Umgang mit Acetylen
und Sauerstoff

Sicherheitsaspekte beim Löten und Schweißen

Die wichtigsten Gase zum autogenen Löten und Schweißen sind Acetylen und Sauerstoff. Um Löt- und Schweißbrenner richtig einsetzen zu können, und vor allem um Unfälle zu vermeiden, sollte man ein paar ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften kennen. Denn es ist zu spät, wenn es knallt.

Acetylen das Supergas

Acetylen ist das Gas, das dem Schweißbrenner zu seiner heißen und leistungsfähigen Flamme verhilft. Anders als Propan und Butan lässt sich Acetylen nicht einfach bei relativ niedrigem Druck verflüssigen. Acetylen neigt bei höherem Druck und höherer Temperatur zu explosionsartigem Zerfall. Das nennt man eine Acetylenzersetzung. Die Energie, die bei der Zersetzung frei wird, sorgt für eine starke Erwärmung. Das muss natürlich unter allen Umständen verhindert werden. Daher begrenzt der Druckminderer der Acetylenflasche den Druck in Brennern und Schläuchen auf 1,5 bar.

Deshalb überlegten die französischen Chemiker Claude und Hess, wie man Acetylen bequem und sicher transportieren könnte. Ihr praktischer Beitrag zur Löt- und Schweißtechnik war 1903 die Erfindung der Acetylenflasche.

Gelöst und gewogen

Der höhere Druck in der Acetylenflasche beruht auf einem physikalischen Trick. Die Sprudelflasche zeigt, dass sich Gase (wie Kohlendioxid, Kohlensäure) in Flüssigkeiten unter Druck lösen. Beim Entspannen (Öffnen der Flasche) entweichen sie wieder als Gas. Auch Acetylen löst sich in Wasser, aber noch viel besser in Aceton, wie Claude und Hess feststellten.

Das Lösen des Acetylens ist der physikalische Trick, der eine Acetylenzersetzung bei einem Druck von mehr als 1,5 bar verhindert. Damit das Aceton nicht in der Flasche hin und her schwappt, enthält sie eine poröse Füllung („Mikropor“), die das Aceton wie ein Schwamm aufsaugt. Der Fülldruck ist auf 18 bar bei 15 °C festgelegt worden. Mit steigender oder fallender Temperatur ändert sich auch der Druck in der Acetylenflasche. Bei voller Flasche zeigt das Inhaltsmanometer bei 25 °C 22 bar an, während es bei 0 °C nur noch 13 bar sind.

Eine hochporöse Masse kann noch mehr Acetylen aufnehmen. Flaschen aus Flaschenbündeln enthalten Dimethylformamid als Lösungsmittel. Bei diesen Flaschen zeigt das Inhaltsmanometer 19 bar bei 15 °C an. Zur Unterscheidung tragen solche Flaschen einen roten Ring unterhalb des Schutzkappengewindes.

Druckgasflaschen können bei der Gasentnahme stehen oder liegen. Acetylenflaschen dürfen nicht liegen, da sonst das Lösungsmittel (Aceton) in den Druckminderer fließen würde. Kann die Acetylenflasche nicht aufgestellt werden, muss sie so gelagert werden, dass das Ventil mindestens 40 cm höher als der Flaschenfuß liegt. Praktischerweise „bockt“ man die Sauerstoffflasche gleich mit auf, um den Druckminderer bequemer anschrauben zu können.

Die 40 l-Flasche war früher die Standardgröße. Sie wiegt etwa 75 kg. Dagegen kann man die Acetonfüllung (16 l) und das Mikropor vernachlässigen. Allein die Wandstärke von 4-5 mm sorgt für das hohe Gewicht. Die 40 l-Flasche speichert etwa 6000 l Acetylen, was etwas 6 kg entspricht. Die kleinen 5 l-Flaschen für tragbare Löt- und Schweißgeräte enthalten etwa 900 g Acetylen. Von bequemem Transport kann keine Rede sein. Verglichen mit der Flüssiggasflasche ist die Acetylenflasche schwer. Da wiegt eine 33 kg-Flasche „nur“ ca. 70 kg. Inzwischen ist die 50 l-Flasche der neue Standard. Diese Größe bringt es auf stolze 93 kg.

Da Acetylenflaschen das Gas in gelöster Form enthalten, wird ihr Inhalt in Kilogramm angegeben. Das richtige Gewicht wird im Füllwerk geprüft.

Wenn Sie mit Chemie „nichts am Hut haben“, ist das nicht weiter schlimm. Es reicht, wenn der Praktiker sich ein paar Tatsachen merkt, die für den sicheren Umgang mit Acetylen wichtig sind. Ein Acetylen-Luftgemisch ist explosionsfähig, wenn es zwischen 1,5 und 82 % Acetylen enthält. Bei einem Acetylen-Sauerstoffgemisch liegen die Zündgrenzen (Explosionsgrenzen) noch weiter auseinander. Wenn das Gemisch 1,5 bis 93 % Acetylen enthält, ist es explosionsfähig. Aus der Stärke des Geruchs kann man nicht auf die Gefahr schließen. Bei 305 °C entzündet es sich. Zum Zünden reicht ein warmes Werkstück.

