Herausforderungen für unsere Branche

4. DKV/IZW-Seminar blickt über den Tellerrand

Bereits zum vierten Mal veranstalteten der DKV (Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein) und das IZW (Informationszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik) am 2. Februar 2016 in Darmstadt ein Seminar, um Lösungen für die Herausforderungen zu erörtern, denen sich unsere Branche derzeit stellen muss. Die Themen Kältemittel und Klimaschutz liefen dabei wie ein roter Faden durch die acht Vorträge des Tages.

Als die Novellierung der F-Gase-Verordnung in ihren Grundzügen bekannt wurde, herrschte große Verunsicherung, was da alles auf unsere Branche zukommen wird. DKV und IZW reagierten damals sehr schnell und initiierten kurzfristig ein Seminar in Darmstadt, um über das Thema aufzuklären bzw. zu diskutieren. Aus diesem ersten Seminar hat sich eine kleine Tradition entwickelt und beide Organisationen luden nun schon zum vierten Mal nach Darmstadt ein, um über Herausforderungen für die Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik zu informieren.  Eine Besonderheit des Seminars ist dabei sicherlich, dass in den Vorträgen nicht nur der deutsche Markt betrachtet wird, sondern dass man über den nationalen Tellerrand auf Entwicklungen in der EU und auch weltweit hinausblickt.

Weltweiter HFKW-Phase-out
angestrebt

So berichtete Lambert Kuijpers (Autor des UNEP TEAP Task Force Reports) über die Bemühungen, zu einer globalen HFKW-Regulierung zu kommen. Dass wir alle die gleiche Atmosphäre und die gleichen endlichen Ressourcen haben, ist den meisten bewusst. Bekannt ist auch, dass unsere Anstrengungen in Europa, die Treibhausgasemissionen zu senken, nur begrenzt Wirkung zeigen, wenn im Rest der Welt nach dem „Weiter so“-Prinzip gehandelt wird. Glücklicherweise gibt es durchaus Bestrebungen dies zu ändern. So gab es, wie Herr Kuijpers ausführte, bereits im April 2015 einen internationalen Workshop zum Thema HFKW-Ersatzstoffe, gefolgt von einem Treffen im Oktober 2015 in Dubai, bei dem eine formelle Kontaktgruppe gebildet und weitere Meetings beschlossen wurden. Erste Ansätze, beim Thema HFKW international an einem Strang zu ziehen, hat es bereits 2009 gegeben. Damals waren viele Länder aber noch mit dem HFCKW-Thema beschäftigt. Mit unterschiedlichem Tempo ist es dann weltweit zu verschiedenen Vorgehensweisen gekommen. In der EU haben wir nun die F-Gase-Verordnung, in den USA gibt es das SNAP-Programm (Significant New Alternatives Programme), das aber andere Schwerpunkte setzt. Derzeit liegen vier verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, wie man einen weltweiten HFKW-Phase-out angehen könnte. Die EU, Nordamerika, Indien und eine Gruppe kleinerer Inselstaaten haben unterschiedlich ambitionierte Vorschläge erarbeitet, mit variierenden Phase-out-Stufen für entwickelte und Schwellenländer. Hier einen Konsens herbeizuführen, ist ein Kraftakt, den es zu meistern gilt, und für den noch viel Überzeugungs- und Detailarbeit erforderlich ist. Es drängt dabei die Zeit, denn in den USA stehen im Herbst Neuwahlen an. Und welche Ziele ein neuer Präsident – oder eine Präsidentin – in Sachen Klimaschutz haben wird, steht in den Sternen. Generell soll jedenfalls in den kommenden Monaten versucht werden, das Thema HFKW unter das Dach des Montreal Protokolls zu bekommen, um einen stärkeren Hebel für die Umsetzung zu haben. Der Terminkalender von Lambert Kuijpers ist daher derzeit mehr als gefüllt, um weltweit das wichtige Thema Klimaschutz voranzutreiben – und dabei vorauseilende Länder wie Deutschland und Schwellenländer, die in Bezug auf eine HFKW-Reduzierung noch am Anfang stehen, unter einen Hut zu bringen.

