Outletcity in Metzingen dekarbonisiert sich in Rekordzeit

Zweistufiges System aus hocheffizienten Großwärmepumpen für Heizung und Klimaversorgung

Die Outletcity Metzingen gilt – gemessen an der Verkaufsfläche – als größtes Outlet in ganz Europa. Nach den Verwerfungen durch die Corona-Pandemie und aufgrund der seit dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieges steigenden Energiepreise wollte der Betreiber schnell unabhängiger und flexibler werden. Ziel war es, sich aus der Abhängigkeit von Gas zu befreien und sich auf ein drohendes Gaslieferstopp-Szenario durch die Umsetzung des „Notfallplans Gas“ in Deutschland vorzubereiten. Wir sprachen mit Alexander Möller von Daikin Applied Germany und Thorsten Wehr von Gugel Kältetechnik, die in enger Partnerschaft mit weiteren Firmen an der Planung und Umsetzung zur Dekarbonisierung etwa eines Drittels des gesamten Outlets Metzingen beteiligt waren.

Pro Jahr besuchen ca. 4,2 Millionen Besucher aus 185 Nationen die Markenwelten der Outletcity in Metzingen und gehen auf einer Fläche von etwa 40.000 m2 auf Einkaufstour durch die Modewelt. Im Jahr 2019 wurde die Gesamtfläche durch zusätzliche Areale um etwa ein Drittel erweitert. Damit ist die Outletcity Metzingen laut der Marktuntersuchung vom Dezember 2022 „Outlet Centers in Europe“, durchgeführt von der ecostra GmbH, das nach Verkaufsfläche größte Outlet in ganz Europa.

Corona überstanden, dann kam der Russland-Ukrainekrieg

Im Frühjahr 2020, bedingt durch Corona, sorgte der Lockdown auch in Metzingen für fallende Besucherzahlen. Die Geschäfte blieben geschlossen. Nachdem diese Krise halbwegs überstanden war, sorgten zusätzlich die seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im März 2022 extrem steigenden Energiekosten für hohen (Kosten-)Druck. Die sichere und bezahlbare Energieversorgung entwickelte sich zur zentralen Frage. Thorsten Wehr erinnert sich an die Sorgen der vom Betreiber eingesetzten Taskforce im März 2022 „Im Falle einer Gasmangellage in Deutschland und nach den im Notfallplan Gas der Bundesregierung von September 2019 festgelegten Konsequenzen wären die Stores mit als Erste von einem Gaslieferstopp betroffen gewesen“, so Wehr, „für die Outletcity hätte dies konkret bedeutet: Ein Betrieb der bestehenden Gasbrenner zum Heizen der über 100 Geschäfte wäre nicht machbar und damit ein regulärer Verkaufsbetrieb faktisch unmöglich. Es war Eile geboten.“

Schnelle Dekarbonisierung und Fle­xibilisierung der Wärmever­sorgung

Eine Lösung war schnell formuliert: Die Energieversorgung muss unabhängig von Gas werden, sollte effizienter, kostengünstiger und nachhaltiger werden. Auch der konkrete Plan war schnell definiert: die Umstellung der Wärme- und Kälteversorgung auf effiziente Großwärmepumpen. „Besonders wichtig war dabei“, ergänzt Alexander Möller, bei Daikin Applied für den Verkauf zuständig, „dass diese Umstellung sehr schnell passieren musste, um das bestehende Geschäftsmodell nicht zu gefährden.“ Allerdings ist ein Projekt dieser Größenordnung bei über 100 Geschäften, einer Vielzahl an Gebäuden und einer Gesamtfläche von über 40.000 m2 mit rund 2.000 Beschäftigten sowohl planerisch als auch in der Umsetzung ein zeitkritisches Unterfangen. Thorsten Wehr: „Sämtliche vom Betreiber angefragten Planungsbüros winkten ab. Es seien keine Kapazitäten vorhanden“. Der Beginn des Baus hätte sich so um mindestens ein Jahr nach hinten verschoben. Das war für den Betreiber undenkbar. Als Lösung holte man jeden bisherigen Wärme- und Kälte-Lieferanten an den Tisch und teilte den Gesamtauftrag in mehrere vom Umfang kleinere, leistbare Teile auf, um so das gesteckte Ziel – bis Ende 2022 die Outletcity zu dekarbonisieren – gemeinsam anzugehen.

