Digitale Geschäftsmodelle für die Kälte-/Klimatechnik

Beispiel Verdichter: Digitalisierung weitergedacht

Die Digitalisierung bestimmt seit etlichen Jahren die Schlagzeilen der Medien und die Strategiepapiere der Unternehmen. Dennoch bleibt oft die unbeantwortete Frage, wie man mit der Digitalisierung Geld verdienen kann. Dieser Artikel gibt darauf Antworten.

Besonderheiten der Kälte-/Klimatechnik

Jeder kennt die berühmten Beispiele von den amerikanischen Unternehmen Google, Amazon, Uber oder Airbnb, die durch das Internet groß geworden sind, etablierte Branchen herausgefordert haben und an den Börsen gehyped werden. Die Geschäftsmodelle sind dabei oft recht einfach: Eine Person von A nach B zu bringen oder Zimmer zu vermitteln ist aus technischer Sicht nicht besonders komplex. Nun stellt sich die Frage, wie die Digitalisierung auch in anderen Branchen wie beispielsweise Kälte- und Klimatechnik zu wirtschaftlichem Erfolg führen kann. Im Folgenden werden einige Beispiele genannt.

Gemeinsam sind all diesen Ansätzen folgende Voraussetzungen:

Es werden Sensoren benötigt, die kontinuierliche Daten erzeugen.

Es wird eine digitale Schnittstelle zur Maschine benötigt, um Drücke, Temperaturen, Schwingen etc. messen zu können.

Es wird eine digitale Schnittstelle zu einem Geschäftsprozess benötigt, zum Beispiel zum Beschaffungsprozess.

Dieser Artikel beschreibt dabei Optionen, die sich durch die Digitalisierung für die Kälte-/Klimatechnik ergeben. Viele der hier vorgestellten Geschäftsmodelle sind so am Markt noch nicht kommerziell verfügbar, sie wären technisch aber problemlos umsetzbar. Dieser Text soll also auch Anregung sein, das Thema Digitalisierung weiterzudenken. Es darf dabei nicht nur darum gehen, bestehenden Produkten die eine oder andere digitale Funktion hinzuzufügen, wir müssen vielmehr Digitalisierung soweit denken und umsetzen, dass echter Nutzen für die Anwender und die Gesellschaft entsteht. Das betrifft die ganze Wertschöpfungskette: Es beginnt beim Hersteller von Komponenten, geht über Integratoren und Anlagenbauer bis hin zu den Betreibern.

Maschinen und Digitale Optionen

Ein erster Ansatz für den Maschinenbauer kann darin liegen, nicht „nur“ die Maschine selber zu verkaufen, sondern zusätzlich noch digitale Optionen mit anzubieten, die der Kunde – je nach Applikation – dazubuchen kann. Dieser Ansatz kann von der rechtlichen Seite einfacher sein, weil der Kunde das Eigentum an der Maschine selber erwirbt (sie wird Teil des Anlagevermögens in der Bilanz) und gleichzeitig, je nach Kundenwunsch, die Digitalisierung dazu ausgewählt werden kann (Bild 1).

Für eine Kombination aus Verdichterschutz und Digitalisierung sind mindestens eine kontinuierliche Datenerfassung der Motortemperatur und der Heißgastemperatur und Daten über das Ölmanagement (Ölstand, Ölwurfrate) nötig. Die Sensoren für diese kontinuierlichen Messungen und die Datenschnittstellen sind technisch verfügbar, werden aber noch nicht durchgehend eingebaut. Wenn der Verdichter geeignete Sensoren enthält, kommen beispielsweise folgende Optionen in Frage:

Boost-Mode

Bei diesem Ansatz misst der Verdichter mindestens die Wicklungstemperatur und die Heißgastemperatur als kontinuierliche Werte und ermittelt über den Ölspiegelregulator die Ölwurfrate. Aus diesen Werten kann er dann festlegen, ob ein Frequenzumrichter die Drehzahl weiter erhöhen kann oder ob einer der Parameter bereits in einem kritischen Bereich ist. „Kritischer Bereich“ bedeutet hier, dass der Verdichter noch nicht abgeschaltet werden muss, dass er dieser Grenze aber schon ziemlich nahekommt.

Der Nutzen dieser Option liegt ganz klar darin, dass aus einer Anlage in kurzen Spritzenzeiten mehr Leistung geholt werden kann. Die Anlagen können so dimensioniert und ausgelegt werden, dass sie nicht überdimensioniert sind und gleichzeitig auch die benötigte Kälteleistung zur Verfügung stellen. Damit wird eine Verschwendung von Ressourcen, sowohl während der Planung und Installation also auch während des Betriebs vermieden.

Energiesparmodus

Der Energiesparmodus ist das Gegenstück zum „Boost-Mode“: Hier geht es darum, dass der Frequenzumrichter die Drehzahl des Verdichters weiter reduziert und ihn so energiesparender betreibt. Beiden Betriebsarten ist gemeinsam, dass heute der Verdichterhersteller für die zulässige obere und untere Grenzfrequenz den „worst-case“ im Datenblatt beschreibt (Kältemittel, Arbeitspunkt, Umgebungstemperatur…) und in vielen realen Fällen die Maschine eigentlich in einem weiteren Bereich eingesetzt werden könnte. Nur sind die entsprechenden Daten zu Temperaturen und Ölstand nicht im Inverter bzw. Regler vorhanden.Hier liegt der Nutzen der digitalen Option im energiesparenderen Betrieb der Anlage: Ein besseres Anpassen der abgegebenen Leistung an den tatsächlichen Bedarf schont Ressourcen und Umwelt.

