Studie: Wärmepumpen für bestehende Mehrfamilienhäuser
Teil 2: Investitionskosten, unterschiedliche Systemvarianten und Ergebnisse
Die Umstellung auf Wärmepumpen stellt den zentralen Lösungsansatz zur schnellen Dekarbonisierung der Gebäudewärme dar. Im Einfamilienhausbereich haben die Anlagen ihre Eignung bereits unter Beweis gestellt und sind dort im Neubau die meistgenutzte Heizungstechnologie. Nun gilt es, auch für den Mehrfamilienhausbestand, der rund 40 % der Wohnfläche in Deutschland ausmacht, tragfähige und skalierbare Wärmepumpen-Lösungen zu identifizieren. Herausfordernd ist dabei neben den Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit auch die Vielzahl an bestehenden Systemkonfigurationen und Gebäudearten. Im 1. Teil dieses Beitrags (KKA 3/2025) wurden die Methodik, die Referenzwohnungen, unterschiedliche Kriterien und ihre Gewichtung vorgestellt. Teil 2 behandelt nun Investitionskosten, unterschiedliche Systemvarianten und stellt die Ergebnisseder Studie vor.
1.3.8. Investitionskosten
Grundlage für die Berechnung der Investitionskosten sind die Tabellen des Technikkatalogs zur Kommunalen Wärmeplanung der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH [9,10]. Die Kostenfunktionen für die Wärmepumpen, Erdsonden sowie Speicher wurden diesen entnommen und mittels Baukostenindex von 2022 auf das heutige Preisniveau hochgerechnet (Faktor 1,11). Für die nicht enthaltenen Komponenten Durchlauferhitzer und direktelektrischer Badheizkörper wurden durch Internetrecherchen typische Kosten ermittelt. Für Luft/Sole-Außeneinheiten wurde auf Basis von Produkten im Leistungsbereich zwischen 3 und 100 kW bei 3 K Spreizung im Solekreis und 4 K Differenz zur Umgebungstemperatur eine Kostenkurve generiert [11]. Die Baukosten für ein fassadenverlegtes Quellnetz wurde in Anlehnung an aktuelle Planungswerte ermittelt [12].
1.3.9. Aufwand Sicherheit
Der Aspekt Sicherheit bewertet, welcher Aufwand nach EN 308 bzw. IEC 60335 für einen sicheren Betrieb der Wärmepumpen erforderlich ist. Lösungen, die keine externen Maßnahmen benötigen, werden mit 5 bewertet. Hohe zusätzliche Anforderungen führen zur Bewertung 1 [13, 14].
1.3.10. Zukunftssicherheit Kältemittel
Bei den dezentralen Lösungen werden neben wasserführenden R290-Wärmepumpen auch Luft/Luft-Geräte mit R32 als Variante zur Dekarbonisierung einbezogen. Die Zukunftssicherheit beider Kältemittel wird unter Berücksichtigung der F-Gas-Verordnung sowie der aktuell überarbeiteten REACH-Verordnung bewertet [15].
2. Ergebnisse
Im Folgenden sind zentrale Ergebnisse grafisch ausgewertet und erläutert. Dabei bezieht sich die Skalierung jeweils auf alle untersuchten Varianten (s. Kapitel 1.2, KKA 3/2025). Eine tabellarische Zusammenfassung aller Ergebnisse ist am Ende des Beitrags zu finden.
