Zur Tanke zum Shoppen

Ein Wachstumsmarkt für den Kälteanlagenbau

Tankstellenbetreiber erwirtschaften laut Branchenstudie „Tankstellenmarkt Deutschland 2018 “ nur noch ein Zehntel ihres Umsatzes mit dem Treibstoffgeschäft. Hingegen verzeichnen sowohl konzernunabhängige, als auch die abhängigen Tankstellen Rekordumsätze im Shop-Geschäft. Dafür wird sogar der Sommer zum Umsatztreiber. Beides braucht Kälte- und Klimatechnik.

Zur Tanke zum tanken. Was vor Jahren meist noch für das Nachfüllen von Benzin, Diesel oder Super galt, hat sich grundlegend geändert. Heute muss es lauten: Zur Tanke zum Shoppen. Kamen einst an der Kasse zum Treibstoff vielleicht noch eine Schachtel Zigaretten, die Tageszeitung oder ein Schokoriegel hinzu, so ist es inzwischen ein gefüllter Warenkorb. Denn seit Betreiber ihre Tankstellen zu Mini-Supermärkten erweitern, oder Tankstellenkonzerne mit großen Lebensmittelketten kooperieren, landen immer häufiger auch Frischeprodukte, verzehrfertige Salate, Tiefkühlwaren oder Kaltgetränke in den Einkaufstaschen der Tankstellenkunden. Zur Präsentation dieses Angebots braucht es Kühlregale, Tiefkühlinseln oder Gefriertruhen. Für die Warenlagerung sind Normal- oder Tiefkühlzellen unerlässlich. Und wie heute jeder große Supermarkt werden selbstverständlich auch Tankstellenshops klimatisiert.

Die vielfältigeren Zusatzangebote bekommen an Tankstellen eine immer größere Bedeutung. Dafür ändert sich seit Jahren die Anmutung von Tankstellenshops. Der Einkauf wird heute zum Erlebnis. Transparente Kühlregale, durchdachte Beleuchtungskonzepte, viel Glas nach außen und ein klimatisierter Verkaufsraum sind entscheidende Erfolgsfaktoren, wer wie lange bleibt und kauft. So machen sich Investitionen in Technik und Warenpräsentation bezahlt. Das Shop-Geschäft gehört also inzwischen zu den wichtigsten Umsatzquellen einer Tankstelle. Bei der Strategie gehen bunte und weiße Tankstellen (siehe Kasten „Tankstellen in Deutschland“) auf unterschiedliche Weise vor. „Rewe-To-Go“ ist beispielsweise die Strategie von Aral. Der Konzernriese hat im letzten Jahr 200 seiner Stationen umgerüstet und mittlerweile annähernd 500 Tankstellen auf das neue Format umgestellt. Ziel ist es, das Shop-Konzept in 1.000 Stationen zu implementieren. Aus Sicht der Kältetechnik kommen dafür im Normalfall 7,5 bis 8,75 laufende Meter Kühlregal in den Shop. Oftmals werden außerdem für die Warenlagerung eine neue Tiefkühl- und Normalkühlzelle benötigt. Die Einkaufsgesellschaft freier Tankstellen mbh (eft) hat hingegen ihren Vertrag mit der Lekkerland Deutschland GmbH & Co. KG bis Ende 2022 verlängert. Er sieht vor, dass Lekkerland die 500 Mitglieder und ihre 2.510 bft-Tankstellen mit Getränken, Süßwaren, Tabakwaren inklusive E-Zigaretten, Tiefkühlbackwaren, electronic-value-Produkten (Prepaid-Produkte für Aufladeguthaben, SIM-Karten oder Gutscheinkarten) und Non-Food-Artikel beliefert. Gleiches trifft für das Energieunternehmen Shell zu. Im Juli 2020 vereinbart, werden dessen knapp 2.000 Tankstellen ab Januar 2021 ebenfalls für weitere fünf Jahre mit dem Lekkerland-Sortiment versorgt.

Kuriosum „Kältemittel“

Ein echtes Kuriosum stellen die an Tankstellen eingesetzten Kältemittel für Kühlung und Klimatisierung dar. Gemeint sind zuvorderst Kohlenwasserstoffe wie Propan (R290) und die natürliche Hochdruckalternative CO2 (R744), aber ebenso brennbare HFOs. Denn während Planer oder Betreiber in der Gewerbe- und Klima-Kälte noch immer großen Respekt vor der Brennbarkeit der A3-Kältemittel haben, zucken Tankstellenbesitzer bei deren Verwendung nur mit den Schultern. Der Grund dafür ist simpel. Aufgrund der gelagerten hochexplosiven Treibstoffe müssen Tankstellen hohe Standards erfüllen und stets erneuern. Darum gehört die Sicherung aller Gefahrenquellen schon immer zum Geschäft – so auch bei den natürlichen Kältemitteln.

