Intelligente Abtausysteme – Nutzen und Aufwand
Wann und wie muss abgetaut werden und welche Einsparpotentiale ergeben sich?
Bei der Temperaturabsenkung der Luft über den Verdampfer kommt es beim lokalen Unterschreiten des Taupunktes zur Kondensatbildung; bei Temperaturen < 0 °C demnach zur Bildung von Eis auf den Lamellen. Fortschreitende Eisbildung führt zur Erhöhung des luftseitigen Druckverlustes. Die Folgen sind zum einen steigende Stromaufnahmen der Ventilatoren sowie fallende Kälteleistung aufgrund sinkender Luftvolumenströme. Die logische Schlussfolgerung daraus: regelmäßige Abtauungen sind unabdingbar. Aber wann bzw. wie oft muss abgetaut werden?
Im Verlauf zunehmender Vereisung und fallender Kälteleistung ergeben sich negative Folgen:
Lufttemperatur-Absenkung kann nicht mehr gemäß Nennpunkt im Datenblatt eingehalten werden,
instabile Überhitzungstemperatur bei Trockenexpansion aufgrund ungleichmäßiger Luftverteilung.
Folgende Negativ-Beispiele sollen hierbei vermieden werden:
R744-Verdampfer mit Glykolabtauung (Abbildung 2): Unzureichende Abtauung bzw. mangelhafte Absaugung von Kältemittel vor der Abtauung führt zur Vergletscherung. Flüssige Kältemittelreste im Rohr werden durch Wärmezufuhr während des Abtauvorgangs verdampft. Der daraus hervorgerufene Wärmeentzug sorgt für unzureichende Abtauung im unteren Bereich des Wärmeübertragers (Flüssigkeit sammelt sich unten an). Dies kann im schlimmsten Fall die Rohre zerdrücken und den gesamten Wärmeübertrager beschädigen.
Zu hohe Abtautemperatur (Abbildung 3):
Schwadenbildung,
Kondensation und Erstarren des Wasserdampfes an unbeheizten Oberflächen wie Blechen, Ansaughauben bzw. Ventilatorflügeln;
Folge: Herabfallendes Eis, Lagerschäden am Ventilator.
Wann bzw. wie oft muss abgetaut werden?
Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, gewählt wird ein Tiefkühllager:
R744, Trockenexpansion
8-10 Verdampfer
Raumtemperatur: -24 °C
2-4 Abtauungen am Tag, je 40 Min.
elektrische Abtauung
Die elektrische Abtauung ist im Vergleich zur Glykol- oder Heißgasabtauung ineffizienter, somit ist das Einsparpotential höher. Daran soll das maximale Potential ermittelt werden, um beurteilen zu können, ob intelligente, effizienzsteigernde Abtausysteme sich ggf. lohnen.
Intelligente Abtausysteme
Die einfachste Form der Abtauung ist die zeitgesteuerte Abtauung. Hier wird nach fester Zeitvorgabe bzw. Anzahl Laststunden die Abtauung eines Verdampfers eingeleitet. Eine bedarfsgerechte Abtauung geht einen Schritt weiter und überwacht z. B. die Eisdicke bzw. den luftseitigen Druckabfall. Wird ein kritischer Wert überschritten, so wird die Abtauung eingeleitet.
Intelligente Abtausysteme sind vielseitig: neben der Überwachung der Vereisung bzw. den Abfall der Kälteleistung, geben sie auch das Ende der Abtauung vor und berücksichtigen andere Aspekte, wie Türöffnungen und Verläufe von Temperaturen, relative Feuchten und weitere. Es wird also, neben dem Verdampfer, ein größerer Teil der Gesamtanlage betrachtet.
Die Kältelastberechnung ergibt für diesen Fall einen maximalen Wärmeverlust von 145 kW (Abbildung 4) [1].
kWände = 0,10 W / (m² K)
tErdreich = 10 °C
H = 18 m
Um die Kälteleistung zu erreichen, werden mehrere Verdampfer eingesetzt. Der vorgegebene Verdampfer soll eine Leistung von ca. 25 kW aufweisen (s. Abbildung 5).
Um die Kälteleistung aufrechtzuhalten, müssen folglich 6 Verdampfer durchgehend betrieben werden. Da sich 1-2 der Verdampfer in Abtauung befinden, muss grundlegend mit einer höheren installierten Leistung gerechnet werden. Dabei hängt es von der jeweiligen Philosophie ab, wie damit umgegangen wird – folgende Fälle werden betrachtet:
1. Geringe Betriebskosten
Höhere Anzahl Verdampfer; mehr Reserve einplanen -> z. B. 10 Verdampfer.
t0 kann konstant gehalten werden, dafür fallende Leistung Q0 eines einzelnen Verdampfers (Abbildung 6).