2.1. Zentrale Wärmeversorgung
Abbildung 3 vergleicht drei zentrale Wärmeversorgungsvarianten jeweils mit zentraler BWW-Bereitung über Frischwasserstation: Sole-WP mit Erdsonden, Sole-WP mit Luft-Außeneinheit als Quelle („Sole-Split“) sowie eine außenaufgestellte Luft-WP (Monoblock). In Puncto Effizienz liegt die Erd-WP aufgrund der höheren Quelltemperaturen vor den Luftvarianten, wobei das Sole-Split-System aufgrund eines zusätzlichen Wärmeübertragers am schlechtesten abschneidet. Der Platzbedarf im Keller ist bei allen Varianten gleich, da das Monoblockgerät zwar außenaufgestellt ist, aufgrund der höheren Nennleistung aber einen zusätzlichen Pufferspeicher erfordert. Da der Verdichter beim Sole-Split-System im Gebäude liegt, fällt die Außenwirkung hier etwas besser als bei dem Monoblock-System aus. Aufgrund der hohen Erschließungskosten liegen die Investitionskosten für Erdsonden-Systeme deutlich über denen von Varianten mit Luft als Quelle, daher erhält dieses die geringste Bewertung. Das Sole-Split-System ist aufgrund der zusätzlichen Komponente etwas teurer als ein reiner Monoblock und liegt in der Bewertung einen Punkt tiefer. Die Sicherheitsanforderungen lassen sich dagegen beim außenaufgestellten Monoblock mit vergleichsweise geringem Aufwand erfüllen.
In Abbildung 4 sind die unterschiedlichen Varianten der Trinkwarmwasserbereitung in Kombination mit einer Luft-WP gegenübergestellt. Die Lösung mit dezentralen Durchlauferhitzern (DLE) stellt sich hinsichtlich des Platzbedarfs im Keller positiv dar. Trotz der wegfallenden Zirkulationsverluste, die in gleicher Höhe wie der eigentliche Warmwasserverbrauch liegen, ist diese Variante die ineffizienteste. Zudem erfordert sie die höchste elektrische Anschlussleistung. Dem gegenüber lassen sich mit dezentralen Frischwasserstationen aufgrund der reduzierten Zirkulationstemperatur die höchste Effizienz bei niedrigster Anschlussleistung erzielen. Jedoch fallen dadurch höhere Investitionskosten an. Die Investitionskosten für eine zentrale Frischwasserstation mit Pufferspeicher liegen in gleicher Größenordnung wie für die dezentralen Durchlauferhitzer.
2.2. Wohnungsweise (dezentrale) Wärmeversorgung
Einen Überblick über die Eigenschaften unterschiedlicher WP-Lösungen zum dezentralen Ersatz von Gasetagenheizungen gibt Abbildung 5. Hinsichtlich Effizienz liegen Multi-Split-Systeme in Kombination mit Durchlauferhitzern für die BWW-Bereitung gleichauf mit Sole-WP, die über ein Quellnetz Energie aus dem Erdreich beziehen. Auch auf den Platzbedarf in der Wohnung wirken sich Durchlauferhitzer positiv aus – auf Kosten der elektrischen Anschlussleistung.
In experimentellen und theoretischen Studien wurde nachgewiesen, dass passive Radiatorheizungen aufgrund der geringeren Strömungsgeschwindigkeiten und des höheren Strahlungsanteils in der Regel höheren thermischen Komfort gegenüber Konvektoren ermöglichen [16, 17]. Auch wenn neue Inneneinheiten auf kleiner Stufe sehr leise arbeiten können (z. B. [18]), ist davon auszugehen, dass sie an kalten Tagen bei höheren Schallleistungspegeln arbeiten. Unter den 606 von Eurovent getesteten reversiblen Multi-Split-Geräten mit Nennleistung < 12 kW liegen die Norm-Schallleistungspegel der Inneneinheiten zwischen 48 und 65 dB(A) [19, 20]. Daher erhält die Luft/Luft-WP in der Kategorie Raumkomfort die niedrigste Bewertung, während die übrigen Systeme mit wasserführendem Radiatorheizsystem die Maximalbewertung erzielen.
Die Außenwirkung ist bei den Lösungen mit wohnungsweiser Erschließung aufgrund der Vielzahl von Außeneinheiten und dem damit einhergehenden Risiko von Lärmbelastung am negativsten. Dafür bieten diese Systeme mehr Freiheit bzgl. zeitlich versetzter (gestaffelter) Renovierung der einzelnen Wohneinheiten. Die Anfangskosten sind bei Luft/Luft-Systemen am geringsten, da diese in großen Stückzahlen in Fernost hergestellt werden. Die Luftsysteme erfordern unabhängig von der Position der Quelle eine ähnliche Investition.
