Darf’s ein bisschen mehr sein? – Natürlich!

Frequenzgeregelter R290-Wasserkühlsatz für die Schaltraumklimatisierung

Neue Wege zu gehen zahlt sich aus, auch wenn es nicht immer einfach ist. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen: ein hocheffizienter Kaltwassersatz mit dem natürlichem Kältemittel Propan und einem ROI der Mehrkosten von zwei bis drei Jahren.

Zur Vorgeschichte

In 2015 erhielt die HKT Huber-Kältetechnik GmbH den Zuschlag für zwei Kaltwassersätze mit 160 kW und 200 kW Kälteleistung in effizienter Ausführung, die von der Firma AWE AG gebaut wurden. Geplant und ausgeschrieben wurden die beiden Maschinen vom Planungsbüro TB-Holzinger aus Wien, für den Betreiber die Österreichische Lotterien Gesellschaft m.b.H. Die Einbringung und den Einbau übernahm die Fa. Nice Kälte-Klimatechnik GmbH, ebenfalls aus Wien. Die beiden KWS wurden mit einer Leistungsmessung bestückt und mit den parallel installierten, herkömmlichen Back­Up-Sätzen verglichen. Das Ergebnis war selbstredend und veranlasste den Betreiber auch für das folgende Projekt auf eine Maschine von AWE, ebenfalls ausgestattet mit Goeldner-Verdichtern zurückzugreifen (Bild 1). Es wurde allerdings – zeitgemäß – ein Schritt weitergegangen und nun das natürliche Kältemittel R290 (Propan) eingesetzt. Eine Entscheidung, die die F-Gas-Verordnung 517/2014 außen vorlässt, die Investitionssicherheit stärkt und die Umwelt schont.

Warum überhaupt Propan in der Kälte-, Klima- oder Wärmepumpentechnik?

Propan hat einen sehr weiten Einsatzbereich (t0 von -40 bis +15 °C) mit durchwegs hervorragenden thermodynamischen Eigenschaften. Es verträgt sich problemlos mit den herkömmlich in Kälteanlagen verwendeten Materialien und Wärmetauschern. Der ggf. erforderliche Ex-Schutz verliert für die Eingeweihten seinen Schrecken, da die Füllmengen meist gering sind und das Gas sich in der Anlage und nicht in der Atmosphäre drumherum befindet. Grundsätzlich könnte Propan als Kältemittel überall dort eingesetzt werden, wo heute noch R22 (in Deutschland seit dem 01.01.2000 in Neuanlagen verboten) verwendet wird. In einigen Ländern, speziell im asiatischen Raum, wird Propan als Drop-in verwendet. Klimaanlagen mit R290 sind z.B. in Malaysia, Thailand, Philippinen, Indonesien, Indien und Singapur bereits zu Hunderttausenden im Einsatz. In verschiedenen Industriezweigen werden R290 und R1270 immer schon als Kältemittel genutzt und dies mit Füllmengen bis zu mehreren Tonnen. Auch global agierende Konzerne entscheiden sich in zunehmender Anzahl für Propan als Kältemittel für ihre gewerblichen Anlagen. Unilever zum Beispiel konnte bei einem Feldversuch mit Propan, durchgeführt schon während der Olympischen Spiele in Australien 2000, eine durchschnittliche Energieeinsparung von 9 % gegenüber den gleichen Systemen mit R134a beobachten.

Es ist möglich, mit brennbaren und explosionsgefährdeten Stoffen sicher umzugehen, dies beweisen täglich tausende Tankstellen und Millionen von Gasheizungen in Europa und weltweit jeden Tag, obwohl die Bedienung meist von ungeschultem Personal oder Privatpersonen erfolgt.

Der Gedanke an wenige Gramm Propan in einer Autoklimaanlage lässt viele von uns erschaudern. Hoch brennbares Gas im Tank, mit einem Fassungsvermögen von 50 bis 70 l, hingegen nicht. All die Wohnmobile, die mit einer Propangasflasche an Bord durch die Gegend cruisen, auch durch lange Tunnel, gelten als ungefährlich. Warum oftmals massive Vorbehalte gegen Kohlenwasserstoffe als Kältemittel bestehen, obwohl hier überwiegend geschultes und sachkundiges Personal damit umgeht, ist nicht einfach nachzuvollziehen. Es könnte aber auch an dem zu niedrigen Preis für das Kältemittel R290 liegen.