Zweistufiges System mit 18 Kältemaschinen

Gugel Kältetechnik bekam mit seinem Partner Daikin Applied Germany den Zuschlag, etwa ein Drittel der Gebäude der Outletcity umzurüsten. Insgesamt waren in diesem Abschnitt sieben Gebäude verschiedener Größen mit jeweils individuellen Ausgangssituationen, unterschiedlichen verfügbaren Flächen für die neue Technik in und auf den Gebäuden zu planen und gemeinsam mit weiteren Firmen beispielsweise für den Rohrleitungsbau, zu realisieren. Das System soll die Wärmeversorgung im Winter sowie die Klimatisierung im Sommer übernehmen und die in dem überwiegenden Teil der Gebäude vorhandene, aber veraltete Klimatisierungstechnik sollte komplett ersetzt werden. Man setzte bei der Lösung auf ein zweistufiges System aus Wärmepumpen mit einer ersten Vorwärmstufe außen und einer zweiten Stufe im Innenbereich, da mit relativ hohen Vorlauftemperaturen von 65 °C bis zu 70 °C gearbeitet werden sollte. Die relativ hohen Vorlauftemperaturen sind für den Betrieb von Türluftschleieranlagen bedeutsam, um die im Handel praktizierte „Open Door Policy“* umzusetzen. Offene Türen sind im Winter 2022/2023 aufgrund der Energiesparverordnung der Bundesregierung nicht erlaubt. Aktuell bleiben die Türen geschlossen und über die Gebäudeleittechnik werden die Temperaturen reduziert.

Schnelligkeit bei Planung und ­Umsetzung

Die größte Herausforderung bei dem Umbau der Wärme- und Kälteversorgung war, dass Planung, Bestellung, Auslegung und Bauphase sehr schnell gehen mussten. Die Lieferzeit von Daikin Wärmepumpen beträgt in der Regel zwischen 15 und 16 Wochen. Dazu Alexander Möller: „Die allgegenwärtige Lieferkettenproblematik hätte der ambitionierten Planung schnell einen Strich durch die Rechnung machen können, denn es mussten insgesamt 18 Maschinen hergestellt werden. Die ersten Bestellungen gingen Anfang August 2022 ein und glücklicherweise waren wir in vollem Umfang lieferfähig“, freut sich Alexander Möller, „so konnten wir den ambitionierten Zeitplan halten“. Neben den zeitkritischen Lieferzeiten tauchten weitere Hindernisse auf, die schnell gelöst werden mussten. Im gesamten Projekt wurden an vielen Stellen notwendige Planungs- und Projektfortschritte, die üblicherweise hintereinander ausgeführt werden, zeitgleich ausgeführt und haben dadurch zu einer besonderen Geschwindigkeit in der Umsetzung geführt. Dazu Thorsten Wehr: „Ohne diese Parallelität hätte das Projekt nur sehr viel langsamer realisiert werden können.“

Architektur, räumliche Gegeben­heiten, Statik und Strom

Die vorhandenen Räumlichkeiten mit den Gasbrennern waren naturgemäß bereits für die Nutzung mit entflammbaren Materialien ausgelegt, sodass der Verwendung von Wasser-/Wasser-Wärmepumpen mit dem umweltverträglichen und hocheffizienten Kältemittel R1234ze, für die zweite Stufe möglich war. Im Außenbereich als erste Stufe wurden Luft-/Wasser-Wärmepumpen mit R32 und unterschiedlichen Leistungsstufen eingeplant. Die Wärmepumpen-Lösung gewährleistet das Heizen und Kühlen in einem System. Dies ist für alle Beteiligten natürlich ein besonderer Vorteil. Bisher geschah dies durch zwei voneinander getrennte Systeme.

Um die besondere Architektur der Gebäude nicht zu stören, entschied man sich bei der Installation für eine verdeckte Montage auf dem Dach, die zusätzliche Befestigungen und Statik-Prüfungen nötig machte. Mangels eines geeigneten Kellerraumes musste bei einem Gebäude das Innengerät der zweiten Stufe neben den Außengeräten ebenfalls auf dem Dach in einem eigens dafür errichteten frostsicheren Innenraum montiert werden.

In Zusammenarbeit mit weiteren Lieferanten wurden individuell gefertigte Befestigungen und Ölabscheider errichtet, die die geplante Montage auf dem Dach ermöglichten. Zudem musste die verfügbare Stromversorgung geklärt werden. Die Outletcity AG ist für das gesamte Outlet selbst Stromlieferant und es musste im Vorfeld sichergestellt werden, dass – beim gleichzeitigen Anlaufen und Betrieb aller Maschinen ausreichend Strom zur Verfügung gestellt werden kann. Dies machte eine Steuerung notwendig, die Stromspitzen abfedern kann durch zeitlich versetzte Anlaufzeiten der Maschinen.