Hermetische geschlossene Kältekreisläufe mit einer R290-Füllmenge unter 152 g erfordern gemäß geltender Norm keine externen Sicherheitsvorkehrungen und erhalten die Bewertung 5. Die Sicherheitsanforderungen von Multi-Split-Systemen mit R32 lassen sich trotz Brennbarkeit i.d.R. ebenfalls gut erfüllen, daher wird diesen die Bewertung 4 erteilt. Luft/Wasser-WP haben üblicherweise Füllmengen > 500 g und erfordern mit R290 Sicherheitsabstände (z. B. zu Balkonen und darunterliegenden Fenstern), die sich gerade im vorliegenden Gebäude schlecht einhalten lassen. Daher erhalten diese Varianten die Bewertung 1.
Wie anfangs dargestellt, unterliegt R290 aufgrund des geringen GWP und der Nicht-Toxizität keinerlei absehbaren Einschränkungen und wird somit hinsichtlich Zukunftssicherheit mit 5 Punkten bewertet. R32 dagegen hat ein GWP > 150 und darf gemäß der überarbeiteten F-Gas-Verordnung ab dem 1.1.2027 nicht mehr in Split-Anlagen bis 12 kW vertrieben werden. Somit erhält es in diesem Punkt die geringste Bewertung.
Abbildung 6 stellt zwei Sole-Split-Varianten einander gegenüber: eine zentrale Außeneinheit und Verteilung über ein Quellnetz an der Fassade sowie eine wohnungsweise Außeneinheit (Luft/Sole-Wärmeübertrager). Das grundsätzliche Verhalten beider Systeme ist identisch. Sie unterscheiden sich aufgrund der Anzahl der erforderlichen Außeneinheiten in der Außenwirkung, sowie in der Möglichkeit der gestaffelten Renovierung. Die Investitionskosten liegen in vergleichbarer Höhe: bei der zentralen Variante werden die geringeren spezifischen Kosten für eine größere Außeneinheit gegenüber mehreren kleinen durch das erforderliche Quellnetz kompensiert.
Unterschiedliche Varianten der BWW-Bereitung in Kombination mit einer Wohnungswärmepumpe werden in Abbildung 7 verglichen. Auf die Auswirkungen eines Durchlauferhitzers auf Effizienz, Platzbedarf, Anschlussleistung und Flexibilitätspotenzial wurde bereits bei den zentralen Systemen eingegangen. Somit konzentriert sich dieser Abschnitt auf die Unterschiede bei der Speicherdimensionierung. Auf die Effizienz hat diese für den untersuchten Fall (2 Personen pro Wohnung) keine Auswirkung. Die höheren thermischen Verluste des 120 l-Speichers kompensieren den Strombedarf für direktelektrische Nachheizung. Jedoch fällt die erforderliche Anschlussleistung mit 60 l-Speicher wegen der Nachheizung etwas höher aus, was die Bewertung reduziert. Weiter wirkt sich das größere Speichervolumen nachteilig auf den Platzbedarf aber vorteilhaft auf das Flexibilitätspotenzial aus.
3. Fazit
Die vorliegende Studie zeigt, dass es aufgrund der Anzahl teils widersprüchlicher Kriterien, die im Mehrfamilienhausbestand zu berücksichtigen sind, nicht die eine, universelle Wärmepumpenlösung für die Sanierung gibt. Jedoch wird offensichtlich, dass es eine Reihe von Stellschrauben gibt, durch die Systemlösungen an unterschiedliche Anforderungen angepasst werden können. Für zentrale Wärmepumpenlösungen sind R290-Anlagen mit höheren Leistungen sowohl für Innen- als auch Außenanwendungen zunehmend verfügbar. Somit kann auf unterschiedliche Randbedingungen wie Quellverfügbarkeit und Aufstellfläche flexibel eingegangen werden. Eine dezentrale BWW-Bereitung sollte in Betracht gezogen werden, um die Zirkulationsverluste zu reduzieren und die Gesamteffizienz zu steigern. Vorfertigte Wärmepumpenmodule für die Außenaufstellung könnten als „Game Changer“ fungieren und die Implementierung erheblich erleichtern.