Digitaler Wartungshinweis

Eine dritte digitale Option ist es, eine Wartungsempfehlung basierend auf der realen Nutzung des Verdichters zu generieren, basierend auf den oben beschriebenen genaueren Messwerten. Abhängig von z.B. der Laufzeit und der Anzahl der Starts oder den Arbeitspunkten des Verdichters kann der optimale Zeitpunkt ermittelt werden, um bestimmte Wartungen an der Kälte- oder Klimaanlage vorzunehmen, um einen Ausfall möglichst zu vermeiden.

Sichere Ersatzteile

Wenn eine Wartung dann so geplant umgesetzt wird, ist es von großer Bedeutung, auch die richtigen Ersatzteile einzusetzen. Teilweise werden Komponenten von Maschinen von Drittherstellern kopiert und in mangelhafter Qualität auf den Markt gebracht. Wettbewerb als Korrektiv gegen Monopole und überhöhte Preise ist ein wichtiges Kennzeichen jeder Marktwirtschaft. Von gleicher Bedeutung ist aber auch die Sicherheit, zu wissen, was und in welcher Qualität einkauft und einsetzt wird. Hier verzerren sklavische Kopien von Maschinen und Komponenten oft den Markt.

Um hier mehr Sicherheit für alle Marktteilnehmer zu gewährleisten, können neuartige QR-Sicherheitscodes eingesetzt werden: Klassisch werden Produkte mit einer Artikelnummer und häufig mit einer fortlaufenden Seriennummer gekennzeichnet. Da die Seriennummer aber logisch und fortlaufend aufgebaut ist (1, 2, 3, 4,…), lassen sich beide Nummernkreise leicht kopieren. Ein neuartiger QR-Code (DE 10 2020 118 508 B3) verbindet die bestehenden Informationen (Artikel- und Seriennummer) mit einer Zufallszahl. Dadurch wird jeder QR-Code einzigartig und nicht aus anderen QR-Codes berechenbar (Bild 2).

Der Hersteller von Original-Ersatzteilen kann nun diesen geschützten QR-Code auf seine Ersatzteile aufdrucken und gleichzeitig in eine Datenbank speichern (Schritt 1 in Bild 3). Wenn die Maschine wie oben beschrieben nun einen Bedarf für eine Wartung signalisiert (Schritt 2 in Bild 3), kann über die bestehenden Distributionskanäle das entsprechende Ersatzteile beschafft und eingesetzt werden (Schritt 3 in Bild 3). Bei der Wartung kann nun der Sicherheits-QR-Code des Ersatzteils zusammen mit der Kennung der Maschine (Artikel- und Seriennummer) in ein Smartphone eingelesen werden und per Mobilfunk in die Datenbank des Herstellers übertragen werden (Schritt 4 in Bild 3).

Nach einer Validierung des QR-Codes des Ersatzteils weiß der Hersteller nun, dass in einem bestimmten Verdichter aus seiner Produktion zu einem bestimmten Datum ein Ersatzteil aus seiner Herstellung eingesetzt wurde. Das kann dann wiederum die Grundlage dafür sein, dass der Betreiber an einem Bonusprogramm teilnehmen kann. Dabei kann es sich um eine besondere Rabattstaffel, um eine erweiterte Garantie oder der Zugang zu einer besonderen Hotline sein. Die ganze Wertschöpfungskette kann hier von der gewonnenen Transparenz profitieren: Es wird vermieden, dass kopierte und minderwertige Ersatzteile im Glauben an ihre hohe Qualität fälschlich eingesetzt werden und so zu Schäden und Enttäuschung führen.

Adaptiver Maschinenschutz

Ein weiteres Geschäftsmodell besteht darin, den Schutz eines Verdichters oder einer Pumpe abhängig von der jeweiligen Umgebung zu gestalten. Hintergrund ist, dass es manche kritischen Situationen für einen Verdichter gibt, die innerhalb weniger Sekunden zur Zerstörung der Maschine führen und andere, die „nur“ die statistisch verbleibende Lebensdauer deutlich reduzieren, z.B. von 3 Jahren auf 1 oder 2 Jahre.

Bei einer Kälteanlage zum Einfrieren von Obst und Gemüse in der Erntezeit ist es wünschenswert, nur in den ersteren, kritischen Fällen den Verdichter abzuschalten. Wenn der Betriebszustand nicht so problematisch ist, besteht meistens der Wunsch, die Kälteanlage laufen zu lassen und dann den etwas überlasteten Verdichter bei passender Gelegenheit zu tauschen. Eine ähnliche Situation ergibt sich bei Pumpen im Abwasserbereich während eines Starkregenereignisses.

Der Maschinenschutz benötigt dazu einen weiteren Eingang, um mit einer übergeordneten Steuerung zu kommunizieren. Diese kann so dem Schutzrelais signalisieren, ob gerade ein Vollschutz für die Maschine sinnvoll ist oder ob eine temporäre Überlastung und eine verkürzte Restlebensdauer vorteilhaft sind. Entsprechend werden dann die Algorithmen im Schutzrelais angepasst.

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