Die Antwort muss lauten:

Bei werksgefertigten Anlagen und Betreuung dieser durch geschultes Fachpersonal stellen Kohlenwasserstoffe eine der besten Lösungen für Flüssigkeitskühler und Wärmepumpen im gewerblichen und industriellen Bereich dar. Insbesondere Propan ist relativ leicht einsetzbar und zeichnet sich durch den o.g. sehr großen Einsatzbereich mit durchwegs sehr guter Effizienz aus. Einen Vergleich von Verdichterauslegungen mit den Kältemitteln R290, R513A und R744 zeigt die Grafik 1.

Details und damit verbundene
Vorteile der Konstruktion

Allein der größere und extrem leise, außentemperaturgeführte Verflüssiger, ausgelegt auf ein dT von 8 K, und die Konzeption mit einem stufenlosen 3er-Verdichterverbund schlugen mit 20 % Mehrkosten zu Buche. Diese werden jedoch bei der gegebenen Laufzeit, pro Jahr ca. 6500 h, allein durch die gesenkten Betriebskosten nach sportlichen zwei Jahren wieder retourniert.

Bestätigt wird dies in vollem Umfang durch das installierte System zur medienübergreifenden Energie- und Verbrauchsdatenerfassung inklusive Bezugsoptimierung mit integrierten Steuer- und Störmeldefunktionen.

Angetrieben wird der Kühlsatz – wie erwähnt – durch einen 3er-Verbund bestehend aus 4-Zylinder-Goeldner-Hubkolbenverdichtern, „Typ HS 54 3/30P“, die für den Einsatz mit Propan optimiert sind und sich seit 13 Jahren in R290-Großwärmepumpen und Kältesätzen bewähren (Bilder 2+3). Einer davon ist über einen Inverter drehzahlgeregelt, die beiden anderen werden über Softstarter nach Bedarf zugeschaltet. Da der geregelte Verdichter in einem Frequenzband von 20 Hz bis 70 Hz arbeitet, ergibt sich eine stufenlose und damit optimale Leistungsanpassung an den Bedarf der Kühlstellen im unten genannten Leistungsbereich. Das elektronische Expansionsventil sorgt dabei dafür, dass die Überhitzung stets im besten Bereich bleibt. Der als Ölwanne ausgeführte Boden des Maschinengehäuses rundet das Konzept ab, schützt die Umwelt und übernimmt laut §62, Absatz 1, des Wasserhaushaltsgesetzes die sekundäre Sicherheit.

Die Daten des R290-Kältesatzes (Bild 5) in Kürze:

Kälteleistung stufenlos regelbar: 31 kW … 245 kW

Einsatzgrenzen (Austrittstemp.): Kaltwasser + 4 °C … +20 °C; Außen -20 °C … +40 °C

Anzahl Verdichter: 3 (1x FU, 2x SA) je 94,5 m3/h bei 50 Hz

Anzahl Kältekreise: 1

Kältemittel: R290 (ODP = 0; GWP = 3), (LFL = 0,038 kg/m³) LFL = UEG = Untere Entflammbarkeitsgrenze

Kältemittelfüllmenge: 60 kg

Kaltwassertemp.: 8,5/13,5 °C (t0 = 5 °C)

Außentemp.: 32 °C (tc = 40 °C)

EER: 4,51 (inkl. Lüfter)

Schalldruckpegel: 45 dB(A) in 10 m

Abmessungen: 8,4 x 2,4 x 2,5 m (L x B x H)

Gewicht: 5,4 t

Erläuterungen zum
Sicherheitskonzept

Aufgrund der Aufdachaufstellung gibt es auch bei der Verwendung von Kohlenwasserstoffen als Kältemittel (hier Propan) keine Füllmengenbegrenzung. Seitens des Herstellers werden jedoch Sicherheitsabstände vorgeschlagen (Bild 4). Innerhalb dieses Gefahrenbereichs sind Rauchen, Feuer, offenes Licht oder andere Zündquellen verboten. Es dürfen sich auch keine Fenster, Kellerschächte, Luftansaugungen o.ä. darin befinden!

Sollte es unerwarteter Weise zu einer Undichtheit kommen, wird das A3-Kältemittel durch die Ventilatorluft auf ein ungefährliches Maß verdünnt.

Auf eine einwandfreie Luftführung ist zu achten und die Serviceseite muss jederzeit gut zugänglich sein. Des Weiteren – und das ist sehr wichtig – darf die Wartung und der Service nur durch fachkundiges Personal erfolgen.