Gleiches betrifft die servicierenden Unternehmen, wie die Cool + Call GmbH, Fellbach. Als Dienstleister für mobile und stationäre Kälte- und Klimatechnik muss der Auftragnehmer für Tankstellen beispielsweise über eine SCC-Zertifizierung (SCC = Safety Certificate Contractors) verfügen. Davon gibt es verschiedene Formen: nur für einzelne Mitarbeiter, oder aber die komplette Zertifizierung eines vor Ort tätigen Dienstleisters. Mitarbeiter werden durch eine Schulung mit den besonderen Gefahren im Arbeitsumfeld von Tankstellen vertraut gemacht. Darüber hinaus sind BBS-Sicherheitsschulungen (BBS = Behavior Based Safety) verpflichtend, die für Führungskräfte eines Serviceunternehmens vorgesehen sind. Mindestens zwei Personen pro Firma sind einmal pro Jahr zu schulen. Die abgehandelten Themen umfassen die Arbeitsschutzgesetzgebung, europäische Richtlinien, Unfallursachen und Folgerungen für die Arbeitsschutzpolitik, Methoden zur Förderung des Arbeitsschutzes, Arbeitserlaubnis und Gefährdungsanalyse, häufige Gefährdungen, Notfallplanung und erste Hilfe, Brand- und Explosionsschutz, oder der Umgang mit Gefahrstoffen und Abfällen (Auslöseschwelle, Kennzeichnung und Präventionsmaßnahmen). Beim Einsatz von größeren Hebegeräten muss zudem ein PTW-Protokoll (PTW = Permit-to-work) ausgefüllt werden. Das zusätzliches Arbeitsfreigabe-Protokoll (WCF) wird an der Kasse hinterlegt, so dass bei einem Schichtwechsel dem neuen Mitarbeiter bekannt ist, dass ein Techniker vor Ort war. Auch eine Vor-Ort-Gefährdungsbeurteilung (JHA-Protokolle) wird verlangt. Alles in allem also ein Sicherheitsnetz mit doppelt und dreifachem Boden. Beachtet man dazu alle Kältemitteleigenschaften, hält sich an geltende Vorschriften des Kälteanlagenbaus und an Wartungsintervalle (Druckgeräterichtline 2014/68/EU, ATEX-Maschinenrichtlinie, Betriebssicherheitsverordnung, technische Regeln für Betriebssicherheit, DIN EN 378 oder das Produktsicherheitsgesetz), können Propan und CO2 unbedenklich an Tankstellen eingesetzt und serviciert werden.

Waterloop im Einsatz

Tankstellenshops werden im Normalfall dezentral gekühlt. Im Bestand gibt es sehr selten noch das eine oder andere „Relikt“ mit einer R12-Verbundkälteanlage, teilweise auch R22. Standard war lange das inzwischen abgekündigte Kältemittel R404A. Hingegen laufen die meisten steckerfertigen Möbel (Tiefkühlschränke, Anbruchkühlschränke, Eistruhen oder Bistrovitrinen) bereits seit langem mit Propan, einige auch mit CO2. Bei größeren Splitsystemen fangen die Betreibergesellschaften inzwischen bei Um- oder Neubauten ebenfalls an, mit dem Kältemittel Propan zu arbeiten. Im Bestand kommt es immer darauf an, dass steckerfertige Aggregate (Huckepack oder Deckeneinbau) auf Grund der räumlichen Gegebenheiten und den Anforderungen der EN 378 auch einsetzbar sind. Weiterhin gilt für diese Geräte mit Propan:

Sicherheitsgruppe A3 gering toxisch, brennbar

Tankstelleneinsatz in steckerfertigen Möbeln, Stopfer- und Huckepackaggregaten bis ca. 4 kW möglich

Füllmenge unter 150 g im hermetischen System / mehrere Kreise möglich (niedrigste Entflammbarkeitskonzentration bei 38 g/m³ (über 4 m³)