Bei fortschreitender Vereisung schalten Verdampfer zu;
damit kein bzw. kaum steigende elektrische Antriebskosten (mehr Verdampfer-Ventilatoren in Betrieb).
2. Geringe Anschaffungskosten
Geringere Reserve Verdampfer, z. B. nur 8 Verdampfer.
Bei fortschreitender Vereisung muss mitunter die Verdampfungstemperatur sinken, um Leistung aufrechtzuerhalten (Reserveverdampfer z. B. Abtauung oder Defekt), dafür konstante Kälteleistung Q0 (Abbildung 6 anhand des Beispiel-Verdampfers).
Fallende Verdampfungstemperaturen werden in Abbildung 7 in Abhängigkeit der relativen Feuchte dargestellt.
Ca. 5 % höhere Antriebsenergie je K fallende Verdampfungstemperatur [3].
Die Vereisung hängt dabei stark von der relativen Feuchte im Kühllager ab. Da Luft bei Raumtemperaturen von -24 °C kaum noch Wasser aufnehmen kann (ca. 0,6 g Wasser je m³ Luft), sind die relativen Feuchten meist sehr hoch.
In beiden Fällen steigt mit fortschreitender Vereisung der luftseitige Druckabfall, welcher eine Absenkung des Luftvolumenstromes bewirkt (Abbildung 6). Dies ist die Hauptursache für eine fallende Leistung für den Fall 1 bzw. eine schleichende Absenkung der Verdampfungstemperatur im Fall 2 (Abbildung 7).
An dieser Stelle wird eine Eisdicke von 1 mm als sinnvoller Zeitpunkt gesehen. Dabei wird von einer Reifdichte von 300 kg/m³ ausgegangen. Für Tiefkühlräume und vollständige Abtauzyklen ist die Reifdichte i.d.R. deutlich geringer. Der Anstieg der Eismasse ist jedoch an interne Messungen angelehnt. Die Masse an Eis gibt dabei vor, welche Wärme notwendig ist, um dies zu schmelzen und somit den Verdampfer abzutauen.
In Abbildung 8 stellen sich notwendige Abtauungen (Erreichen von 1 mm Eisdicke) nach 8-11 h Verdampferbetrieb ein, sprich 2-3 Abtauungen am Tag. Dies hängt jedoch davon ab, welche relative Feuchte im Kühlraum vorhanden ist (Einfluss Türöffnungen, Art der Verpackung usw.).
Fall 1: φ = 95 %; konstante Verdampfungstemperatur
Fall 2: φ = 90 % / 95 % / 99 %; fallende Verdampfungstemperatur
Um das komplette Eis zu schmelzen, ist mindestens folgende Wärmeenergie je Verdampfer notwendig [4]:
mEis ≈ 26 kg (± 20 %) ->10.470 kJ
Rohr: mKupfer = 35 kg -> 430 kJ
Lamellen, Wanne: mAlu ≈ 43 kg -> 1220 kJ
Restmengen R744: -> ca. 300 kJ/kg Flüssigkeit
Ersichtlich wird, dass in jedem Fall der Großteil der nötigen Wärmemenge beim Schmelzen des Eises liegt. Zusätzliche Energie, wie Wärmeverlust an die umgebende Luft, Erhitzung von Schmelzwasser sind hier nicht inbegriffen.
Um die fortschreitende Vereisung bzw. die notwendigen Wärmemengen zur Abtauung zu reduzieren, gibt es einige Möglichkeiten:
Temperaturdifferenz zwischen Kältemittel und Luft senken -> meist mehr Wärmeübertragerfläche notwendig.
Geringere relative Feuchten realisieren: Toröffnungen reduzieren, Luftentfeuchtung usw.
Entfeuchtung über Vorkühlräume bei höheren Lufttemperaturen realisieren.
Aufgrund der großen benötigten Abtauenergien stellt sich die Frage, wie hoch sind die Kosten, dies bereitzustellen und in welcher Höhe fallen diese bei den Betriebskosten der Gesamtanlage an. An dieser Stelle kommt Die Abtaueffizienz ins Spiel – welchen Stellenwert nimmt diese ein?
Abtaueffizienz = benötigte Abtauenergie / zugeführte Energie
In der Literatur haben „gute Anlagen“ meist eine Abtaueffizienz von ca. 50 %, in den meisten Fällen jedoch geringer [2].
Es werden nun zwei Abtauarten untersucht: Glykol- und Elektroabtauung. Bei der Glykolabtauung wird ein separater Warmglykolkreis zwischen die Rohre des Luftkühlers zur Kühlung geschaltet (Abbildung 9, rechts mit roter Markierung schematisch dargestellt).