Im Detail sind alle kältemittelführenden Komponenten, mit Ausnahme des Verflüssigers, in einem schallgedämmten Maschinengehäuse untergebracht. Der Kältemittelkreislauf ist technisch dauerhaft dicht (TRBS 2152 T2) ausgeführt. Im Gehäuse ist auf halber Höhe ein Gassensor angebracht, der über eine Gaswarnanlage (GWA) ausgewertet wird. Die GWA verfügt über eine separate elektrische Zuleitung und ist in dem zum Maschinengehäuse hermetisch abgedichteten Schaltschrank verbaut. Dieser beinhaltet auch die wesentlichen elektrischen Komponenten. Nur notwendige elektrische Komponenten, die direkt am Kältemittelkreislauf angebracht werden müssen, sind im Maschinengehäuse angeordnet. Welche dann aber in einer möglichst hohen Schutzart >IP54 bzw. zum Teil ATEX-zertifiziert ausgeführt sind.

Bei Überschreitung der Gaskonzentration, innerhalb des Maschinengehäuses von < 25 % LFL, schaltet die GWA den Kaltwassersatz stromlos und es wird eine Alarmmeldung sowohl an die Gebäudeleittechnik als auch vor Ort ausgegeben. Da nach dem Abschalten durch die GWA keine Zündquellen mehr vorhanden sind, wird auch die Zwangsbelüftung eingestellt. Es findet allerdings weiterhin eine statische Belüftung statt. Während die Anlage in Betrieb ist, wird das Maschinengehäuse über einen Teilluftstrom der Verflüssigerlüfter kontinuierlich mit Außenluft durchspült. Dabei wird über ein, im vorderen Teil des Bodens befindliches, Lochblech Luft angesaugt. Diese durchströmt das Gehäuse diagonal und wird über Öffnungen in der Rückwand dem Luftstrom der Verflüssigerlüfter zugeführt. Außerhalb des Maschinengehäuses ist lediglich der Verflüssiger angeordnet. Dieser wird nicht gesondert überwacht, da hier eine größere Leckage extrem unwahrscheinlich ist und es im Freien zu einer sofortigen Verdünnung des Gemisches kommt. Der Kaltwassersatz ist mit den entsprechenden Verbotszeichen und Gefahrensymbolen versehen.

Die Technik

Um einen effizienten Wasserkühlsatz zu bauen, reicht es nicht, nur die bestmöglichen Komponenten zu verwenden und hochwertig zu verarbeiten. Auch die Abstimmung dieser Bauteile aufeinander spielt eine essentielle Rolle. Als da wären:

Kältemittel > natürlich effizient

Temperaturdifferenzen in den Wärmetauschern > mögl. klein

Verflüssigerregelung Außentemperatur geführt

effiziente Verdichter stufenlos regelbar > weiter Drehzahlbereich über FU

ggf. Verbundverdichter mit Anlaufstromreduzierung über Sanftanlauf

Expansionsventil elektronisch für minimale, aber stabile Überhitzung

Ölmanagement simpel und effektiv über Öl-Gas-Ausgleichsleitung

Regelung auf die Anwendung abgestimmt

Leistungsüberwachung > Massenstrom-/Leistungsaufnahme erfassen und auswerten

Monitoring

Einbau, Inbetriebnahme und regelmäßige Wartung durch geschultes Fachpersonal

Die vorgenannte Liste erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, ist aber sicherlich die Voraussetzung für einen Flüssigkeitskühlsatz, der den Anforderungen der Ökodesignrichtlinie ENER Lot 21 (EU) Nr. 2016/2281, die mit Tier1 seit 01.01.2018 gilt (Tier2 ab 01.01.2012), entsprechen muss.

Fazit

Aufbauend auf die vorgenannten technischen Details muss der Kühlsatz aber auch in das Gesamtkonzept des jeweiligen Anwendungsfalles passen. Dafür ist zweifellos eine sorgfältige Planung, vorzugsweise durch ein fachbezogenes, erfahrenes Planungsbüro, anzuraten.

In unserem Fall zum Beispiel handelt es sich um eine Außenaufstellung auf dem Dach des Gebäudes mit Begleitheizung der Wasserverrohrung im Außenbereich. Hier spielten die Statik, die Positionierung, die Rohrführung und vor allem auch die zulässigen Schallemissionen eine wichtige Rolle. All dies musste im Vorfeld planerisch geklärt werden.