Bei Innenaufstellung: optisches oder akustisches Warnsystem, ggf. Notbelüftung

Keine unmittelbaren Zündquellen

Wärmeabfuhr über Verflüssiger im Möbel oder mit Waterloop nach außen möglich

Egal ob Sanierung oder im Neubau, heute kommen vorwiegend Sekundärsysteme mit einem Kälteträger in der sogenannten „Waterloop“ zum Einsatz. Bei steckerfertigen Systemen fließt die Kühlsole durch die Waterloop in und aus dem Verkaufsraum, gibt die Wärme über einen Rückkühler an die Umgebung ab, oder gewinnt sie zurück, vielleicht für eine Fußbodenheizung. Anschließbar sind Kühlmöbel, Kühlräume, Kühlzellen und ebenfalls ein reversibles Klimasystem zum Heizen und Kühlen. Oder die zentrale Kältemaschine befindet sich in einem separaten Maschinenraum. Dann strömt die Kühlsole von dort zu den Kühlmöbeln, holt die Wärme ab und transportiert sie aus dem Markt. In beiden Fällen gelten für das Kältemittel Propan wegen der Brennbarkeit die bekannten Sicherheitsvorschriften. Als Vorteile dieser Variante gelten aus Sicht des Tankstellenbetreibers folgende Punkte:

Die Kältemittelfüllmenge einer Kälteanlage für den Shop kann deutlich reduziert werden.

Kältemittelverluste werden vermieden, weil die Kälteanlage entkoppelt wird und dicht ist.

Die natürlichen Kältemittel Propan und CO2 sind einsetzbar.

Konzeptionelle Shop Umbauten sind einfach und schnell möglich.

Das Shop-Geschäft

Wie die beiden Grafiken der Branchenstudie „Tankstellenmarkt Deutschland 2018“ zeigen, ist der Shop-Umsatz stetig angestiegen. Die mit großem Abstand wichtigste Produktkategorie von Tankstellen-Shops ist der Tabak, der über alle Größenklassen hinweg 62 % am Shop-Umsatz ausmacht. Darauf folgen die Produktgruppen Getränke und Telefonkarten. Bereits hier werden Kühlregale nötig. Lebensmittel, Frische- und
Tiefkühlprodukte fallen in die Kategorie „sonstige Waren“. Sie werden in Normal- oder Tiefkühlmöbeln verschiedener Form präsentiert.
Zur Warenlagerung sind außerdem Kühlzellen im Einsatz, die der Tankstellenkunde allerdings nicht zu Gesicht bekommt.
(Diagramme: SCOPE Investor Services)

Darum natürliche Kältemittel

Die EU F-Gase-Verordnung (EG) Nr. 517/2014 verschärft seit 1. Januar 2015 die Verringerung der CO2-Emissionen durch fluorierte Treibhausgase. Deren Emissionen, betrachtet in sogenannten CO2-Äquivalenten, müssen bezogen auf den Basisdurchschnitt 2009-2012 bis zum Jahr 2030 um 79 % gesenkt werden. Seither läuft der Wettlauf zur stufenweisen Senkung von 70 Mio. t CO2-Äquivalenten in Europa. Die Verordnung spricht bei diesem Prozess vom „Phase-Down“ der F-Gase, zu denen auch synthetische Kältemittel gehören. Auf welchen Wegen die Mengenreduzierungen erreicht werden, bleibt dem Markt weitestgehend selbst überlassen. Natürliche Kältemittel sind von der Verordnung ausgeschlossen, weil sie kein Treibhauspotential (GWP) haben. Bis Ende 2022 soll eine Revision der Verordnung erfolgen. Die nächsten Meilensteine:

– Seit 1. Januar 2020: Verbot des Inverkehrbringens für gewerbliche Kühl- und Gefriergeräte (hermetisch geschlossene Einrichtungen) mit GWP ≥ 2500

– Ab 1. Januar 2022: Verbot des Inverkehrbringens für gewerbliche Kühl- und Gefriergeräte (hermetisch geschlossene Einrichtungen) mit GWP ≥ 150

– Ab 1. Januar 2025: Verbot des Inverkehrbringens von Mono-Splitgeräten mit weniger als 3 kg Füllmenge F-Gasen mit GWP ≥ 750

Tankstellen in Deutschland

Die Gesamtanzahl der Tankstellen (also Straßen- und Autobahntankstellen zusammen) betrug auf Basis einer letzten Erhebung zum Jahresbeginn 2019 knapp 14.500 Stationen. Darunter dominieren Aral, Shell und Total den Markt. Die Konzernriesen kommen gemeinsam auf einen Marktanteil bei den Straßentankstellen von 38 % und beim Kraftstoff-Absatzmarktanteil sogar auf 50,5 %. Sie werden zusammen mit Total oder ExxonMobil (Esso) im Branchen-Jargon als A-Gesellschaften, Farbengesellschaften, als die großen Fünf, oder auch als „bunte“ Tankstellen bezeichnet. Hinzu kommen die „Weißen“, also Freie Tankstellen, die ihre Kraft- und Schmierstoffe unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung verkaufen. Sie sind in kein Vertriebssystem einer Markenfirma eingegliedert.

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