung. Im Vergleich zu Ein- und Zweifamilienhäusern, sind aufgrund der Verteilungsverluste bei den MFH die notwendigen Heizkreistemperaturen höher (zumindest bei zentralen Lösungen). Das Gleiche gilt für die Warmwasserbereitung. Aufgrund der erforderlichen höheren Heizleistung müssen die Wärmequellen ausreichend dimensioniert sein, was zum Beispiel mit einem größeren Platzbedarf verbunden sein kann.

Mögliche Lösungen

Es gibt allerdings bereits viele gute technologische Antworten auf die genannten Herausforderungen. Die Auswahl der jeweils „richtigen“ Lösung aus der Vielzahl der Optionen ist nicht immer einfach. Beispielhaft kann man den hohen notwendigen Trinkwassertemperaturen aufgrund des Legionellenschutzes durch Dezentralisierung der Warmwasserbereitung, Frischwasserstationen oder Verwendung von Ultrafiltration entgegenwirken.

Um hier den Überblick zu behalten und die jeweils beste Entscheidung zu treffen, kann eine grundsätzliche Klassifizierung helfen. Das hier dargestellte Schaubild ist ein Ergebnis einer internationalen Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit zum Thema „Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern“ (s. Annex 50 https://heatpumpingtechnologies.org/annex50/). Die starke Vereinfachung führt naturgemäß zu Unvollständigkeit, erlaubt aber eine übersichtliche Gruppierung. Das Resultat sind fünf „Lösungsfamilien“ für Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern.

Die Einsatzmöglichkeiten von Wärmepumpen sind entlang der Linie „ganzes Gebäude“ bis „einzelner Raum“ geordnet. Eine genauere Beschreibung der Lösungen, inklusive weiteren Optionen innerhalb der einzelnen „Lösungsfamilien“, befindet sich derzeit in Vorbereitung und wird in wenigen Monaten als ein interaktives Tool auf der Webseite des Projekt veröffentlicht werden.

Realisierte Beispiele

Im Rahmen des erwähnten FuE-Projektes wurde auch eine Vielzahl von Beispielen realisierter Anlagen aus verschiedenen Ländern zusammengetragen. Eine interaktive Karte auf der Webseite (https://heatpumpingtechnologies.org/annex50/case-studies/) zeigt die gesammelten Beispielanwendungen von Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern. Besonders eindrücklich sind die Wärmepumpenanwendungen in – oft nicht sanierten – Bestandsgebäuden. Die Objekt-Datenbank wird kontinuierlich erweitert und ergänzt. Die Verantwortlichen freuen sich über die Anmeldung neuer Referenzprojekte.

Mehr Mut, auf die richtige Technologie zu setzen

„Die Zeichen sind unübersehbar. Die Kosten des Nichtstuns werden immer höher. Wie müssen schnell handeln, um diese Herausforderung zu meistern“, sagte US-Präsident Joe Biden zum Auftakt seines Online-Klimagipfels im Frühjahr 2021. Dieser Satz wurde in einem breiteren Kontext formuliert, beschreibt aber auch präzise die Lage in Bezug auf die Wärmewende im Gebäudesektor. Um die Klimaziele und die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen, müssen wir ab sofort alle geeigneten und verfügbaren Lösungen in ganzer Breite einsetzen. Wärmepumpen sind hierbei eine zentrale Schlüsseltechnologie.

75 % der Wohngebäude in Deutschland sind älter als 40 Jahre. In vielen europäischen Ländern ist die Situation vergleichbar. Die Zahl verdeutlicht, wie wichtig die richtige energetische Strategie für Bestandsgebäude ist. Wo immer möglich, sollte zuerst der Heizenergiebedarf reduziert werden. Langfristig ist das ohnehin unabdingbar. Allerdings kann nicht immer das Heizgerät erst nach der energetischen Sanierung getauscht werden. Diese Tatsache wird oft als Argument gegen Wärmepumpen genutzt. In unserer Artikel-Serie „Wärmepumpen im Bestandsgebäuden“ wurde faktenbasiert nachgewiesen, dass diese Annahme falsch ist. Es ist möglich (und notwendig) Wärmepumpen ökologisch und ökonomisch erfolgreich in Bestandsgebäuden einzusetzen.

