Propen als Ersatzkältemittel für R507A

Einsatz in industriellen Kälteanlagen

Im Zuge des Phase Down-Szenarios der europäischen F-Gas-Verordnung ist gerade für Betreiber im industriellen Umfeld das Problem der Verfügbarkeit von R507A mit hohem Ausfallrisiko für die davon abhängenden Produktionsprozesse verbunden. Die Anwendung von Alternativkältemitteln unter den gegebenen baulichen Voraussetzungen stellt Betreiber und Anlagenbauer vor große Herausforderungen. In einem konkreten Anwendungsfall fiel die Entscheidung, Propen (R1270) als Alternativkältemittel einzusetzen. Die bei brennbaren Alternativkältemitteln zu betrachtenden betrieblichen Sicherheitsvorkehrungen wurden vom Betreiber so geplant, dass die komplette Kälteanlage als Baugruppe für den Einsatz in Explosionsfähiger Atmosphäre auszurüsten war.

Die Verwendung fluorierter Treibhausgase ist seit 2006 in der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 und in der Richtlinie 2006/40/EG geregelt. Seit dem 1. Januar 2015 gilt die Verordnung (EU) Nr. 517/2014 über fluorierte Treibhausgase. Damit ist die Verordnung (EG) Nr. 842/2006 aufgehoben.

Die aktuelle Fassung der F-Gas-Verordnung ist ein Beitrag, um die Emissionen des Industriesektors bis zum Jahr 2030 um 70 % gegenüber 1990 zu verringern. Die Emissionsreduktion fluorierter Treibhausgase soll durch drei wesentliche Regelungsansätze erreicht werden:

1.) Einführung einer schrittweisen Beschränkung (Phase Down) der am Markt verfügbaren Mengen an teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) bis zum Jahr 2030 auf ein Fünftel der heutigen Verkaufsmengen.

2.) Erlass von Verwendungs- und Inverkehrbringungsverboten, wenn technisch machbare, klima-freundlichere Alternativen vorhanden sind.

3.) Beibehaltung und Ergänzung der Regelungen zu Dichtheitsprüfungen, Zertifizierung, Entsorgung und Kennzeichnung.

Die F-Gas-Verordnung besagt u.a., dass das Nachfüllen von neuem Kältemittel mit GWP>2500 in bestehenden Kälteanlagen ab dem 01.01.2020 nicht mehr erlaubt ist und ab dem Jahr 2029 auch recycelte Kältemittel mit GWP > 2500 nicht mehr verwendet werden dürfen. Ausnahmen bilden stationäre Kälteanlagen mit einer Produkttemperatur unterhalb -50 °C.

Das verwendete Kältemittel der Bestandskälteanlage war R507A mit einem GWP von ca. 3.985 und ist damit unmittelbar von dem Phase Down der F-Gas-Verordnung betroffen, so dass unter folgenden Aspekten wie

langfristige Verfügbarkeit,

hohe Betriebssicherheit und damit Sicherstellung der Produktion,

zu erwartende Einschränkung hinsichtlich Servicemöglichkeiten,

nachhaltige umwelttechnische Gesichtspunkte,

eine Umstellung des Kältemittels notwendig wurde.

Die Anwendung eines Alternativkältemittels mit geringerem Treibhauspotentials und mindestens gleichwertiger bzw. verbesserter Energieeffizienz unter den baulichen Gegebenheiten stellt sowohl Betreiber als auch Kälteanlagenbauer vor große Heraus-forderungen. Für die prozesstechnisch erforderliche Kälteleistung von 70 kW bei Verdampfungstemperatur von to = -45 °C stehen als Ersatzkältemittel für das bisher hier verwendete R507A nicht viele Alternativkältemittel zur Verfügung, welche Sicherheit für eine langfristige Investition bietet.

Aufgabenstellung und Zielsetzung

Vor dem Hintergrund der F-Gas-Verordnung wurde es notwendig, eine Bestandskälteanlage hinsichtlich langfristiger Verfügbarkeit zu prüfen. Die bestehende Kälteanlage wurde mit dem Kältemittel R507A betrieben, welches mit seinem GWP-Wert von ca. 3.985 von der Phase Down der europäischen F-Gase Verordnung betroffen ist.

Die Randbedingungen für die Auswahl eines neuen Kältemittels waren

neben der Beachtung der europäischen Verordnung (EU) Nr. 517/2014

und der gleichwertigen bzw. verbesserten Energieeffizienz,

die gegebenen Prozessbedingungen,

die gleichbleibenden örtlichen Gegebenheiten in Bezug auf Einbringung und Aufstellung

und die kurzen Zeitvorgaben für Montage vor Ort und Inbetriebnahme aufgrund schneller Verfügbarkeit

sowie Investitionssicherheit.

