Hallenklimatisierung auf der Messe München

6 MW Kälte für die Hallen C5 und C6

Bei großen Messen fordern die Menschenmengen, die Beleuchtung und wärmeentwickelnde Exponate der Klimatechnik das Äußerste ab. Im Winter ist die Technik im „Standby-Modus“. Um den extrem schwankenden Bedarf an Klimakälte effizient zu decken, betreibt die Messe München Ammoniak-Flüssigkeitskühlsätze mit regelbaren Schraubenverdichtern. Im Zusammenspiel mit gigantischen Lüftungsanlagen sorgen sie für eine bedarfsgerechte Klimatisierung der rund 10.000 m² großen Hallen. Eine technisch anspruchsvolle Aufgabe, die anlagenseitig mit einigen Besonderheiten umgesetzt wurde.

Auch wenn etliche Großveranstaltungen wie Branchenmessen im Jahr 2020 ausfallen oder zu anderen Terminen stattfinden – Industrie- und Publikumsausstellungen werden ihre Bedeutung behalten. Denn digitale Kommunikation kann das Erleben und Anfassen der Exponate und den persönlichen Dialog zwischen Anbietern und Interessenten nicht komplett ersetzen. Nicht ohne Grund haben viele Ausstellungen in den vergangenen Jahren Zuwächse verzeichnet, in München zum Beispiel die IFAT, die international führende Leitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft, sowie die BAU und die bauma. Letztere, die weltweit führende Baumaschinen-Messe, hatte in den Hallen und auf dem Freigelände zuletzt die Fläche von etwa 100 Fußballfeldern belegt.

Auf Veranstaltungen dieser Größenordnung ist die Messe München seit Fertigstellung der neuen Hallen C5 und C6 gut vorbereitet. Die beiden Hallen, je 143 m lang und 71 m breit, bieten zusammen etwa 20.000 m² zusätzliche Ausstellungsfläche und erweitern die Hallenkapazität des Messegeländes in München-Riem auf insgesamt ca. 200.000 m². In nicht einmal zwei Jahren Bauzeit wurden die neuen, im Osten des Geländes gelegenen Hallen im Mai 2018 fertiggestellt, genau passend zur Fachmesse IFAT. Im Obergeschoss des Hallenkopfbaus gibt es zudem einen Kongressbereich für bis zu 1.000 Personen sowie drei Säle und kleinere Konferenzräume.

Klimatechnik für viele Tausend Menschen pro Halle

Mehr Ausstellungsfläche heißt auch, mehr Platz für Besucher – und zusätzlicher Bedarf an Kapazitäten zum Lüften, Heizen und Kühlen. Und dieser Bedarf ist nicht gerade gering, gilt es doch, je Halle rund 150.000 m³ Raum mit frischer und temperierter Luft zu bedienen, um ein angenehmes Klima für die jeweils bis zu 9.000 Besucher zu schaffen. Dazu kommt bei hoher Belegung der neuen Konferenz- oder Kongressräume im Kopfbau der beiden Hallen der Bedarf von weiteren Personen. In Summe muss die Technik für die neuen Hallen C5 und C6 sowie den Konferenzbereich frische und angenehm temperierte Luft für bis zu 20.000 Personen bereitstellen können.

Wärme- und Kältelasten werden über Zen­trallüftungsanlagen abgeführt, die zugleich für frische Luft in den Hallen sorgen. In ihnen ist hierfür ein industrielles Lüftungssystem installiert, das wegen der hohen Personendichte eine sehr große Luftmenge befördern kann: bis zu 360.000 m³/h klimatisierte Luft fördern die acht, im Keller aufgestellten RLT-Anlagen, die jeweils einer Halle zugeordnet sind. Die Auslässe sind deckennah montiert, um die Höhe der Stände und Exponate nicht durch die Lüftungstechnik zu begrenzen.

Weitere, kleinere RLT-Anlagen im Keller und auf dem Dach bedienen die Konferenz- und Kongressräume im Obergeschoss. Über wand- oder deckenmontierte Gebläsekonvektoren werden Spitzenlasten in den Konferenzräumen sowie die Lasten der Medientechnikräume abgeführt.

Nur die MSR-Zentrale (Messen, Steuern, Regeln) wird über ein separates Split-Klimagerät gekühlt. Zum Heizen nutzt die Messe München, wie auf dem Rest des Geländes, Fernwärme.

Klimatisieren mit Ammoniak-
Flüssigkeitskühlsätzen

Bei den Kälteanlagen setzt die Messe München seit Eröffnung des Riemer Geländes im Jahr 1998 auf Ammoniak-Flüssigkeitskühlsätze. „Ammoniak-Chiller kommen bei uns aus zwei Gründen zum Einsatz: Zum einen nutzen sie ein klimaneutrales Kältemittel, zum anderen arbeiten sie äußerst effizient“, sagt Danilo Freire, der das Bauvorhaben C5/C6 bei der Messe München betreut hat. Die Verwendung von Ammoniak ist durch den Einsatz von Flüssigkeitskühlsätzen ausschließlich auf die Kältezentralen begrenzt, so dass eine eventuelle Leckage keine Gefahr für Messebesucher und -mitarbeiter mit sich bringen würde.

Bei dem unwahrscheinlichen Fall einer Leckage würde außerdem die standardmäßig im Maschinenraum installierte Gaswarnanlage automatisch Abluftanlagen aktivieren, damit das gasförmige Kältemittel (das leichter als Luft ist) über einen speziellen Entsorgungsschacht gefahrlos über das Dach abgeführt würde.