Die Wärmepumpen

Insgesamt sind heute in sieben Gebäuden 18 Daikin Kältemaschinen unterschiedlichen Typs im Einsatz. In der ersten Stufe acht Luft-/Wasser-Wärmepumpen der Baureihen EWYT175B und zwei der Baureihe EWYT215B mit Leistungen von 175 bis 215 kW. In der zweiten Stufe drei Maschinen des Typs EWWH110J sowie vier Maschinen des Typs EWWH090J mit 110 und 90 kW Leistung. Die Gesamtleistungsaufnahme der Anlage beträgt 900 kW.

Fazit

In Metzingen hat man durch den Einbau von großen, besonders effizienten Wärmepumpenlösungen einen schnellen und großen Schritt hin zu einer Dekarbonisierung geschafft. Besonderheit: Die bisherige Brennstoffversorgung über Gas wurde nicht abgebaut, sondern durch das neue Wärmepumpensystem ergänzt und ermöglicht dem Betreiber heute zusätzliche Flexibilität. Je nach Preisentwicklung am Gas- oder Strommarkt steht ein passendes, kostengünstiges System zur Verfügung. Auf mögliche Ausfälle kann unmittelbar reagiert werden. Normalisiert sich der Gaspreis, dann ist die Outletcity in der Lage, flexibel auf Entwicklungen hinsichtlich Gaslieferbarkeit und Strompreis zu reagieren und hat jeweils ein maßgeschneidertes kosteneffizientes Heizungs- (und Kühlungs-)System parat. Übrigens ist seit Januar die erste Anlage des Projektes in Betrieb, alle weiteren Anlagen gingen im März ans Netz. Das heißt konkret: von Beginn der dringenden Notwendigkeit bis zur Umsetzung des gesamten Projektes verging gerade mal knapp ein Jahr. Da sage nochmals einer, dass in unserem Land alles so lange dauert. Das Beispiel Metzingen belehrt uns eines Besseren.

Technische Daten

Erste Stufe

8 x EWYT175B

2 x EWYT215B

• reversible Luft/Wasser-Wärmepumpe

• Scroll Verdichter

• Hohe Effizienz

• Effizienzklasse „Standard“

• Niedriger Schallpegel

• R-32 Kältemittel

Zweite Stufe

3 x EWWH110J

5 x EWWH110J

• wassergekühlter Chiller

• Single Screw Verdichter

• Effizienzklasse „Standard“

• Standardschallpegel

• R-1234ze Kältemittel

x

Thematisch passende Artikel:

F-Gase-Verordnung und PFAS-Verbot – gravierende Folgen für Betreiber

Die Novellierung der F-Gase-Verordnung und das PFAS-Beschränkungsverfahren im Rahmen der REACH-Verordnung haben beide das Potenzial, dass der Einsatz von fluorierten Kältemitteln (F-Gasen) in...

mehr
Ausgabe 02/2021

Lehre in Corona-Zeiten

Bundesfachschule Maintal mit flexiblen Konzepten

Im Februar 2020 testete die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik (BFS) für ihre Standorte Maintal, Harztor und Leonberg das Videokonferenzsystem Zoom. Die Idee war seinerzeit, Konferenzen des...

mehr

Studie: Auswirkungen von Corona auf HVAC/R-Industrie

Eurovent Market Intelligence hat eine prospektive Studie zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Heizungs-, Lüftungs-, und Klimatechnik-Industrie durchgeführt. Diese bietet eine Vorhersage für...

mehr

Klimaanlagen und Covid-19: Infos für Betreiber

Derzeit erreichen den Bundesinnungsverband des Deutschen Kälteanlagenbauerhandwerks (BIV, www.biv-kaelte.de) häufig Fragen von Betreibern, wie vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie mit...

mehr

Seminar: 2014 – Das Jahr der neuen Regelwerke für Kälteanlagenbauer und Betreiber

Im Jahre 2014 sind eine Vielzahl von Richtlinien und technische Regeln sowie Standards überarbeitet erschienen bzw. liegen in der Entwurfsfassung vor, welche sowohl Kälteanlagenbauer und Betreiber...

mehr