Bei der Elektroabtauung nutzt man statt des Warmglykolkreises einfache elektrische Heizstäbe.
Die Abtaueffizienz wurde an einem internen Versuchsstand ermittelt. In Abbildung 10 sind dazu schematisch die Kreisläufe inkl. der notwendigen Sensoren dargestellt (Beispiel Glykolabtauung):
Luftkühler (Ethylenglykol 50%) für den Kältebetrieb (blau)
Warmglykol-Kreislauf zur Abtauung (rot)
Zugeführte Energie:
Glykolabtauung: Messung/Ermittlung Temperaturdifferenz Ein- und Austrittstemperaturen, Massenstrom und spezifische Wärmekapazität -> Berechnung zugeführter Leistung.
Elektrische Abtauung: Messung von Spannung und Strom.
Benötigte Abtauenergie:
Masse Kondensat entspricht Masse Eis -> Ermittlung Schmelzenergie.
Temperatur Eis: Temperaturdifferenz zur Schmelztemperatur von 0 °C, spezifische Wärmekapazität von Eis sowie Masse Eis -> Energie Temperaturerhöhung Eis.
Wärmekapazität von Materialien wie Kernrohr, Lamelle, diese auf Temperatur von 0 °C zu erhöhen.
Kälteträgermedium: Temperaturerhöhung auf 0 °C.
Die oben angegebenen Werte wurden gemessen bzw. berechnet. Daraus ergaben sich Abtaueffizienzen gemäß Abbildung 11.
Im Allgemeinen wurden folgende Variationen bei den Messungen vorgenommen:
Abschirmung wie Jalousie (Lufteintritt) bzw. Luftschlauch (Luftaustritt).
Taktende (An/Aus) Zuleitung Glykol bzw. Zuschaltung Elektroheizung.
Glykol: Wanne und Block
in Reihe: Warmglykol strömt durch Wanne; unmittelbar danach durch den Block.
parallel: Kreislauf Wanne und Block separiert; zeitlich wird hier zunächst die Wanne angesteuert, im Anschluss der Block.
Raumtemperatur zwischen -18 °C und -3 °C.
rel. Feuchten: 80-95 %.
Glykolvorlauftemperaturen: 15 °C / 20 °C / 30 °C (s. Abbildung 11).
Luftgeschwindigkeit während Kühlprozess: 2-3 m/s.
Sobald sich keine Veränderung der Kondensatmenge einstellte, wurde die Abtauung beendet. Dies kann in der Praxis nicht bzw. nur sehr aufwändig umgesetzt werden, daher werden die ermittelten Abtaueffizienzen eher als zu optimistisch eingestuft. Eine unnötig längere Abtauung um 10 Min. kann die Abtaueffizienz um teilweise 10-30 % reduzieren, je nach benötigter Abtauzeit.
Die ermittelten Effizienzen liegen im Bereich zwischen 25 und 80 %, wobei bei der elektrischen Abtauung kaum mehr als 50 % erreicht werden können. Mit weiterer Taktung der Heizung sowie einer großzügigeren Aufteilung der Heizelemente, wären höhere Werte möglich.
Für industrielle Anwendungen werden i.d.R nur Glykol- und Heißgasabtauungen verwendet, elektrische Abtauungen eher selten. Daher liegt der Fokus auf den Messungen der Glykolabtauung. Dort sind Abtaueffizienzen oberhalb von 30 % im Normalfall kein Problem. Durch Absenkung der Glykoltemperatur kann dies erhöht werden. Die geringeren Temperaturdifferenzen zwischen Wärmequelle und Kühlraum verringern den Verlustwärmestrom, vergleicht man dies mit elektrischen Heizstäben oder höheren Warmglykoltemperaturen.
Das maximale Einsparpotential soll in Abbildung 12 verdeutlicht werden. Dabei wird das maximale Einsparpotential der Gesamtanlage anhand verschiedener Abtaueffizienzen dargestellt. Anhand des Tiefkühllagers (Abbildung 4) wurden 2-3 Abtauungen am Tag zu je 40 Min. ermittelt. Um Reserven einzuplanen (häufige Türöffnungen, Lagerüberlastung usw.), werden 4 Abtauungen/Tag zu je 70 Min. eingeplant.
Im Bereich der Tiefkühlung bewegt man sich meist bei COP-Werten von 2-3,5. Damit soll sich auf das gesamte System bezogen werden:
Elektrische Antriebsenergie Verdichter zur Bereitstellung der Kälteleistung (gemäß Abbildung 4).
Elektrische Heizung: benötigte elektrische Leistung zur Abtauung.
Glykol- bzw. Heißgasabtauung: elektrische Leistung Pumpen bzw. Verdichter zur Bereitstellung Heißgas.