Die weit auseinander liegenden Zündgrenzen haben andererseits den Vorteil, dass sich Schweißbrenner und Acetylen-Saugluftbrenner immer gut zünden lassen und die Flamme immer stabil brennt.

Acetylen ist etwas leichter als Luft. Sagen Sie nicht, Luft wiegt nichts. Ein Kubikmeter Luft wiegt etwa 1,3 kg. In der Praxis ist das Gewicht der Luft vernachlässigbar, denn die „Verpackung“ der Luft (Pappkarton, Stahlflasche) ist viel schwerer. Gase, die leichter als Luft sind, steigen nach oben. Wenn sie wie Flüssiggas schwerer sind, sinken sie zu Boden. Der „Gewichtsunterschied“ (physikalischer Ausdruck: Dichte) zwischen Acetylen und Luft ist gering. Acetylen-Luftgemische entmischen sich daher nur sehr langsam und bleiben als explosionsfähige „Wolke“ stehen.

Bei Acetylenflaschen ist das linke Manometer das Inhaltsmanometer. Aus seiner Anzeige lässt sich nicht ausrechnen, wie viel Gas noch drin ist, da hier das Gas in gelöster Form vorliegt. Die weitverbreitete 40 l-Acetylenflasche mit 18 bar Fülldruck enthält 6,3 kg Acetylen. Das ergibt 5680 Liter Gas. Der Gasverbrauch der Brenner wird üblicherweise in Liter pro Stunde (l/h) angegeben. Einer solchen Flasche lassen sich kurzfristig mal 1000 l/h entnehmen. Beim Dauerbetrieb sind es aber nur 500 l/h.

Gefahr einer Acetylenzersetzung

Eine Acetylenzersetzung ist so ziemlich das Letzte, was einem passieren sollte. Dabei zerfällt das Gas in seine chemischen Bestandteile Wasserstoff und Kohlenstoff (Ruß). Dabei kommt es in der Flasche zu starker Erwärmung mit einhergehender Drucksteigerung. Im schlimmsten Fall kann die Flasche explodieren und mehrere hundert Meter weit fliegen. Die Flasche reißt dabei der Länge nach auf und sieht danach wie eine aufgeplatzte Wurst aus.

Eine Acetylenzersetzung kann ausgelöst werden durch einen Brand am Druckminderer oder durch äußere Erwärmung (nahe Öfen, Schmiedefeuer), am Druckminderer aufgehängte noch warme Schweißbrenner oder Elektrodenhalter, die die Flaschenwand berühren, oder durch einen Flammenrückschlag vom Brenner her (wiederholt abknallender Brenner). Um das zu verhindern, wird hinter dem Druckminderer eine Rückschlagsicherung oder Flammensperre eingebaut.

Eine Acetylenzersetzung hat begonnen, wenn sich die Flaschenwand von oben vom Ventil beginnend warm anfühlt oder wenn Gas mit Ruß oder ungewöhnlichem Geruch herauskommt. Was macht man, wenn der Fall eines Falles eingetreten ist? Im „günstigeren“ Fall lässt sich die Flasche noch mit der Hand berühren. Zuerst schließt man das Flaschenventil und schraubt den Druckminderer ab. Dann bringt man die Flasche ins Freie, lässt das Gas ausströmen und kühlt die Flasche mit Wasser aus sicherer Deckung. Wenn dazu die eigenen Mittel nicht ausreichen, ruft man die Feuerwehr zu Hilfe. Da explodierende Flaschen mehrere hundert Meter weit fliegen können, empfiehlt es sich, die Umgebung zu räumen.

Wenn die Flasche so heiß ist, dass man sie nicht mehr mit der nackten Hand anfassen kann, wird’s übel. Das kann durch einen Brand am Druckminderer oder Flaschenventil durch nicht fest genug angezogenen Bügel verursacht worden sein. In diesem Fall muss man sofort die Feuerwehr rufen, alle Fenster und Türen öffnen (Gefahr einer Raumexplosion) und die Umgebung räumen. Flaschen, in denen eine Acetylenzersetzung stattgefunden hat, darf man nicht weiter benutzen. Man muss sie deutlich kennzeichnen und Flaschenlieferanten und Füllwerk benachrichtigen.

Acetylen reagiert chemisch mit Kupfer. Das Ergebnis heißt Kupferacetylid, sieht aus wie rotbraun angelaufenes Kupfer und ist noch explosiver. Deshalb darf Acetylen nicht mit Kupfer in Berührung kommen. Gasschläuche dürfen nicht mit Kupferrohrstücken als Schlauchverbinder verlängert werden. Von der Explosionsgefahr abgesehen ist die Festigkeit einer solchen Schlauchverbindung zweifelhaft.