Für die Ermittlung eines geeigneten Alternativkältemittels wurden zunächst die prozesstechnischen Bedingungen bestimmt. Mit einer erforderlichen Kälteleistung von 70 kW bei Verdampfungstemperatur von to = -45 °C stehen als Ersatzkältemittel für das bisher hier verwendete R507A nicht viele Alternativkältemittel zur Verfügung.

Auswahl Kältemittel

In diesem Anwendungsfall fiel die Wahl, unter Berücksichtigung der Prozessbedingungen, den örtlichen Gegebenheiten sowie der Anforderungen der F-Gas-Verordnung, auf das Kältemittel R1270 (Propen, Propylen). Mit einem Treibhauspotential (GWP) von 2 erfüllt das Alternativkältemittel R1270 die Anforderungen der F-Gas-Verordnung und kann somit langfristig eingesetzt werden.

Wesentliche Unterscheidungsmerkmale der beiden Kältemittel gehen aus der Übersicht in der Tabelle hervor. Vorwegzunehmen ist, dass sich die geringe Dampf- und Flüssigkeitsdichte von R1270 positiv auf die Druckverluste im System auswirken.

Das Ergebnis sind der Einsatz von kleineren Kältemittelleitungen bei Verwendung des Kältemittels R1270 und damit Einsparung des benötigten Platzbedarfs.

Nachteilig gegenüber R507A wirkt sich die hohe Entzündbarkeit von R1270 hinsichtlich der Explosions-Bestimmungen aus. Demnach erfolgt die Eingruppierung nach DIN EN 378 der Sicherheitsgruppe A3, hingegen R507A der Sicherheitsklasse A1 angehört.

Die bei brennbaren Alternativkältemitteln zu betrachtenden betrieblichen Sicherheitsvorkehrungen wurden vom Betreiber so geplant, dass die komplette Kälteanlage als Baugruppe für den Betrieb in einer explosionsfähigen Atmosphäre geeignet sein sollte.

Der Hersteller der Kälteanlage muss in diesem Fall für die gesamte Baugruppe die Anforderungen der EU-ATEX-Produktrichtlinie (2014/34/EU) erfüllen und hierfür ein spezielles Konformitätsbewertungsverfahren anwenden. So wurden gleichzeitig betriebliche Sicherheitsaspekte berücksichtigt und eine verbesserte Verfügbarkeit der Kälteanlage erreicht.

Konformitätsbewertungsverfahren nach ATEX-Produktrichtlinie (2014/34/EU)

Die EU Richtlinie 2014/34/EU bezieht sich nicht nur auf den elektrischen Ex-Schutz. Zusätzlich sind die mechanischen Zündquellen zu betrachten und zu bewerten. Die Richtlinie und deren technische Bestimmungen erfordern eine weitere Betrachtung der Bewertung des Ex-Schutzes. Die Bewertung der Zündgefahren kann zu ergänzenden Sicherheitsmaßnahmen an der Kälteanlage zur Verhinderung des Wirksamwerdens von Zündquellen führen.

Die Sicherheitsmaßnahmen sind zu klassifizieren und nachzuweisen (Sicherheitsintegritätslevel – SIL).

Der Hersteller der Kälteanlage hat nach ATEX-Produktrichtlinie (2014/34/EU) einiges bei der Planung, Herstellung und Inverkehrbringen einer Kälteanlage zu beachten. Hier gilt das wie von anderen Richtlinien wie der Maschinenrichtlinie und der Druckgeräterichtlinie her bekannte Verfahren: Risikoanalyse, Konformitätsbewertungsverfahren, CE-Kennzeichnung und EU-Konformitätserklärung.

Das Konformitätsbewertungsverfahren nach ATEX-Produktrichtlinie (2014/34/EU) beinhaltet folgende Punkte:

ATEX-Risikoanalyse,

Interne Fertigungskontrolle gemäß 2014/34/EU,

Hinterlegung der Technischen Dokumentation bei einer Notifizierten Stelle,

ATEX-Kennzeichnung,

CE-Kennzeichnung mit Nummer der Notifizierten Stelle,

EU-Konformitätserklärung für 2014/34/EU (ATEX) mit Hinterlegungsnummer der gesamten Baugruppe.

Öl und Dichtungen

Kohlenwasserstoffe verfügen grundsätzlich über eine hohe Löslichkeit mit Schmierstoffen. Daraus ergeben sich „besondere“ Anforderungen sowohl an den Schmierstoff als auch die Ausführung und Betriebsweise der Kälteanlage.