Kleinere Dimensionen im Kommen

Prof. Dr. Reinhard Radermacher von der University of Maryland (USA) warf mit den Zuhörern in Darmstadt einen Blick in die Glaskugel und zeigte technische Entwicklungen auf, die in einzelnen Produktsegmenten der Kälte- und Klimabranche auf uns zukommen (könnten). Im Bereich der Verdichtertechnik hält er eine weitere Miniaturisierung der Anlagen für möglich bzw. wahrscheinlich. Zweiflern, die nicht glauben, dass hier noch Optimierungspotential besteht, hielt er vor, dass auch ein Ingenieur vor 100 Jahren nicht gedacht hätte, dass man mal eine Kältemaschine bauen könnte, die nicht mindestens Garagengröße habe. Als weitere Tendenz bei den Verdichtern sieht er ölfreie Kompressoren im Kommen. Bei den Wärmetauschern erwartet er den verstärkten Einsatz von variablen Geometrien mit unterschiedlichen Formen, Längen und Durchmessern. Die Microchannel-Technologie sei hier auf dem richtigen Weg. Generell sieht er wie bei den Verdichtern kleinere Dimensionen als Entwicklungstrend, was zu einer Reduzierung der Kältemittel-Füllmengen und des Materialeinsatzes führen werde. Ein denkbares Szenario sei auch, dass aus Wärmetauscher und Ventilator ein einziges Bauteil entstehen könnte – hier gebe es schon entsprechende Forschungsvorhaben. Ein interessanter Gedankenansatz von Prof. Radermacher war auch, dass man nicht ganze Räume klimatisieren müsse, wenn es nur um den Komfort der darin arbeitenden Menschen gehe. Warum könne man nicht einen Roboter entwickeln, der quasi als rollende Klimaanlage dem Menschen folgt und nur seine direkte Umgebung kühlt?

Konsequenzen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen

Volker Weinmann, Firma Rotex und stellv. Vorsitzender des IZW, beleuchtete in seinem Vortrag das Pariser Klimaschutzabkommen. Umweltministerin Barbara Hendricks bezeichnete das Abkommen, das nach zähem Ringen zustande gekommen ist, als „robust, dynamisch, transparent und fair.“ „Wir haben Geschichte geschrieben“, war ihr Fazit. Dieses globale Abkommen hat natürlich auch Auswirkungen auf unsere Branche, daher passte das Thema hervorragend in den Vortragsreigen der Darmstädter Veranstaltung. Als wichtigste Ergebnisse von Paris nannte Volker Weinmann:

Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis Mitte des Jahrhunderts und zusätzlich die Erreichung einer Treibhausgasneutralität in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts

Die Einhaltung der 2 °-Obergrenze, was die maximale Erderwärmung betrifft

Kontinuierliche Bestandsaufnahme der umgesetzten Maßnahmen und Nachbesserungsrunden für das Abkommen alle fünf Jahre, die immer ambitionierter werden sollen

Pflicht für alle Staaten, konkrete Umsetzungsstrategien zu entwickeln

Ein gemeinsames System von Berichtspflichten und Transparenzregeln

Unterstützung ärmerer Staaten durch reichere Industrieländer (ab 2020 bis 2025 jährlich (!) 100 Mrd. Dollar)

Damit diese Ziele erreicht werden können, sind verschiedene politische Rahmenbedingungen unumgänglich:

Schnellstmöglicher Ausstieg aus der Subventionierung fossiler Energieträger

Reform des europäischen Emissionshandels mit klaren CO2-Preissignalen

Langfristige Planungs- und Investitionssicherheit für die Wirtschaft etc.

Das Klimaschutzabkommen sei ambitioniert, führte Volker Weinmann weiter aus, und man könne nur hoffen, dass die Ergebnisse nicht bloße Lippenbekenntnisse seien, an denen die Politiker trotz besseren Wissens festhielten. Ein Beispiel hierfür seien die 1 Mio. Elektroautos, die die Bundesregierung bis 2020 auf unseren Straßen sehen will. Derzeit rollen nur ca. 20.000 bei uns; das Ziel sei also niemals zu schaffen, trotzdem werde es gebetsmühlenartig immer wieder aufs Neue formuliert.