Die Haupterkenntnisse

Zuerst die wichtigste Erkenntnis aus Sicht der Endnutzer: Wärmepumpen sind in der Lage, die notwendige Wärme auch an sehr kalten Tagen zu liefern (Teil 1). Gleichzeitig haben unsere Analysen gezeigt, dass gar nicht die maximalen, sondern die mittleren Heizkreistemperaturen für die Gesamteffizienz ausschlaggebend sind. Das heißt, Wärmepumpen können auch in Bestandsgebäuden die benötigte Wärme mit zufriedenstellender Effizienz bereitstellen. Mit Hilfe relativ kostengünstiger und kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen lässt sich zudem die Effizienz noch weiter verbessern. Dazu gehört der z.B. der Austausch einzelner Heizkörper. Moderne Radiatoren können die gleiche Wärmemenge bei deutlich geringerer Vorlauftemperatur an den Raum übertragen. Solche einfachen Renovierungsmaßnahmen können der erste Schritt eines mittelfristigen Sanierungsfahrplans sein, mit dem sich später weitere Effizienzverbesserungen erzielen lassen.

Die Ergebnisse (Teil 2) aus unseren Felduntersuchungen von Wärmepumpenanlagen (das Fraunhofer ISE hat im Laufe von 20 Jahren rund 300 Wärmepumpenanlagen vermessen) widerlegen die weit verbreitete Einschätzung, dass Wärmepumpen nur mit einer Fußboden- oder Wandheizung einsetzbar sind. Das ist nicht nur physikalisch falsch, sondern wird auch von tausenden, mit Heizkörpern realisierten Wärmepumpensystemen widerlegt. Heizkörper erfordern nicht zwangsläufig „sehr hohe“ Vorlauftemperaturen. In unserer Feldstudie hatte nur eine Handvoll der Luft/Wasser-Wärmepumpenanlagen, die ausschließlich mit Heizkörpern ausgestattet waren, mittlere Heizkreistemperaturen von über 45 °C.

Ein anderes, häufiges Vorurteil gegenüber Wärmepumpen ist, dass oft der Heizstab genutzt werden muss und die Heizkosten dadurch „explodieren“. Felduntersuchungen widerlegen diese Annahme eindeutig (Teil 3). Theorie und Praxis zeigen übereinstimmend, dass die Heizstabanteile im Betrieb von korrekt geplanten und ausgelegten Wärmepumpenanlagen 3 % nicht übersteigen, in den allermeisten Fällen sogar unter 1 % liegen. Ein größerer Anteil deutet in der Regel auf Optimierungsbedarf bei der Wärmepumpenanlage hin. Damit ist klar, dass der Einsatz des Heizstabs weder relevanten Einfluss auf die Effizienz der Wärmepumpe hat noch signifikante Betriebskosten verursacht.

Die ökologische Betrachtung (Teil 4) zeigte, dass der Einsatz von Wärmepumpen zu einer deutlichen CO2-Emissionsminderung gegenüber fossil betriebenen Heizungssystemen, wie z. B. Gaskesseln, führt. Mit steigenden Anteilen an erneuerbarer Stromerzeugung werden sich diese Einsparungen noch verstärken. Die Effizienzergebnisse aus den Feldstudien zeigen, dass erhebliche Treibhausgasminderungen sowohl im Neubau als auch im Altbau problemlos erreichbar sind.

Unabhängig davon, wie ökologisch sinnvoll eine Technologie ist, wird sie sich nur durchsetzen, wenn sie auch ökonomische Vorteile für ihre Nutzer hat (Teil 4). Eine Wärmepumpe mit der gängigen Effizienz von 3,5 ist schon beim heutigen Preisgefüge in Deutschland ökonomisch vorteilhaft gegenüber einer Gasheizung. Es ist aber deutlich, dass die Senkung der Strompreise in Deutschland eine Schlüsselstrategie zur Erhöhung der Attraktivität von Wärmepumpen im Vergleich zu fossilen Heizungssystemen ist. Durch eine systematische Reduzierung der Steuer- und Abgabenbelastung von Strom wird die Wärmepumpe in nahezu allen Fällen zur ökonomisch und ökologisch vorzugswürdigen Technologie.

Unsere Marktbetrachtung zum technologischen Entwicklungsstand von Wärmepumpen (Teil 5) zeigte, dass es aus Kundensicht keinen Grund gibt, auf technologische Weiterentwicklungen zu warten und vorerst noch keine Wärmepumpe zu installieren. Es gibt schon heute viele verschiedene Produkte im Markt, die nahezu alle denkbaren Anforderungen erfüllen können.