Beim Einsatz des Kältemittels R507A empfehlen wir die Verwendung des POE-Öls (POE=Polyolester) z.B. „Frick #13b“, hingegen wir für den Einsatz des Alternativkältemittels R1270 die Verwendung des PAO-Öls (PAO=Polyalphaolefin) z.B. „Frick #19“ empfehlen.

Kohlenwasserstoffe weisen eine hohe Verträglichkeit zu Werkstoffen auf. In Abhängigkeit der verwendeten Werkstoffe kommen als Dichtungsmaterialien u.a. PTFE (Polytetrafluorethylen), HNBR (hydrierter Acrylnitrilbutadien-Kautschuk), FPM (Fluor-Kautschuk) oder eingeschränkt auch CR (Chloropren-Kautschuk) zur Anwendung.

Konstruktion und Ausführung der
Kälteanlage

Betreiber-Vorgaben

Die wichtigsten Betreiber-Vorgaben hinsichtlich der Konstruktion der Kälteanlage waren die örtlich gleichbleibenden Gegebenheiten in Bezug auf Einbringung und Aufstellung sowie eine kurze Zeitspanne für Einbringung, vor Ort Montage und Inbetriebnahme.

Weitere Vorgaben des Betreibers waren:

Zugänglichkeit für Betreiber und zu Servicearbeiten (z.B. Ölwechsel),

Wartungsfreundlichkeit,

Kälteanlage als Baugruppe für den Einsatz in explosionsfähiger Atmosphäre.

Neben den Betreiber-Vorgaben bestehen grundsätzlich auch immer die gesetzlichen Vorgaben z.B. hinsichtlich Vorhandensein von ausreichend bemessenen Fluchtwegen.

Lösung von Johnson Controls

Die Lösung von Johnson Controls war, die Kälteanlage, bestehend aus einem separatem Schraubenverdichter- und Apparatesatz, auf einem gemeinsamen Rahmen zu montieren, so dass die Kältemittelleitungen extrem kurz ausgeführt werden konnten.

Des Weiteren wurde die R1270-Kälteanlage mit Platten- und Shell&Plate-Wärmeübertrager ausgestattet. Der Verflüssiger ist als Plattenwärmeübertrager und der Verdampfer als Shell&Plate-Wärmeübertrager ausgeführt. Durch den Einsatz von Platten- und Shell&Plate-Wärmeübertragern kann ein geringeres ∆T erreicht und damit die Energieeffizienz verbessert werden. Zudem bedeutet der Einsatz von Platten- und Shell&Plate-Wärmeübertragern eine Minimierung der Kältemittelfüllmenge aber auch einen geringeren Platzbedarf.

Das Herzstück jeder Kälteanlage ist der Verdichter. Der Verdichter der R507A-Kälteanlage war ein Kolbenverdichter. Für die Neuanlage wurde als Verdichter ein Schraubenverdichter gewählt, u.a. um den Wartungsaufwand geringer zu halten.

Der Verdichter der neugeplanten R1270-Kälteanlage ist mit einem frequenzgeregelten Antriebsmotor auf der Verdichterseite ausgerüstet. Der Einsatz eines Frequenzumrichters bedeutet vor allem im Teillastbereich eine Reduzierung der Antriebsleistung. Die geplante Kälteanlage wird i.d.R. in einem Bereich von 60-80 % Teillast betrieben.

Die Expansionsorgane der R1270-Kälteanlage wurden als Hochdruckschwimmer ausgeführt.

Um weiterhin das beschränkte Platzangebot zu berücksichtigen, wurde bei der Konstruktion der Kälteanlage zudem auf folgendes geachtet:

a) einen 100%-igen Vorfertigungsgrad für die werksseitig hergestellte Kälteanlage zu realisieren,

b) die Transportmaße von Lkw

c) und die Einbringmaße einzuhalten.

Das Ergebnis war, dass die Kälteanlage im zusammengebauten Zustand zum Kunden transportiert wurde, so dass die Kälteanlage in kürzester Zeit beim Kunden eingebracht, installiert und in Betrieb genommen werden konnte.

Schlussfolgerung

Der Beitrag, der im Rahmen der DKV-Tagung in Aachen 2018 als Vortrag gehalten wurde, zeigt beispielhaft EINE Lösung des Verfügbarkeitsproblems für R507A durch Verwendung des Alternativkältemittels Propen für Kälteanlagen im industriellen Umfeld auf.

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