Und welche Bedeutung hat das Pariser Abkommen für unsere Branche? Nach Auffassung von Volker Weinmann führt zum einen kein Weg an der Wärmepumpentechnik vorbei. Und es werde zu einer immer stärkeren Kopplung und gegenseitigen Beeinflussung von Wärme-, Kälte- und Energietechnik (inkl. Strom) kommen. Das Thema Smart Grid spiele dabei eine herausragende Rolle.

Kältemittel Wasser und Containerkühlung

In den beiden folgenden Vorträgen wurde es dann deutlich technischer. Dr. Jürgen Süß, efficient energy GmbH, gab einen Überblick über die Möglichkeiten der Verwendung von Wasser in der Kälte- und Klimatechnik von den Anfängen bis zu heutigen modernen Anlagen. Dabei beleuchtete er die unterschiedlichen Systeme – Absorptions-, Adsorptions-, Dampfstrahlkälte und Anlagen, die mit mechanischer Verdichtung von Wasser arbeiten. Er unterlag dabei nicht der Versuchung, das System seines Unternehmens, das auf Wasser als Kältemittel setzt, zu sehr in den Vordergrund zu stellen – auch wenn es natürlich Erwähnung fand und gute Chancen hat, in den denkbar möglichen Anwendungsbereichen des Systems das Kältemittel Wasser wieder stärker hof- und konkurrenzfähig zu machen.

Holger König, ref-tech Ingenieurbüro, berichtete über einen riesigen Markt, in dem Kälteanlagen zum Einsatz kommen, der aber nur von wenigen globalen Playern bedient wird: die Containerkühlung. Die Technikbegeisterten im Saal kamen jedenfalls voll auf ihre Kosten, den die Containerkühlung ist ein besonders anspruchsvolles Gebiet – schließlich sind die Container und die Kälteanlagen extremen Bedingungen ausgesetzt: Seewasser (Korrosion), Schwankungen, Vibrationen, Einsatz in allen Klimazonen, Überladung der Ware, weltweiter Einsatz mit unterschiedlichen Servicestrukturen in den Häfen etc. Interessant waren Holger Königs Ausführungen zum Thema Kältemittel. Die Container würden in den allermeisten Fällen mit R134a und R404A betrieben. Und hier sei nicht zu erkennen, dass die Schifffahrtslinien in den nächsten Jahren in nennenswertem Umfang die Umstellung auf andere, umweltfreundlichere Kältemittel vornehmen würden. Man mag es kaum glauben, aber die als „Verpackung“ eingestuften Container unterliegen keiner Regulierung bei den verwendeten Kältemitteln – auch nicht, wenn sie nach Europa kommen, da dies keiner „Einfuhr“ im eigentlichen Sinne entspreche. Höchstens eine weltweite Verknappung der derzeit verwendeten Kältemittel könne zu einem Umdenken führen. 

Einblicke in Forschungszentren

Dr. Frank Rinne (Emerson Climate Technologies), Felix Flohr (Daikin Chemicals) und Stefan Pietrek (Danfoss) stellten in ihren Vorträgen die jeweiligen Forschungszentren ihrer Unternehmen vor und berichteten, an welchen Entwicklungen und mit welchem Aufwand derzeit gearbeitet werde. Diese Vorträge waren zwar durchaus informativ, jedoch gelang es den Referenten nicht bzw. zu selten, die Firmenbrille abzusetzen und sich etwas übergeordneter und neutraler mit dem Motto des Tages und den Herausforderungen der Zukunft für unsere Branche auseinanderzusetzen. Derartige Firmenpräsentationen gehören eigentlich nicht ins Programm einer kostenpflichtigen Veranstaltung wie der DKV/IZW-Tagung.

Alles in allem war die Tagung aber wirklich lohnenswert, wenn man mit dem Vorsatz gekommen war, sich einmal mit übergeordneten Themen zu beschäftigen und nicht konkrete Handlungsempfehlungen für die tägliche Arbeit erwartet hatte.

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