Steht der Platz der Aufstellung fest (Bilder 5+6), dann stellt die Einbringung per Kran auf das Dach eines Gebäudes oftmals weniger Probleme dar als die Verfrachtung eines herkömmlichen Kaltwassersatzes in die Innenhülle eines Bestandsgebäudes. Umbauter Raum ist zudem immer teuer und kann anders sinnvoller genutzt werden. Aus Sicht des Servicepersonals ist natürlich die Arbeit an einem Außensatz im Winter bei Minusgraden weniger spaßig. Hier sollte ein guter, möglichst geschützter Zugang keinen Luxus darstellen, sondern Standard sein.

Schlussbemerkung

Der maßgeschneiderte, hoch effiziente Kaltwassersatz arbeitet nun seit der Inbetriebnahme, im Herbst 2018, kaum hörbar auf dem Dach des Betreibers. Nach vorsichtigen Schätzungen von Seiten des Verfassers beträgt die Energieeinsparung der realisierten Lösung 15-20 %, verglichen mit einer herkömmlichen Standardanlage von der Stange.

Das Team, bestehend aus Planer, Hersteller, Anlagenbauer und vor allem dem Betreiber, ist hoch zufrieden. Durch die gute Zusammenarbeit konnte eine ökologisch und ökonomisch wertvolle Anlage erstellt werden. Es ist zu hoffen, daß es nicht nur ein Leuchtturmprojekt bleibt, sondern für zukünftige Bauvorhaben als Referenz herangezogen wird.

Literatur, Normen, Richtlinen

Druckgeräterichtline 2014/68/EU

Maschinenrichtline 2006/42/EG

Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU

Explosionsschutzrichtline 2014/34/EU

Ökodesign Rahmenrichtlinie 2009/125/EC

EN 378 Teil 1-4

Quellen

M. Petz (Hrsg.): Kohlenwasserstoffe als Kältemittel. Expert-Verlag, 1995, ISBN 3-8169-1186-2, S. 59–76.

Monika Witt: Natürliche Kältemittel – Eurammon ; Vortrag – Veranstaltung 2017

Karl Huber: R290-Kälteanlage mit optimierter Füllmenge, Artikel – KKA 5/2016

Karl Huber: Kaltwassersatz mit Kältemittel R290, Artikel – KK 11/2011

Links

www.hkt-goeldner.de

www.awe-bayern.de

www.tb-holzinger.at

www.nice-kaelte.at

www.thermofin.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2019

Kältemittel R1234ze: Nachhaltige Lösung für Kaltwassersätze

Schnelle Amortisation bei Anlagentausch

Viele Jahre funktionierte die Kälteanlage auf dem Dach eines Hotels in der Kölner Innenstadt einwandfrei. Bei dem Hotelobjekt führt das Unternehmen WISAG Gebäude- und Industrieservice Nord-West...

mehr
Ausgabe 05/2018 HKT Huber

R290-Verdichter

R290-Verdichter

Die HKT Huber-Kälte-Technik GmbH bietet mit den R290-Verdichtern klimaneutrale Lösungen für Kälte- und Klimaanwendungen sowie Wärmepumpen. Auf der Chillventa 2018 wird u.a. ein...

mehr
Ausgabe 05/2016

R290-Kälteanlage mit optimierter Füllmenge

TK-Kühlzelle mit redundanter Propananlage

Im vorliegenden Fall wurde bei einem großen Unternehmen im Norden Münchens eine TK-Zelle (Raumtemperatur -22 °C, mit einer Gesamtkälteleistung von 4,2 kW) aufgestellt. Das Unternehmen hat bereits...

mehr
Ausgabe 04/2013

Propan und Kohlendioxid

Kaskadenanlage für Normal- und Tiefkühlung

Die Aufgabenstellung für den örtlichen Kälteanlagenbauer wurde seitens des Betreibers definiert und umfasste im Wesentlichen nachstehende Punkte: • Einhaltung des straffen Bauzeitenplans, •...

mehr
Ausgabe 05/2011 HKT Huber-Kälte-Technik

Verbundanlagen mit Goeldner-Verdichtern

Von A wie Absaugaggregat bis Z wie zweistufiger Verdichter, die Firma HKT fertigt aus ihren Goeldner-Verdichtern auch komplette Verbund- und Sonderkälteanlagen. Als einer der wenigen Hersteller, der...

mehr