Beispiel:
Verdampferleistung 150 kW
COP = 3 -> Antriebsleistung Verdichter 50 kW
Gemäß Abbildung 12, Elektrische Abtauung: Heizstäbe 10,95 kW; 4 x 70 min/Tag Abtauung bei 10 Verdampfern -> 10,95 kW x (4 x 70 min) / 24 h x 10 Verdampfer = 21,3 kW durchschnittliche Heizleistung.
Elektrische Abtauung: Heizstäbe 10,95 kW; 3 x 40 min/Tag Abtauung bei 10 Verdampfern -> 9,1 kW durchschnittliche Heizleistung.
Im Vergleich zur Antriebsleistung der Verdichter ist die Abtauleistung stets der untergeordnete Teil. Das Einsparpotential der Gesamtanlage liegt für Elektroabtauung im Mittel bei ca. 20 %. Dies setzt voraus, dass eine Abtaueffizienz von 100 % erreicht wird, was komplett praxisfern wäre. Für Glykol- bzw. auch Heißgasabtauungen bewegen sich die Werte bei ca. 5-10 %.
Bei lediglich 3 Abtauungen am Tag zu je 40 Min. bewegt sich die durchschnittliche Leistung bei ca. 9,1 kW. Dies würde das maximale Einsparpotential gemäß Abbildung 12 weiter halbieren.
Durch solche einfachen Maßnahmen, welche noch keine intelligente Abtausteuerung benötigen, senkt sich das Einsparpotential bereits auf wenige Prozent.
Intelligente Abtausteuerungen sind sinnvoll, wenn man Maßnahmen getroffen hat, die Verdampfer vollständig abzutauen. Einsparpotentiale > 5 % sind jedoch unrealistisch, vergleicht man dies mit dem aktuellen technischen Stand einer vollständigen Abtauung.
Wie muss abgetaut werden?
Im Idelfall werden 2 Abtausensoren eingesetzt. Dabei wird der erste Sensor (Sensor 1, Abbildung 13 bzw. Abbildung 14) am unteren Kernrohr an der Position „6 Uhr“ angebracht. Dieser stellt sicher, dass nach dem Pump Down (Ventilatornachlauf) bzw. vor der wirklichen Abtauung kein flüssiges Kältemittel im Verdampfer zurückbleibt. Fehler deuten auf zu kurze Pump Down Zeiten bzw. undichte Kältemittelventile hin.
Ein zweiter Sensor (Sensor 2, Abbildung 13 bzw. Abbildung 15) wird im oberen Bereich des Verdampfers zwischen Wärmeübertragerblock und Ventilator positioniert. Dieser misst die Lufttemperatur während der Abtauung innerhalb des Verdampfers. Werden hier Temperaturen im Bereich von ca. 10-12 °C überschritten, so muss die Abtauung unterbrochen (nicht abgebrochen) werden, es wird getaktet. Dieser Prozess wird so lange durchgeführt, bis Sensor 1 z. B. für mindestens 10 Min. oberhalb von 0 °C steigt. Die Zahlenwerte können variieren – dies hängt von Kühlgut, Lufttemperatur, Feuchte usw. ab. Typische Werte findet man in den Herstellerhinweisen.
Fazit
Der Fokus bei einer Abtauung sollte stets auf Vollständigkeit der Abtauung liegen; nur dann können überhaupt die Leistungen und damit ein hoher COP umgesetzt werden. Zu kurze Abtauungen können dazu führen, dass geringe Eismengen zurückbleiben, welche sich über viele Abtauintervalle mehr und mehr ansammeln. Dies führt zu geringen äußeren Wärmeübergängen sowie störanfälligen Überhitzungsregelungen. Diese Effekte führen direkt zur Reduzierung vom COP und erhöhen in erster Linie die Kosten.
Erst, wenn Abtauungen nachweislich vollständig ablaufen und die Anlage effizient betrieben wird, sollte überhaupt an Einsparpotentiale von Abtauungen gedacht werden.
Hinweise
[1] Anlehnung: Hans-Joachim Breidert: Projektierung von Kälteanlagen, Kap. 4.3: Tiefkühllagerhaus; VDE Verlag, 2013.
[2] www.kka-online.info/artikel/kka_Energieeffizienz_bei_Abtausystemen-3072903.html (Kurzlink: www.t1p.de/KKA4-25Abtausysteme)
[3] 2CSL-6K-40S; www.bitzer.de/websoftware/calculate/HHK/?tab=results (Kurzlink: www.t1p.de/KKA4-25BitzerSW)
[4] hSchmelz,Eis= 335 kJ/kg;
cp,Eis = 2,12 kJ/(kg K);
cp,Cu = 0,385 kJ/(kg K);
cp,Al = 0,888 kJ/(kg K)