Sauerstoff

Sauerstoff ist das andere Gas, das für die heiße Flamme des Schweißbrenners verantwortlich ist. Sauerstoff selbst ist nicht brennbar, aber für die Verbrennung unabdingbar notwendig. Sauerstoff ist etwas schwerer als Luft. Sauerstoff darf nicht zur „Belüftung“ von Räumen verwendet werden. Luft enthält 21 % Sauerstoff. Bei einem höheren Sauerstoff-Anteil brennt alles viel stärker. Eine glimmende Zigarette brennt dann wie eine Fackel. Auch schwer entflammbare Schutzkleidung oder Eisendrähte brennen bei einem höheren Sauerstoff-Anteil. Ab einem Anteil von mehr als 25 % Sauerstoff in der Luft wird es gefährlich.

Reiner Sauerstoff führt zu explosionsartiger Entzündung von Öl und Fett. Deshalb darf das Gewinde für die Ventilschutzkappe der Sauerstoffflasche nicht geölt werden. Ein rostiges Schutzkappengewinde und eine unansehnliche Flasche sind das kleinere Übel. Aber auch Druckminderer, Schläuche, Brenner und Ventile müssen öl- und fettfrei sein.

In den Jahren 1772 bis 1774 haben der schwedische Chemiker Karl Wilhelm Scheele (eigentlich ein deutscher Apotheker) und der englische Theologe Joseph Priestley unabhängig voneinander den Sauerstoff entdeckt. Die Erfindung der Luftverflüssigung durch den deutschen Ingenieur Carl von Linde (1842 – 1934) in den Jahren 1895 bis 1902 machte die Gewinnung von Sauerstoff in großen Mengen billig.

Gasflaschen in allen Größen

Flaschen für verdichtete Gase und Acetylen werden in den Größen 10, 20, 40 und 50 l angeboten. Für tragbare Löt- und Schweißgeräte gibt es auch Flaschen mit 5 l und weniger Inhalt. Anders als Flüssiggas bleibt Sauerstoff auch bei hohem Druck gasförmig. Um genug Sauerstoff oder andere Gase wie Luft, Stickstoff und verschiedene Schutzgase in Flaschen speichern zu können, werden diese mit sehr hohem Druck von 200 bar gefüllt. Aber Achtung: Es sind immer noch alte Sauerstoffflaschen im Umlauf, die mit einem Druck von 150 bar gefüllt werden. Es soll auch noch Druckminderer für 150 bar geben. Die dürfen nicht an Sauerstoffflaschen mit 200 bar Fülldruck angeschlossen werden, da sie nicht ausbrennsicher sind.

Inhaltliches

Gasdruckregler (Druckminderer) für Flaschen mit verdichteten Gasen wie Sauerstoff haben zwei Manometer. Das rechte heißt Inhaltsmanometer und zeigt den Druck in der Flasche an. Das linke ist das Arbeitsmanometer und zeigt den Druck im Schlauch an, der zum Löt-, Schweiß- oder Schneidbrenner führt. Aus der Anzeige des Inhaltsmanometers und der Flaschengröße kann man bei verdichteten Gasen wie Sauerstoff, Stickstoff oder Druckluft den Inhalt einer Gasflasche einfach ausrechnen. Man muss nur den Druck mit der Größe der Flasche (Rauminhalt, Volumen) multiplizieren. Bei einer vollen 40 Liter-Sauerstoffflasche mit 200 bar Fülldruck sieht die Rechnung so aus:

200 • 40 = 8000 Liter (bei Atmosphärendruck 1 bar).

Das ist das Boyle-Marriotte‘sche Gesetz, das Schüler in Physik pauken müssen. Es besagt, dass das Produkt aus Druck und Volumen immer gleich ist. Ein kleines Volumen bei hohem Druck entspricht einem großen Volumen bei niedrigem Druck (Atmosphärendruck). Bei angebrochenen Flaschen zeigt das Inhaltsmanometer (rechtes Manometer) des Druckminderers den Druck an, mit dem man das Volumen der Flasche multiplizieren muss, um die restliche Gasmenge zu erhalten. Da Schweißbrenner in den meisten Fällen einen Sauerstoffdruck von 2 bar oder mehr benötigen, müsste man ehrlicherweise das Ergebnis noch einmal halbieren.

In der Praxis kann man aus diesen Angaben aber nur schwer darauf schließen, wie lange man schweißen oder hartlöten kann. Die Hersteller von trag- und fahrbaren Schweißgeräten geben wegen der geringen Flaschenkapazität ihrer Geräte an, wie lange der Gasvorrat bei welchem Brennereinsatz reicht – volle Flaschen vorausgesetzt. Je nach Brennereinstellung sind hier Abweichungen von 20 % ohne weiteres möglich.

Literatur- und Bildnachweis

[1] LT Klöpper-Waldmann/Fischer [2] DVS/ Fischer [3] Perkeo-Werk/Fischer [4] Fischer
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