Wie schaffen wir mehr Wärmepumpen im Bestand?

„Es geht, worauf warten wir also noch?“ Aus technischer Sicht gibt es kaum Gründe, Wärmepumpen in Bestandsgebäuden nicht heute schon einzusetzen. Sicherlich ist die Herausforderung, eine passende technische Lösung zu finden und diese erfolgreich zu implementieren, in einigen Fällen größer als in anderen. Aber grundsätzlich gilt: Wärmepumpen arbeiten erfolgreich nicht nur bei Neubau, sondern auch im Bestand. Bedauerlicherweise hat sich diese Erkenntnis aber noch nicht ausreichend bei entscheidenden Berufsgruppen – wie Architekten, Energieberatern, Planern und Installateuren – durchgesetzt.

In den letzten Monaten des Erscheinens dieser Serie haben uns viele Endkunden kontaktiert. Der Tenor war meist sehr ähnlich: die Hausbesitzer waren von der Technologie überzeugt, hatten jedoch Schwierigkeiten, Fachkräfte finden, die eine Wärmepumpe installieren konnten (oder wollten). Dies ist sehr bedauerlich und sollte sich dringend ändern. Hierzu muss auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden.

Die technologische Entwicklung sollte in Richtung einer breiteren Produktpalette für Bestandsgebäude gehen. Dabei sind besonders standarisierte Gesamtlösungen wichtig, die sich möglichst schnell und am besten kostengünstig, installieren lassen. Weitere Entwicklungsziele sind noch höhere Effizienzen, leisere Geräte und der Umstieg auf klimafreundliche Kältemittel (wie zum Beispiel Propan), vor allem aber eine weitere Kostenreduktion. Die Investitionskosten von Wärmepumpenanlagen sind derzeit leider oft noch ein Ausschlusskriterium für diese Technologie. Auch sollten Wärmepumpen einfacher zu installieren sein. Die gezielte Nutzung von Werkzeugen und Methoden der Digitalisierung bzw. der künstlichen Intelligenz kann einen großen Beitrag leisten.

Es zeichnet sich ab, dass der Flaschenhals für die stärkere Verbreitung von Wärmepumpen, nicht die Technologie selbst, sondern die Verfügbarkeit von Fachkräften ist. Die Lösung dieses Problems ist sicherlich vielschichtig und erfordert einen langen Atem. Es ist aber sehr wichtig, jetzt schon die richtigen Qualifizierungsmaßnahmen zu ergreifen, sei es in der Ausbildung oder in der beruflichen Weiterbildung.

Die institutionelle Ebene ist dafür verantwortlich, die richtigen Impulse zu setzen. Die neuen, ambitionierten Klimaneutralitätsziele sind ohne klare Beschlüsse und mutige Entscheidungen nicht zu erreichen. Heizöl und Erdgas sind in Deutschland derzeit steuerlich geringer belastet als Strom. Im Ergebnis ist der Preis für den Strom zum Betrieb der Wärmepumpe knapp viermal so hoch wie der Preis von Heizöl und Erdgas. Mit der seit Januar 2021 geltenden CO2-Bepreisung, die zu einer schrittweisen Steigerung der Gas- bzw. Heizölkosten führt, wird sich dies jedoch ändern. Zudem ist aufgrund politischer Willenserklärungen vieler Akteure von einer deutlichen Senkung der EEG-Umlage in nächsten Jahren auszugehen. Damit werden Wärmepumpenanlagen wirtschaftlich immer attraktiver.

Mit unserer Serie „Wärmepumpen im Bestand“ wollten wir die wichtigsten Fragen rund um Einsatz der Wärmepumpen im Gebäudebestand fundiert beantworten, Vorurteile ausräumen und eine sachliche Grundlage für die notwendigen Weichenstellungen für einen klimaneutralen Gebäudebestand schaffen. Wir hoffen, diesen Ansprüchen gerecht geworden zu sein und bedanken wir uns bei der Stiftung Klimaneutralität für die Unterstützung sowie bei allem Leserinnen und Lesern für das große Interesse und die vielen Rückmeldungen.

Allen Beteiligten wünschen wir mehr Mut bei der Umsetzung der Wärmewende mit einer Technologie, die für den breiten Einsatz bereit ist, denn: „Wir müssen schnell handeln, um diese Herausforderung zu meistern“!

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