Kompakte R290-Wärmepumpen mit weniger als 152 g Kältemittel eignen sich durchaus zum Ersatz von Gasetagenheizungen. Herausfordernd – insbesondere hinsichtlich Aufstellplatz für den erforderlichen Speicher – stellt sich die Brauchwarmwasserbereitung dar. Kleine Speicher in Kombination mit einem Durchlauferhitzer als „Booster“ können dabei ein Kompromiss zwischen Platz, Effizienz und elektrischer Anschlussleistung darstellen. Für den Einsatz von R290-Monoblock-Systemen an Fassaden kann die Einhaltung des Sicherheitsabstands zu Fenstern und Balkon limitierend sein. Aktuell scheinen Multi-Split-Systeme mit R32 attraktiver hinsichtlich Investitionskosten und Effizienz. Es bestehen jedoch Bedenken mit Blick auf Komfort, Anschlussleistung für die direktelektrische Brauchwarmwasserbereitung und des verwendeten Kältemittels.
Danksagung
Das Projekt LCR290 wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unter dem Förderkennzeichen 03EN4046 gefördert. Auch dem Industriebeirat danken wir für eine gute Zusammenarbeit und die Unterstützung.
Literatur
[9] Peters, M.; Bartenstein, B.; Hebisch, H.; Kaiser, C.; Anders, F. Kommunale Wärmeplanung Einführung in den Technikkatalog, Stuttgart, 2023 (accessed on 11 November 2024).
[10] KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH. Einführung in den Technikkatalog. Available online: https://t1p.de/KKA-4-2025_ISE_Wp_MFH_1(accessed on 11 November 2024).
[11] myGüntner. Available online: https://t1p.de/KKA-4-2025_ISE_Wp_MFH_2(accessed on 11 November 2024).
[12] BKI. BKI Positionen 12. Available online: https://bki.de/bki-positionen (accessed on 11 November 2024).
[13] IEC. IEC 60335-2-40 - Household and similar electrical appliances – Safety: Particular requirements for electrical heat pumps, air-conditioners and dehumidifiers, 7th ed.; IEC: Geneva, 2022 (IEC 60335-2-40).
[14] CEN. prEN 378-1 rev - Refrigerating systems and heat pumps - Safety and environmental requirements: Part 1: Basic requirements, definitions, classification and selection criteria; CEN: Brussels (prEN 378-1 rev).
[15] Verordnung - EU - 2024/573 - EN - EUR-Lex, 2024.
[16] Maivel, M.; Ferrantelli, A.; Kurnitski, J. Experimental determination of radiator, underfloor and air heating emission losses due to stratification and operative temperature variations. Energy and Buildings2018, 166, 220–228, doi:10.1016/j.enbuild.2018.01.061.
[17] Olesen, B.W.; Mortensen, E.; Thorshauge, J.; Berg-Munch, B. Thermal comfort in a room heated by different methods. ASHRAE Transactions 1980, 86, 34–48.
[18] DAIKIN System Multi+: Heizen, Kühlen & Warmwasserbereitung. Available online: https://t1p.de/KKA-4-2025_ISE_Wp_MFH_3 (accessed on 8 November 2024).
[19] DIN German Institute for Standardization. Air conditioners, liquid chilling packages, heat pumps, process chillers and dehumidifiers with electrically driven compressors - Determination of the sound power level - Part 1: Air conditioners, liquid chilling packages, heat pumps for space heating and cooling, dehumidifiers and process chillers; German version EN 12102-1:2022; Beuth Verlag GmbH: Berlin.
[20] Suchergebnisse im Verzeichnis der zertifizierten Produkte | Eurovent Certita Certification: Air Conditioner - Air to Air - Multisplit - reversible (≤12kW). Available online: https://t1p.de/KKA-4-2025_ISE_Wp_MFH_4 (accessed on 8 November 2024).