Wasser statt Sole als Kälteträger

Für den Transport der Kälte zu den Lüftungsanlagen kommt als Kälteträger Wasser zum Einsatz. Dasselbe gilt für den Kreislauf, der die Kondensationswärme der Kältemaschinen ab- und den sechs Kühltürmen auf den Dächern der Hallen C5 und C6 zuführt. Auf den Einsatz von Sole wird hier verzichtet; im Winter werden daher Teile des Kältenetzes, zum Beispiel die Leitungen zu und von den dachaufgestellten RLT-Anlagen sowie das gesamte Kühlwassernetz, entleert. Zusätzlich werden die Leitungen durch Elektroheizungen gegen Einfrieren gesichert. Auch die Kühltürme verfügen sicherheitshalber über eine elektrische Heizung, um die Frostgefahr zu bannen.

Das Entleeren der Leitungen im Winter mag ungewöhnlich erscheinen, aber da im Winterquartal jahreszeitbedingt keine Kongresse oder Messen stattfinden, die den Einsatz der Kältetechnik erfordern, wird diese in den kältesten Wochen des Jahres nicht benötigt. „Vor Beginn der Frühjahrsveranstaltungen ‚entwintern‘ wir die Anlagen, indem wir das Kalt- und Kühlwassernetz wieder befüllen und die Anlagen reaktivieren“, beschreibt Diplom-Ingenieur Danilo Freire das alljährliche Procedere.

NH3-Chiller-Trio bietet eine große Leistungsbandbreite

Herzstück der neuen Kältezentrale sind drei Flüssigkeitskühlsätze der Firma GEA. Alle drei Maschinen basieren auf Schraubenverdichtern, die mit variabler Drehzahl eingesetzt und deren Leistung somit dem jeweiligen Bedarf besonders gut angepasst werden kann. Bei Teillast werden sie im Wechsel betrieben, um einen Laststundenausgleich zwischen den Verdichtern herzustellen. Im Einzelnen handelt es sich um einen Flüssigkeitskühlsatz GEA-„BluAstrum 1000“ mit 1.130 kW Kälteleistung bei 16 °C/10 °C sowie zwei GEA-„Grasso FX PP 1500“ mit jeweils 2.304 kW bei identischen Ein- und Austrittstemperaturen.

Für die Flüssigkeitskühlsätze sprachen neben dem guten Preis/Leistungsverhältnis der hohe Wirkungsgrad im Voll- und Teillastbereich, die geringe Verdichtungsendtemperatur und die robuste Konstruktion sowie die stufenlose Leistungsanpassung in einem weiten Bereich. Die maximale Kälteleistung ließ sich dank der fein gestuften Palette an Baugrößen sehr gut dem Planwert anpassen. Die Trennung zwischen den Flüssigkeitskühlsätzen und dem Kaltwassernetz übernehmen Plattenwärmetauscher. Dies dient zusätzlich der Betriebssicherheit der Anlage. Um Lastspitzen abzufedern und die Taktzyklen zu optimieren, ist in der Kältezentrale ein 5.000 l fassender Pufferspeicher installiert.

Ausgelegt ist die Kältetechnik für Außentemperaturen bis zu 36 °C. Diese Auslegung bedeutet im Fall der Messe München bereits das Einkalkulieren einer Sicherheitsreserve. Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Reserve für eventuelle Bedarfsspitzen: „Es besteht eine Anbindung der Zehn-Grad-Schiene (10 °C Wasservorlauftemperatur) an einen Eisspeicher in den Hallen C3/C4“, erklärt Projektleiter Siegfried Hofstätter von der SMB Industrieanlagenbau GmbH in Hart (bei Graz). „Von dort können weitere 300 kW Kälteleistung bezogen werden, sodass den neuen Hallen C5/C6 insgesamt bis etwa sechs Megawatt Kälteleistung zur Verfügung stehen.“ SMB hat die Kältetechnik gemeinsam mit dem Planungsbüro Obermeyer aus München geplant. Die österreichischen Kältespezialisten haben außerdem die Installation der gesamten Kälteanlagen verantwortet.

Einbringung der Chiller in Modulen

In Bezug auf das Einbringen und die Installation bot dieses Projekt eine Besonderheit: Im Gebäude gab es eine Engstelle, sodass sich die großen Flüssigkeitskühlsätze der GEA nicht in einem Stück in die Technikräume einbringen ließen. Daher wurden sie im GEA-Werk für die Anlieferung in Modulen vorbereitet. Der Rahmen – normalerweise ein Stück – wurde in Segmente aufgeteilt, auf denen die Anlagenkomponenten vormontiert waren. Auf diese Weise mussten die Rahmenelemente mit ihren Komponenten vor Ort nur noch zusammengefügt und wieder verrohrt werden. Danach fand im Technikraum der Messe die abschließende Dichtigkeitsprüfung statt.

Vorbereitungen wie die Modulanlieferung der Flüssigkeitskühlsätze haben maßgeblich dazu beigetragen, das Projekt trotz des engen Zeitfensters rechtzeitig fertigzustellen. Danilo Freire von der Messe München: „Bei den anderen Hallenprojekten hatten Planer und Anlagenbauer mehr Zeit. Bei den Hallen C5 und C6 lagen zwischen Baubeginn und der Fertigstellung der Hallen nur rund anderthalb Jahre“, erinnert er sich. „Zur IFAT 2018 konnten wir die Hallen bereits nutzen.“ Mittlerweile arbeitet die klimafreundliche Kältetechnik der Hallen C5 und C6 mit den GEA-Chillern als Herzstück seit etwa zwei Jahren – zuverlässig, bedarfsgerecht und effizient.

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